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Artikel 281
Ralf Hansen

Das Außenprivatrecht der Unternehmen. Neues zum Handelsrecht

Schmidt, Karsten
Handelsrecht
Fünfte, neubearbeitete Auflage, 1072 Seiten, DM 166,-
Carl Heymanns Verlag
Köln - Berlin - Bonn - München
Juli 1999


http://www.heymanns.com


Mit der Neuauflage des Handelsrechtes von Karsten Schmidt liegt eine umfassende Darstellung des “Außenprivatrechts der Unternehmen” - so der unternehmensrechtliche Ansatz seit der ersten Auflage 1980 - vor, die keinen Leserwunsch offen lassen dürfte. Es gibt fast kein Problem des Handelsrechts, das von Schmidt, wie üblich, nicht thematisiert wird. Im Grunde kann (und braucht) man dieses Werk nicht mehr zu rezensieren - es hat sich selbst bereits hinlänglich vorgestellt. Dennoch schafft es Schmidt mit jeder neuen Auflage, Facetten des Handelsrechts zu entdecken, die vorher in diesem kritischen Licht kaum betrachtet worden sind. Das Werk selbst hat handelsrechtswissenschaftliche Geschichte geschrieben. Inzwischen liegt auch eine Übersetzung ins Spanische vor (Derecho Comercial, Astrea-Verlag, Buenos Aires - übers. von RA D. Frederico Werner). Es wird nicht die Einzige bleiben. Eine Übersetzung ins Englische könnte dem transkontinentalen Diskurs der Handelsrechtswissenschaft allerdings wichtige Impulse geben.

Schmidt hat das Werk, wie er im Vorwort schreibt, Seite für Seite überarbeitet, wobei der Umfang um 15 Seiten vermindert werden konnte, was sicher der Reform des Kaufmannsbegriffes geschuldet ist, dessen Kritik, wie Schmidt klarstellt, keineswegs im Zentrum der Ansatzes vom Außenprivatrecht des Unternehmens stand. Vielmehr ist diese Kritik eine Konsequenz dieses Konzeptes, dessen Wurzeln einerseits in einer Analyse der geschichtlichen Wandlungen der unternehmensrechtlichen Grundbegriffe liegen. Andererseits aber auch in einer rechtssoziologischen Analyse der faktischen Anforderungen der unternehmerischen Situation unter gegenüber dem ursprünglichen Ausgangstext erheblich veränderten wirtschaftlichen Bedingungen, die zumindest partiell eine handelsrechtliche Regulation durch Normenwandel verursacht hat. Dies zeigt sich besonders an den Korrekturen des Normadressatenkreises.

Im Zentrum der Neubearbeitung stand selbstverständlich die Einarbeitung der Handels- und Transportrechts-Reform von 1998, die eine Neukonzeption der §§ 10 ff und der §§ 32 - 34 erforderlich machte. Die positive Haltung Schmidts zur Reform ist zwar aus seinen einschlägigen Schriften bereits bestens bekannt. Gerade in diesem Bereich besteht jedoch die theoretische Neugier, wie sich die Positionen im System seiner unternehmensrechtlichen Darstellung ausmachen würden. Insgesamt scheinen sie kritischer auszufallen. Nach wie vor läßt sich Schmidt allerdings davon leiten, daß es eine eigene Handelsrechtsdogmatik nicht geben kann, da die Dogmatik des Handelsrechts stets auf die allgemeine zivilrechtliche Dogmatik rückbezogen werden muß und in diesem Systemzusammenhang analysiert werden muß.

