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Artikel 4871
Thorsten Kuthe

Systematische Darstellung des Rechts der GmbH anhand der Rechtsprechung

Eine Rezension zu:

Wolf Goette

Die GmbH


2. Auflage

C.H. Beck Verlag, München 2002, 393 S., € 44,-
ISBN 3-406-48936-2

http://www.beck.de


Die GmbH ist inzwischen die mit Abstand am häufigsten genutzte Gesellschaftsform in Deutschland und von entsprechend hoher Bedeutung in der Praxis. Dies spiegelt sich in Rechtsprechung und Literatur nieder – Urteile zum GmbH-Recht gibt es in kaum noch überschaubarer Zahl und in der Literatur nimmt die GmbH ebenfalls einen sehr breiten Raum ein. Das Buch von Goette, in der 1. Auflage hieß es noch „Die GmbH nach der BGH-Rechtsprechung„ stellt ein sinnvolles und gut gelungenes Hilfsmittel dar, um mit den sich aus dieser Papierflut ergebenden Problemen im Alltag fertig zu werden und nimmt ob seiner Konzeption eine Sonderstellung ein.

Es handelt sich vom Ansatz her um eine umfängliche Darstellung des Rechts der GmbH, wie man sie auch in anderen Büchern finden kann. Die Besonderheit ist allerdings, daß Goette die Darstellung aus Sicht des Richters am für das Gesellschaftsrecht zuständigen 2. Zivilsenat des BGH schreibt. Die Darstellung stützt sich demgemäß neben den gesetzlichen Grundlagen ganz wesentlich auf die Rechtsprechung des BGH. Dabei läßt der Autor das Gericht selber häufig zu Wort kommen, indem Textpassagen aus Urteilen unmittelbar eingeflochten in die Darstellung im Wortlaut zitiert werden. Damit ist auch direkt die große Stärke des Buches umschrieben: Eine Darstellung der Grundsätze des GmbH-Rechts, so wie es der II. Zivilsenat sieht, findet man in dieser Form sonst nicht. Goette bietet eine umfassende Übersicht über alle Grundlagen des GmbH-Rechts und stellt im Zusammenhang damit die praktischen Probleme und die Auffassung des BGH hierzu da. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die Leitsätze der BGH Entscheidungen, sondern erläutert die sich aus den Entscheidungen und deren Entstehungsgeschichte im einzelnen ergebenden strukturellen Prinzipien und stellt in Einzelfällen auch seine abweichende Auffassung von – meist älteren – Urteilen dar.

Damit unterscheidet sich das Buch auf der einen Seite von anderen Darstellung zum Recht der GmbH, etwa im Gesellschaftsrecht-Werk von Karsten Schmidt, wo kein solch starker Fokus auf die Rechtsprechung gesetzt wird. Andererseits handelt es sich um eine umfassende Darstellung in Lehrbuchform, so daß sich das Buch insofern von anderen Darstellung der Rechtsprechung im GmbH-Recht abhebt. Dies unterscheidet das Buch auch von vielen Praxishandbüchern: Goette versteht es, Prinzipien darzulegen, die dabei helfen, zu einer Entscheidung und Handlungsanleitung für Fälle zu gelangen, die nicht bereits vom BGH entschieden wurden. Hierbei klärt Goette aus seiner Sicht bestehende Mißverständnisse der BGH Rechtsprechung auf und gibt Hinweise auf mögliche Tendenzen in der zukünftigen Rechtsprechungsentwicklung.

Aus dem Konzept wird andererseits auch das deutlich, was hier nicht zu finden ist: Eine umfassende Darstellung des Rechts der GmbH unter Berücksichtigung von Literaturauffassungen. Dort wo der BGH eine Stellungnahme abgegeben hat, wird auf abweichende Literaturmeinungen allenfalls noch in einer Fußnote kurz hingewiesen, oft unterbleibt jedoch auch dies. Weiterhin fehlen Stellungnahmen zu Problembereichen, mit denen sich die Rechtsprechung bisher nicht beschäftigt hat, so etwa zu den zahlreichen Problemen im Zusammenhang mit den Neuregelungen in § 32a Abs. 3 S. 2 und 3 GmbHG (vgl. hierzu jeweils ausführlich und m. w. N. Kuthe, Die Änderungen im System der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, 2001 und Barth, Der Anwendungsbereich des Eigenkapitalersatzrechts nach § 32a Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 GmbHG).

Der Gang der Darstellung orientiert sich an der auch sonst typischen Reihenfolge, beginnend mit der Errichtung der Gesellschaft über Kapitalaufbringung, Kapitalerhaltung und sonstige Themen während des Bestandes der Gesellschaft bis zur Auflösung und Liquidation.

Das erste Kapital befaßt sich mit der Errichtung der GmbH. Den größten Raum nimmt dort eine Darstellung zur Vor-GmbH und insbesondere zur Haftungsverfassung in dieser Gesellschaftsform ein. Hierbei handelt es sich um eine vollständige, alle Problembereiche abdeckende Darstellung. Erfaßt ist die vollständige Entwicklung der Rechtsprechung und Erläuterung des Konzepts der derzeitigen Haftungsverfassung. Dabei geht Goette auch auf in der Literatur weiter umstrittene Probleme ein, insbesondere im Zusammenhang mit der sogenannten unechten Vor-GmbH, d.h. der Vor-GmbH, deren Gründer die Eintragungsabsicht aufgegeben haben, und erläutert anhand von Passagen aus der BGH-Rechtsprechung, wie die Probleme in diesem Zusammenhang mit den von der Rechtsprechung aufgestellten Prinzipien zu lösen sind.

