Dr.Thorsten Kuthe
Geschäftsführer Haftung
Eine Rezension zu:
Rolf Meyke
Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers
3. Auflage
RWS Verlag, Köln 2002, 342 S., € 39,-
ISBN 33-8145-1290-1
http://www.rws-verlag.de
Jedes Jahr stehen zahlreiche Gläubiger und Insolvenzverwalter vor dem
gleichen Problem: Ca. 25.000 Gesellschaften mit beschränkter Haftung
werden insolvent, die Insolvenzquote - wenn es nicht zu einer Abweisung
des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt - ist klein.
Auf der Suche nach Möglichkeiten, die Insolvenzmasse zu vergrößern,
richten sich die Begehrlichkeiten regelmäßig auf das Privatvermögen der
Geschäftsführer und Gesellschafter.
Das Buch widmet sich der Frage, inwiefern hier eine Haftung in Betracht
kommt. Der Schwerpunkt liegt dabei gemäß dem Titel auf der Haftung der
Geschäftsführer. Allerdings wird auch ein Überblick über mögliche
Zahlungspflichten von Gesellschaftern geboten, Schwerpunktthemen werden
hierbei auch ausführlich behandelt. Hinsichtlich der damit verbundenen
Grundlagen und Probleme gibt das geltende Gesetzesrecht die Rechtslage
nur annähernd wieder, weil das Gesetzesrecht in diesem Bereich - auch
angesichts zahlreicher Gesetzeslücken - von Richterrecht erheblich
überlagert wird. Das Buch stellt nicht nur die
sich daraus ergebenden vielfältigen Haftungsmöglichkeiten dar, sondern
gibt auch entscheidende Hinweise zu ihrer prozeßrechtlichen Bewältigung,
insbesondere was die Darlegungs- und Beweislastverteilung oder
Beweiserleichterungen angeht. Dabei bedient sich Buch sich der aus der
RWS-Skripten-Reihe bekannten Technik, zitierte Urteile und Literatur im
Fließtext - optisch abgegrenzt durch Einbettung in eigene Absätze -
anzugeben.
Nach einer kurzen Einführung im ersten Kapitel zur Stellung des
Geschäftsführers in der GmbH setzt sich Meyke mit der Haftung gegenüber
der Gesellschaft auseinander. Diesbezüglich geht er zunächst ausführlich
auf § 43 GmbHG ein. Hierbei ist sowohl für vorausschauende
Geschäftsführer, als auch für mögliche Anspruchsberechtigte von
besonderem Interesse die Darstellung einzelner Möglichkeiten der
Sorgfaltspflichtverletzung. Insbesondere die für jeden Geschäftsführer
hochwichtige Abgrenzung zwischen dem Spielraum unternehmerischen
Ermessens und spekulativen Risikogeschäften wird hierbei beleuchtet und
mit Beispielen aus der Praxis erläutert. Die Darlegungen zum verfrühten
Insolvenzantrag zeigen wie problematisch die Pflicht des
GmbH-Geschäftsführers sein können - einerseits ist er von straf- und
zivilrechtlichen Sanktionen bedroht, stellt er den Insolvenzantrag zu
spät, andererseits drohen auch Schadnesersatzpflichten, wird zu früh die
Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt. Weiterhin geht der Autor
auf die Problematik der Erhaltung des Stammkapitals und ein. Hierbei
beschäftigt er sich jedoch nicht mit den Voraussetzungen des § 30 GmbHG,
sondern mit der speziellen Frage, wann eine Haftung des Geschäftsführers
hieran anknüpft, was insbesondere von dem hier anzusetzenden
Verschuldensmaßstab abhängt. Die kapitalersetzenden
Gesellschafterleistungen werden in Voraussetzungen und Rechtsfolgen im
Überblick erläutert, um so aufzuzeigen, wann möglicherweise eine
verbotswidrige Rückzahlung vorliegt, die einen Sorgfaltspflichtverstoß
darstellt.
Interessant sind die Ausführungen über die Haftungsbeschränkung des
Geschäftsführers. Neben den naheliegenden Möglichkeiten der
Freistellungserklärung und des vertraglichen Haftungsauschlusses
behandelt Meyke die Frage, ob die arbeitsrechtlichen Grundsätze der
betrieblich veranlaßten Tätigkeit bei einem Fremdgeschäftsführer
anzuwenden sind.
Fragen der Amtsniederlegung und Amtsenthebung sind nicht nur praktisch
von hoher Relevanz als auch stark von neuerer Rechtsprechung geprägt.
Meyke stellt die Abläufe und Rechtsfolgen hierzu ausführlich und gut
verständlich dar.
Nunmehr wendet sich der Autor der Haftung wegen Insolvenzverschleppung
gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG zu. Der Tatbestand der Norm wird umfassend
erläutert, insbesondere beschäftigt sich der Autor anhand der
einschlägigen Rechtsprechung mit den Problemen bei der Aufstellung einer
Überschuldungsbilanz, einschließlich der speziellen Probleme bei der
Bilanzierung von kapitalersetzenden Darlehen und von Forderungen, die
mit einem Rangrücktritt versehen sind (diesbezüglich haben sich die
Probleme jedoch durch die neue Rechtsprechung des BGH, die Meyke bereits
aufgenommen hat, jedenfalls für die Praxis weitgehend erledigt). Auch
die Möglichkeiten einer Sanierung nach der Insolvenzordnung werden in
diesem Zusammenhang dargestellt.
Das dritte Kapital wendet sich der Außenhaftung des Geschäftsführers und
des Gesellschafters zu. Hier spielen eine Vielzahl von
Anspruchsgrundlagen eine Rolle. Alle denkbaren Haftungsfälle werden
angesprochen, sei es vertraglicher Natur, Rechtsscheinhaftung oder
delikte Haftung. Insbesondere die strukturierte Auseinandersetzung mit
der umfangreichen Rechtsprechung im deliktischen Bereich ist hier
hervorzuheben. Mayke setzt sich mit einer großen Zahl an Urteilen
auseinander und zeigt die darin liegenden Grundstrukturen auf.
Im Zusammenhang mit der Außenhaftung erläutert Mayke auch die Haftung im
qualifiziert faktischen Konzern. Dabei zeigt er zunächst die bisherige
Rechtsprechungsentwicklung und den Meinungsstand bis einschließlich der
TBB-Entscheidung in der Form auf, wie man dies bisher lesen konnte.
Anschließend legt er in zwei Kapital die durch einen Festschriftbeitrag
des Vorsitzenden Richters am 2. Zivilsenat des BGH, Röhricht, und die
Bremer-Vulkan Entscheidung des BGH eingeleitete Abkehr von der
Rechtsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns dar. Die Erläuterungen
zu den sich heraus ergebenden Strukturen und tatbestandlichen Problemen
sind noch relativ kurz - hier darf man wohl in der nächsten Auflage mehr
erwarten - geben jedoch einen guten Überblick über den ersten
Meinungsstand, insbesondere zu der Frage der dogmatischen Grundlagen der
neuen Haftung wegen existenzvernichtender Eingriffe.
Insgesamt ist das Buch uneingeschränkt zu empfehlen. Der Rezensent
selber konnte dem Werk in einem äußerst komplizierten Sachverhalt im
Zusammenhang mit einer großen Insolvenz wertvolle Anregungen und
Hinweise entnehmen - die entsprechende praktische Probe hat das Werk mit
Bravour bestanden. Wer eine umfassende Darstellung der Thematik sucht,
kommt zur Zeit an diesem Buch nicht vorbei.
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