In diesem Zusammenhang wird der Europäisierung und Internationalisierung auch des Handelsrechtes deutlich Rechnung getragen. Auch wenn es sich im letzteren Falle, wie Schmidt es ausdrückt, eher um einen “Reflex der Integration des Europäischen Gesellschaftsrechts” handelt (§ 1 III 1 b S. 18 f). Seine am Beispiel des Frachtrechts exemplifizierte Auffassung, daß internationales Einheitsrecht die Rechtszersplitterung fördert, mag verwundern (§ 32 I 1 b S. 912). Sie ist nichts desto trotz zutreffend, da aufgrund politischer Kontingenzen immer nur Teilfragmente von Materien international geregelt werden können. Die Auslegung dieser Normen, wie etwa das CISG zeigt, bewegt sich stets am Rand der Abgrenzung zum Internationalen Privatrecht (auch aufgrund sachlicher Verweisungsnormen im CISG) und zersplittert früher nationalrechtlich in einer Kodifikation geregelte Normenzusammenhänge, auch wenn die Vorteile gegenüber der Anwendung eines nationalen Sachrechtes nach Klärung der internationalprivatrechtlichen Kollisionen deutlich überwiegen und es einen Weg zurück nicht gibt. Die Rechtsanwendung in diesen Bereichen ist jetzt anders, aber nicht einfacher geworden. Gerade die Materie des Transportrechtes aber ist internationalen Einflüssen von Haus aus erheblich ausgesetzt, zumal etwa das CMR (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) bei Vorliegen seiner Anwendungsvoraussetzungen der internationalprivatrechtlichen Berufung des deutschen Rechts vorgeht. Von besonderer praktischer Bedeutung ist der Handelskauf (§ 29), der in seinen internationalrechtlichen Zusammenhängen ausgreifend behandelt wird (§ 30). Besonders hervorzuheben ist die Erläuterung der für den Gefahrübergang bei internationalen Handelsgeschäften wesentlichen Incoterms, denen sich eine geraffte Darstellung des CISG anschließt.

Die Abschnittseinteilung des zweiten Teiles des Werkes wurde erheblich verändert. Den fünf Abschnitten des zweiten Teiles der Vorauflage stehen nunmehr sieben Abschnitte der Neuauflage gegenüber. Die Ausführungen über das “Transport- und Frachtgeschäft” sowie “Bankgeschäfte und sonstige Handelsgeschäfte” wurden zu eigenen Abschnitten, was der Übersichtlichkeit dient und die Vielfalt des Rechts der Handelsgeschäfte noch deutlicher hervorhebt. Neu ist das “Fazit” zum Recht der Handelsgeschäfte am Ende des Werkes, in dem Schmidt verdeutlicht, daß ein Zurück zum objektiven System des ADHGB, das nicht am Kaufmannsbegriff, sondern an der Typik der Handelsgeschäfte, also “objektiv” anknüpfte, nicht mehr möglich ist und statt dessen ausgehend vom “subjektiven” System des HGB, das immer noch am “Kaufmann” anknüpft, eine Fortentwicklung zu einem “Außenprivatrecht der Unternehmen” notwendig ist, dessen Anknüpfungspunkt der Unternehmensträger ist. Das Problem der “Kontinuität beim Wechsel des Unternehmensträgers” anhand der uneinheitlichen Kriterien der §§ 25 - 28 HGB wurde allerdings vom Gesetzgeber 1998 wieder nicht reformiert und muß daher weiterhin durch teleologisch ansetzende Auslegung “begradigt” werden. Das betreffende Rechtsfortbildungskonzept von Karsten Schmidt (§ 8) ist seit 1980 umstritten geblieben, auch wenn immer stärkere Annäherungen der meisten Kritiker, die diese Normen als heterogene Regeln deuten, an seine “Einheitskonzeption” auszumachen sind. Eine h.M. ist nach wie vor nicht auszumachen, auch wenn die Lesart der “Rechtsscheintheorie” (noch?) überwiegt. Auch dieses Kapitel ist auf allerneuestem Stand der handelsrechtswissenschaftlichen Reflexionen, selbstverständlich auch was die Nachweise angeht. Selbstredend gilt dies für das gesamte Werk, das durch ein BGHZ-Verzeichnis der behandelten Entscheidungen abgerundet wird.

Handelsrecht ist Unternehmensrecht, wobei sich die Differenzierung von Schmidt zwischen Unternehmen (§ 4) und Unternehmensträger (§ 5) in 20 Jahren weithin durchgesetzt hat. Im Gegensatz zum Gesellschaftsrecht als dem Organisationsrecht der Unternehmen, betrifft das Handelsrecht die unternehmerischen Beziehungen zur “Umwelt”, also das “Außenprivatrecht der Unternehmen”. Wobei allerdings beide Bereiche, wie insbesondere auch die Arbeit am Fall zeigt, eng verzahnt sind, wie etwa das Problem des Umfangs der Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH zeigt, der für das Unternehmen Handelsgeschäfte abschließt, ggf. - laut Gesellschaftsvertrag - nur gemeinsam mit einen Prokuristen. Derartige Fällen führen zum Problem der handelsrechtlichen Publizität (§§ 11 ff) und verweisen auf die Problematik des Handelsregisterschutzes, in dessen Zentrum die problematische Norm des § 15 HGB steht (§§ 14 ff). An dieser beinahe schon “klassischen” Darstellung war nichts Grundlegendes zu ändern.