Die Ausführungen zur Kapitalaufbringung bei Gründung und Kapitalerhöhung beginnen teilweise mit Wiederholungen aus dem Vorkapital. Anschließend werden die rechtlichen Probleme bei der Leistung von Bar- und Sacheinlagen erläutert, wobei insbesondere Probleme der Praxis wie Zahlung auf ein Bankkonto oder an Gläubiger der Gesellschaft im Vordergrund stehen. Hinsichtlich der Sacheinlagen werden die Probleme um die verdeckte Sacheinlage übersichtlich dargestellt. Ein besonderer Abschnitt ist dem wichtigen Problem der Zahlung auf eine künftige Einlageschuld gewidmet. Damit schließt Goette eine wichtige Lücke in der Literatur, da die übrigen Darstellungen hierzu in der Literatur oft die Rechtsprechung nur unvollständig oder mißverständlich wiedergeben. Hier zeigt sich erneut der Vorteil des Buchkonzeptes, indem Goette auch weniger bekannte BGH Entscheidungen oder einzelne, verstecktere Passagen aus Urteilsbegründungen hervorhebt.

Dem wichtigen Thema der Kapitalerhaltung ist das dritte Kapital gewidmet. Im Rahmen der Darstellung zur § 30 GmbHG behandelt der Autor auch einige praxisrelevante Randprobleme. Daneben werden übersichtlich und prägnant die Grundsätze für die Aufstellung einer Zwischenbilanz nach §§ 30, 42 GmbHG und einer Überschuldungsbilanz dargelegt. Leider findet sich keine Stellungnahme zu der auch vom BGH bisher offengelassenen wichtigen Frage, inwiefern hierbei Gesellschafterforderungen mit einem rechtsgeschäftlichen Rangrücktritt passiert werden müssen.

Die Darstellung wendet sich anschließend dem Eigenkapitalersatz zu. Angesichts des Umfangs des Themas muß sich Goette – wenn auch immerhin auf über 50 Seiten - hier auf die wesentlichen Grundsätze beschränken. Dabei werden jedoch in anderen Darstellungen teilweise vernachlässigte aber praktisch bedeutsame Fragen wie die Dauer der Auszahlungssperre und Haftung der Mitgesellschafter und Geschäftsführer eingeschlossen, während jedoch Überlegungen zu neuen und bislang ungeklärten Problemen im Zusammenhang mit dem Sanierungs- und Kleinbeteiligtenprivileg (vgl. dazu schon oben) oder etwa den sogenannten Financial Covenants, als den Darlehens- oder Anleiheverträgen nach amerikanischem Muster, die den Gläubigern zahlreiche Informations- und Einflußrechte gewähren (vgl. dazu etwa Fleischer, ZIP 1998, 313 einerseits und Kuthe, Die Änderungen im System der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen, 2001, S. 117, 204 andererseits), fehlen.

Die folgenden Kapitel beschäftigen sich mit dem Geschäftsanteil, Ausschließung und Austritt von Gesellschaftern und der Gesellschafterversammlung.

Mit ca. 100 Seiten ist das achte Kapital, welches sich mit den Geschäftsführern beschäftigt, sehr umfangreich. Von Fragen zum Organverhältnis über das Anstellungsverhältnis bis zur Haftung des Geschäftsführers findet man dort Erläuterungen zu allen wichtigen Prinzipien im Zusammenhang mit dem Gesellschafter einer GmbH. Hierbei wird auch auf in Lehrbüchern sonst seltener zu findende Fragen etwa zu Dienstwagen, Auslagenersatz, Versicherungen und Zeugnisse eingegangen, die in der Praxis von erheblicher Bedeutung sind. Stringent und klar werden auch die Grundlagen und Prinzipien im Zusammenhang mit der Haftung der Geschäftsführer dargestellt.

Das neunte Kapital befaßt sich mit dem GmbH-Konzernrecht und ist programmatisch betitelt mit „von Autokrant zu TBB„. Die Darstellung ist übersichtlich und macht die jeweilige Sichtweise des BGH deutlich. Jedoch ist die zeitliche Begrenzung zu bedauern. Bekanntlich hat der BGH mit dem Bremer-Vulkan Urteil (ZIP 2001, 1874) ein neues Kapital im Zusammenhang mit der Haftungsfigur des qualifiziert faktischen Konzerns eingeläutet, mit der sich der Haftungstatbestand vom Konzernrecht gelöst hat und ein eigenständiges, konzernunabhängiges Rechtsinstitut des Bestandsschutzes begründet wurde. Unabhängig davon, ob man hierin nur eine Bekräftigung und Fortschreibung des TBB-Urteils sieht oder einen völligen Bruch mit den bisherigen Prinzipien, ist die Betrachtungsweise zu diesen Haftungsfragen nunmehr in vielen Punkten anders zu sehen als vorher, insbesondere liegen die dogmatischen Grundlagen nicht mehr in §§ 302 f AktG. Angesichts dessen, daß das vorliegende Buch mit Stand vom Dezember 2001 ist, überrascht diese Lücke, da die Bremer-Vulkan Entscheidung vom 17. September 2001 datiert.

Den Abschluß des Buches bilden Ausführungen zur Auflösung und Liquidation.

Insgesamt stellt das Buch von Goette zu einem angemessenen Preis eine sinnvolle Ergänzung der Literatur dar und ist jedem zu empfehlen, der sich praktisch intensiver mit dem Recht der GmbH beschäftigt. Auch für die wissenschaftliche Analyse finden sich viele wertvolle Hinweise in dem Werk.

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