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Artikel 10238
Tobias Schott
20.05.2005

Die Europäische Aktiengesellschaft

Eine Rezension zu:

Dirk Jannott / Jürgen Frodermann

Handbuch der Europäischen Aktiengesellschaft

Societas Europaea

C.F. Müller, Heidelberg 2005, 1.108 Seiten, 134,- €
ISBN 3-8114-3029-7

http://www.cfmueller-verlag.de


Mit der Verabschiedung des SE-Statuts wurde die erste supranationale Rechtsform für eine gemeinschaftsrechtliche Kapitalgesellschaft geschaffen, die sich unabhängig von nationalen Grenzen entfalten kann. Die SE tritt dabei in Konkurrenz zu den weiter bestehenden, ihrerseits teilweise durch EG-Richtlinien harmonisierten, nationalen Rechtsformen. Durch die Überlagerung von europäischem Recht mit nationalem Recht in vielfältiger Weise wird es dazu kommen, dass es keine einheitliche SE, sondern je nach nationalem Recht verschiedene SE's geben wird. Durch dieses Zusammenspiel verschiedener nationaler Rechtsordnungen entstehen Probleme, die nur schwer überschaubar sind. Den Autoren der Beiträge in diesem Handbach ist es gelungen, durch einen Vergleich verschiedener Rechtsordnungen erste Problemfelder herauszuarbeiten und Lösungsansätze zu präsentieren.

Als sehr brauchbar erweist sich die Darstellung der unterschiedlichen Rechtsordnungen der einzelnen Mitgliedstaaten. Die Bearbeiter arbeiten dabei die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsordnung heraus und geben so einen Überblick darüber, wie die SE nach dem Heimatrecht dieser Rechtsordnung zu gestalten ist.

Zum Gegenwärtigen Zeitpunkt ist das vorliegende Handbuch ein "Muss" für jeden, der sich mit der Europäischen Aktiengesellschaft beschäftigt. In insgesamt 16 Kapiteln haben die Herausgeber Beträge von renommierten Juristen aus Lehre und Praxis zusammengefügt und so einen Leitfaden für den Umgang mit der SE geschaffen.

Auch wenn es Praktiker weniger interessieren dürfte, darf auch die Entwicklungsgeschichte des SE-Status nicht fehlen, reicht diese doch bis ins Jahr 1959 zurück.

Auf großes Interesse dürfte die Darstellung der verschiedenen Gründungsformen und den damit verbundenen Gründungsverfahren sein. Dirk Jannott stellt den Richtlinientext dar und arbeitete dabei die einzelnen rechtlich möglichen Gestaltungsformen heraus. Auch die Anforderungen an die Satzung werden sehr ausführlich dargelegt. Mit der SE steht den deutschen Unternehmensführern zum ersten mal ein Wahlrecht zur Organisationsverfassung der Gesellschaft zur Verfügung. Neben dem deutschen dualistischen System kann auch die monistische Leitungsstruktur gewählt werden. Um eine Entscheidung herbeizuführen, muss eine Abwägung aller Faktoren erfolgen. Jürgen Frodermann stellt beide Systeme vor und ermöglich so eine Entscheidung in dem jeweiligen Einzelfall.

Die deutsche Mitbestimmung gilt als Hauptgrund dafür, dass die Verabschiedung des SE-Status so lange hat auf sich warten lassen. Erst durch die Einigung auf dem Gipfel von Nizza wurde die Verabschiedung der SE-Verordnung und der SE-Richtlinie ermöglicht. Dieser Kompromiss sieht vor, dass es kein auf die SE anwendbares einheitliches europäisches Modell der Arbeitnehmerbeteiligung geben wird. Vielmehr sollen die erworbenen Rechte er Arbeitnehmer über die Beteiligung an Unternehmensentscheidungen gesichert werden. Eines der Grundprinzipien der SE-RL ist die Verhandlungslösung, die zwischen Unternehmensleitung und der Arbeitnehmerseite herbeigeführt werden soll. Rainer Kienast geht in seinen Ausführungen sehr detailliert auf die einzelnen Regelungen der SE-Richtlinie auf der einen Seite und der deutschen Mitbestimmungsnormen auf der anderen Seite ein. Dabei arbeitet er die wichtigsten Eckpunkte heraus, auf die bei der Gründung einer SE unter Beteiligung einer deutschen mitbestimmten Aktiengesellschaft einzugehen ist. Als positiv bezeichnet der Praktiker dabei die Möglichkeit, den strengen deutschen Mitbestimmungsvorschriften im Einvernehmen mit den Arbeitnehmern zu entgehen und ein eigenes Modell der Mitbestimmung zu entwickeln. Trotz dieser Chance übersieht Kienast nicht die Probleme, die mit der deutschen Mitbestimmung zusammenhängen. Aufgrund des Bestandsschutzes wird es nur schwer möglich sein, neue Modelle zu etablieren, so dass deutsche Aktiengesellschaften es wohl schwer haben, sich mit ausländischen Rechtsträgern auf eine SE zu verschmelzen. Ausländische Partner werden sich nur ungern den strengen deutschen Normen unterwerfen.

Ohne die steuerrechtliche Regelung einer SE-Gründung ist diese schlicht nicht durchzuführen. Für die Besteuerung der SE muss auf das allgemeine Steuerrecht der Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden. In Deutschland stellt sich hier die Besonderheit, dass es keine nationalen Regelungen gibt, welche auf die SE-Gründung anzuwenden wären. Die Fusionsrichtlinie über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen und die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, wurde in Deutschland nicht umgesetzte. In seinem Beitrag für dieses Handbuch geht der Rechtsanwalt und Steuerberater Heino Büsching ausführlich auf die Möglichkeit der unmittelbaren Anwendung der Fusionsrichtlinie auf die Europäische Aktiengesellschaft ein. Obwohl Büsching sich für eine unmittelbare Anwendung ausspricht, verschweigt er nicht die damit verbundenen Risiken für die Praxis.

Gesamteindruck:
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Buch einen hervorragenden Eindruck in die Praxis der SE-Gründung vermittelt. Jedem, der sich für die Societas Europaea interessiert, kann das Buch bedenkenlos empfohlen werden. Gerade für Anwälte ist der sehr praxisnahe Blickwinkel von großem Interesse. Bei der Gründung der SE handelt es sich um absolutes juristisches Neuland. Die Autoren stellen die in der Literatur vertretenen Theorien und Meinungen dar und betrachten diese stets mit der Maßgabe der Umsetzungsfähigkeit. Im Moment gibt es wohl kein besseres Buch, um sich mit der Societas Europaea vertraut zu machen. Die 134 € sind mit Sicherheit nicht zu viel für dieses umfangreiche Werk.

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