Die Reform des Kaufmannsbegriffes betrachtet Schmidt als Weg in die richtige Richtung, die aber immer noch nicht völlig zeitgemäß ist und auch in der jetzigen Form gegenüber den Anforderungen eines Außenprivatrechts der Unternehmen “unterkomplex” ist. Die Orientierung am Kaufmannsbegriff (und nicht am Unternehmen) hat auch nach der Reform fatale Folgen, wird doch in der Dichotomie zwischen “Istkaufmann” und “Nichtkaufmann”, der Minderkaufmann “rationalisiert”, so daß offen bleibt, ob und welche handelsrechtlichen Normen auf den unternehmerisch tätigen Nichtkaufmann angewendet werden können, wenn keine gesetzliche Unterwerfung unter diese Regeln erfolgt ist, wie etwa nach § 383 Abs.1 HGB und keine Eintragung nach § 2 HGB erfolgt ist. Allerdings ist der “Kaufmann” (als subjektiver Anknüpfungspunkt) nach wie vor der genuine Normadressat des HGB. Rechtsdogmatischer und unternehmenssoziologischer Ansatz fallen hier weit auseinander.

Im Zentrum der Rechtsanwendung steht daher zunächst die Anwendung des Kaufmannsbegriffes nach Sinn und Zweck der betreffenden Normen, denn der eintragungspflichtige und eingetragene Kaufmann i.S.d. der §§ 1 ff HGB ist immer Unternehmensträger. Die unternehmensrechtliche Konzeption von Schmidt wird aber da zum Prüfstein dieses Normengefüges, wo eine lückenlose Anwendung dieser Normen nicht mehr möglich ist. Dies hat Folgen insbesondere für die unternehmerisch tätige Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die nicht den Weg in die OHG wählen will oder kann, § 105 Abs.2 S.1 i.V.m. § 2 HGB. Diese Problematik zieht ihre Kreise bis hin in das Firmenrecht (§ 12), wenn nach § 37 Abs.1 HGB einem nichtkaufmännischen Unternehmen die Führung einer firmenähnlichen Bezeichnung wegen § 19 HGB im Verfahren nach § 140 FGG untersagt wird. Große Bedeutung hat dies für die Mitunternehmer-BGB-Gesellschaft, die ihre Haftung bereits in der Geschäftsbezeichnung beschränken will (BayOblG, NJW 1999, 297), was mit § 4 GmbHG n. F. sicher kollidiert. Die Frage beschäftigt gegenwärtig - in einem anderen Verfahren - den BGH, der noch nicht in der Sache entschieden hat. Selbst über solche “Randfragen” gibt Schmidt wie immer zuverlässig Auskunft (§ 12 IV 2 b S. 374 f), eng verzahnt mit seinem “Gesellschaftsrecht” (4. Aufl., Heymanns- Verlag, 1997). Bedauerlicherweise konnte sich der Gesetzgeber nicht entschließen, eine Reform des Rechts der Mitunternehmer-GbR in Angriff zu nehmen. Firmenrechtlich steht diese Rechtsform nach wie vor im luftleeren Raum: Geschäftsbezeichnungen sind möglich und üblich, müssen sich aber in den Grenzen von § 19 HGB bewegen. Dies zeigt, daß ein “Außenprivatrecht” der Unternehmen gesetzlich noch nicht voll entwickelt worden ist, aber eine ansatzweise Rezeption erfolgt ist. Insgesamt bestehen in diesen Bereichen erhebliche dogmatische Abstimmungsprobleme, die nur durch systematische “Abarbeitungen”, wie durch das systematische Werk von Karsten Schmidt, in Griff zu bekommen sind.

Ein Beispiel dafür ist der unverändert gebliebene § 5 im jetzigen System der Kaufmannsanknüpfungen, da aufgrund von § 2 HGB diese Norm für eingetragene Kleingewerbebetriebe nicht mehr relevant ist und widerrechtliche Eintragungen gewerblicher Unternehmen im Handelsregister nicht mehr möglich sind (§ 10 III 2), so daß diese Norm bei wortsinnentsprechender Interpretation diesbezüglich keinen Anwendungsbereich mehr hat (Lieb, NJW 1999, 36 f). Schmidt will demgegenüber genügen lassen, daß ein Unternehmen vorhanden ist und § 5 korrigierend - analog - auslegen, ohne daß es auf ein Gewerbe ankommt, da § 4 entscheidend auf den Verkehrsschutz abstellt, nicht aber die Gewerblichkeit, die - gegenüber den freien Berufen kaum noch abgrenzbar ist - im Vordergrund des Telos der Norm steht. Wer immer eingetragen ist, ist daher als Kaufmann zu behandeln, gleich aus welchem Grunde. Eine überzeugende, die Schutzsystematilk des HGB teleologisch aufnehmende Argumentation, die mit der Einbeziehung nicht gewerblicher personengesellschaftlicher Unternehmen als “Kannkaufmann” nach § 105 Abs.2, 151 Abs.2 HGB konvergiert, wobei streitig ist, ob diese Unternehmen eingetragen werden können, wenn sie nicht nur eigenes, sondern auch fremdes Vermögen verwalten. Schmidt nimmt letzteres an, da der Gesetzgeber kaum die Eigenverwaltung gegen die Fremdverwaltung abgrenzen sollte. Praktisch dürfte dies auch unmöglich sein, da fremdvermögensverwaltende Unternehmen i.d.R. auch eigenes Vermögen verwalten.

