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Artikel 4254
Ralf Hansen

Grundzüge des französischen Rechts

Eine Rezension zu:

Hübner/Constantinesco

Einführung in das französische Recht


JuS - Schriftenreihe Band 16
Ausländisches Recht

4. Auflage,C.H. Beck Verlag, München 2001, 280 S., € 19,50
ISBN 3-406-45584-0

http://www.beck.de


Der Band bietet eine ausgezeichnete Einführung in das französische Recht, mit dem sich von Deutschland aus nahezu unzählige Berührungspunkte ergeben. Der Band setzt mit einer vorzüglichen Einleitung ein, in der sowohl die Einbindung des französischen Rechts in die kontinentale Rechtstradition skizziert wird als auch die Rechtsquellenlehre erläutert wird, die der deutschen Rechtsquellenlehre durchaus ähnlich ist. Besonders wichtig - auch angesichts der Unterschiede - sind die nachfolgenden Ausführungen über das Gerichtssystem und die Juristen in Frankreich. Hier kommt auch die vom deutschen System sehr verschiedene Juristenausbildung zur Sprache. Von besonderem Interesse für die Weiterarbeit sind die Ausführungen über Arbeits- und Hilfsmittel zum französischen Recht. Hier ist erstmals auch eine Linkliste zu den maßgeblichen Websites enthalten, was sehr zu begrüßen ist, da es eine rasche Information auf aktuellem Stand ermöglicht.

Der zweite Teil behandelt das öffentliche Recht Frankreichs, ausgehend natürlich vom Verfassungsrecht. Auch soziologisch interessant ist hier der § 8, der das politische Leben in Frankreich behandelt und auch einen interessanten Überblick über die nicht ganz leicht zu durchschauende Parteienstruktur bietet. Noch interessanter wird es bei der Darstellung der französischen Konzeption der Grundrechte, deren Stellenwert juristisch nicht vollständig geklärt ist. Der Text bietet auch eine interessante Thematisierung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten, die bereits deshalb komplex ist, weil es eine Verfassungsbeschwerde nach deutschem Muster sowenig gibt wie ein Verfassungsgericht nach hiesigem Verständnis, zumal der Conseil d’Etat nur sehr bedingt ein Pendant dazu bietet, auch wenn seine Entscheidungen nicht weniger interessant sind, da dieser Gerichtshof allgemeine Prinzipien richterrechtlich herausgearbeitet hat, die eine weitreichende verfassungsrechtliche Kontrolle von Grundrechtsverstößen ermöglichen. Nicht weniger schillernd ist das französische Verwaltungsrecht und dessen justizielle Kontrolle, die anschließend behandelt werden und interessante Aspekte für eine rechtsvergleichende Perspektive zutage fördern, etwa was die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage angeht, da für die Klagebefugnis nur ein Interesse an der Aufhebung der gerügten Entscheidung schlüssig dargetan werden muß, nicht aber etwa ein subjektives Recht behauptet werden muß. Über europarechtliche Überlagerungen spielt diese Frage auch bei Verwaltungsrechtsfällen in Deutschland mit europarechtlichem Bezug eine bedeutende Rolle. Die ungemein lesenswerte Darstellung ist sehr praxisbezogen und gerade auch für Praktiker interessant, die sich in diesen Bereich einarbeiten müssen. Notwendig kursorisch ist hingegen die Darstellung zum Strafrecht. Eine Vertiefung ist aber angesichts der reichhaltigen Literaturhinweise unproblematisch möglich. Jedenfalls ist der kurze Überblick sehr anregend.

Gerade unter rechtsvergleichenden Aspekten interessant ist das französische Privatrecht, das in weiten Teilen der Welt rezipiert worden ist und bis zum Erlaß des BGB etwa auch im Rheinland galt. Da der Code Civil eines der interessantesten Privatrechtskodifikationen der Moderne ist, lohnt sich eine vertiefte Auseinandersetzung mit diesem interessanten Teil des Buches. Der „Allgemeine Teil“ des CC weist - entsprechend dem Stand des Jahres 1804 - nicht jenen Abstraktionsgrad auf, den die Pandektisten später in Deutschland herausgearbeitet haben und der auch in Deutschland von Reform zu Reform mehr verlorenzugehen droht. Indessen hat ein hoher Abstraktionsgrad durchaus auch Nachteile. Interessant sind etwa die Darlegungen zu Art. 1108 CC und zur Funktion der causa im französischen Privatrecht, da der CC ein Abstraktionsprinzip nicht kennt, das ohnehin eine deutsche Besonderheit ist, wahrscheinlich beruhend auf einer Fehlinterpretation bestimmter Digestenstellen durch Savigny. Gerade in Zeiten von Schuldrechtsreformen, ist der Vergleich zum französischen Schuldrecht von Interesse, da das dortige Leistungsstörungsrecht im Rahmen der inexécution zwischen Unmöglichkeit, Verzug und PVV nicht klar unterscheidet, so daß gerade jetzt sich interessante Parallelen auftun, da die Kategorie der „Pflichtverletzung“ noch nicht klar konturiert ist. Leider sind die Ausführungen gerade zum Leistungsstörungsrecht etwas knapp. Sehr systematisch sind die Darlegungen zu den verschiedenen Vertragstypen. Gut herausgearbeitet werden etwa die Unterschiede im Bereicherungsrecht. Sachenrecht, Familien- und Erbrecht werden in den wesentlichen Zügen so skizziert, daß der Leser einen Überblick über diese Materien gewinnen kann. Etwas zu knapp ist die Darstellung des Wirtschaftsrechts, etwa was die Handelsgesellschaften angeht, die aber wenigstens kurz vorgestellt werden. Zum Schluß werden das französische Zivilprozeßrecht, das der Unzulässigkeit einer Klage eine wesentlich höhere Funktion einräumt, und das IPR wenigstens noch in groben Zügen dargestellt. Leider wird die interessante, sehr knappe, französische Urteilsbegründungstechnik nicht näher vorgestellt.

Die ausgezeichnete Darstellung bietet seit langem die wohl gegenwärtig kompakteste Information für die Einarbeitung in das französische Rechtsystem vom deutschen Recht her und ist auch als „Auffrischungskurs“ allemal eine lohnende Lektüre.

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