Angesichts der Reform der §§ 17 ff HGB 1998 mußte § 12 III der Darstellung über die Firmenbildung völlig neu geschrieben werden. Die oft widersprüchliche Judikatur zur Firmenbildung war kaum noch systematisierbar (insoweit bleibt die Vorauflage weiter interessant, um die Zusammenhänge zu verstehen) und auch rechtspolitisch kaum noch haltbar. Kapitalgesellschaften sollten nur Sachfirmen führen dürfen. Personenhandelsgesellschaften nur eine personal fixierte Firma. Spätestens bei der GmbH & Co. KG kam es zu schwerwiegenden Kollisionen. Übrig geblieben sind - angesichts fast völliger Liberalisierung unter Ermöglichung von “Phantasiebezeichnungen” - drei Grundsätze: Kennzeichnung und Unterscheidungskraft des Firmenkerns als Abgrenzungsfunktion, Irreführungsverbot und das Gebot der Führung von Rechtsformzusätzen bei allen kaufmännischen Unternehmensträgern. Wobei insbesondere das Irreführungsverbot aufgrund seiner Überschneidungen mit dem Markenrecht (“Verwechslungsgefahr”) von besonderer Bedeutung ist. Die Neuregelung läßt sich anhand der Ausführungen von Schmidt optimal erarbeiteten oder vertiefen.

Wer trockene, rein deduktive Lektüre erwartet, wird - wie von den Vorauflagen - “enttäuscht” werden. Die äußerst flüssig geschriebene Darstellung weist 669 - der höchstrichterlichen Rspr. entnommene Fälle - auf, die teilweise auch im Rahmen von “Kurzgutachten” gelöst werden, so daß auch für die Fallbearbeitung hier manches zu lernen ist. Ohnehin läßt sich dieses voluminöse Werk, aufgrund des großzügigen Satzes und der optischen Präsentation leichter lesen, als manches kürzere Werk. Unabhängig von der Handelsrechtsreform werden auch andere Neuentwicklungen behandelt, wie etwa der völlig überarbeitete § 7 zeigt, dessen Gegenstand der privatrechtliche Unternehmensschutz ist, der immer auf Interesse stößt und eng an die zivilrechtliche Dogmatik der Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche anschließt. Das Online-Recht, das auch starke handelsrechtliche Bezüge aufweist, wird erst noch nur gestreift (S.190). Dieses Kapitel bietet auch einen systematischen Überblick über die rechtlichen Schutzmöglichkeiten des Unternehmens gegen Integritätsbeeinträchtigungen, seien sie objekt- oder verhaltensbezogen. Wesentlich erweitert - der enormen Bedeutung dieses Rechtsgebietes Rechnung tragend - wurde § 7 III zum Schutz durch das Markenrecht, dessen zentrales Kriterium die “Verwechslungsgefahr” ist und das im Netz mitunter seltsame Blüten treibt, wie etwa das “Mega-Verfahren” “Webspace” zeigt, das eine Verschiebung von der Bedeutung des Streites um “Geschäftsbezeichnungen” hin zur möglichen Sperre der Werbung für Produkte aufzeigt, deren Bezeichnung zugunsten eines Eingetragenen beim Bundespatent- und Markenamt registriert worden ist, um Lizenzgebühren zu erhalten. In der nächsten Auflage wäre es interessant, die Auffassung von Karsten Schmidt zu solchen “Phänomenen” zu erfahren. Vollständig eingearbeitet ist selbstverständlich auch das seit 01.01.1999 in Kraft befindliche Insolvenzrecht (§ 6 IV./V.). Erneut: Eine Glanzleistung!



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