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Artikel 102
Ralf Hansen

Zur Funktion der Zwischenberichterstattung im „Shareholder-Value-Modell“

Eine Rezension zu:

Manuel Alvarez/Stefan Wotschofsky
Zwischenberichterstattung
nach Börsenrecht, IAS und US-GAAP

Konzeptionelle Grundlagen mit einer
Analyse des Publizitätsverhaltens
der Dax100-Unternehmen

Bielefeld: Erich - Schmidt - Verlag (ESV), 2000
ISBN: 3-503-04173-7

http://www.erich-schmidt-verlag.de


Der Begriff „shareholder value“ ist heute jedem Anleger in Aktien geläufig. Beteiligung nach diesem Modell setzt Transparenz und Kommunikation zwischen Unternehmensleitung und Anlegern voraus. Der Jahresabschluß nach §§ 290 ff HGB reicht als Informationsquelle für Anlageentscheidungen allein schon lange nicht mehr aus. § 44 b Börsengesetz sieht daher bereits seit gut einem Jahrzehnt für börsennotierte Aktiengesellschaften eine Halbjahresberichtspflicht vor, die aber heute auch schon als unzureichend angesehen wird. Nahezu alle global operierenden Unternehmen in Deutschland sind inzwischen dazu übergegangen Zwischenberichte unterhalb dieser Schwelle zu veröffentlichen, obwohl die Zwischenberichterstattung in Deutschland an relativ geringe Anforderungen geknüpft ist. Im Vollzug einer nahezu vollständigen Internationalisierung der Finanzmärkte üben die Standards der international vorherrschenden Methoden der Rechnungslegung darüber hinaus einen erheblichen Druck aus, die Zwischenberichterstattung zu forcieren. § 292 a HGB hat zudem eine Öffnung gegenüber diesen Standards (IAS; US-GAAP) bewirkt, um deutschen Unternehmen den Gang an die Wall Street zu erleichtern, bei dem damals Daimler-Benz in Deutschland Pionierfunktion übernommen hat. Diese Standards stellen hohe Anforderungen an eine fortlaufende Zwischenberichterstattung, die dem deutschen Recht in dieser Form unbekannt sind.

Die Autoren untersuchen in ihrer interessanten Studie das Publizitätsverhalten der Dax100-Unternehmen in Deutschland und gehen daher zunächst von der deutschen Rechtslage aus, die sie kurz skizzieren. Interessante Internetadressen im Anhang ermöglichen eigene Recherchen des interessierten Lesers. Die ausgewertete Materialfülle ist beeindruckend. Regelmäßige Publizitätsinstrumente (§§ 262, 289 HGB) stehen situationsbezogenen Publizitätsinstrumenten (§§ 36 III Nr.2 BörsG; 44 c BörsG; § 15 WpHG) gegenüber. Der Mindestumfang der Zwischenberichterstattung nach § 44 b BörsG i.V.m. §§ 53 - 62 BörsZulV ist gering und bezieht sich in erster Linie auf die Angabe der Umsatzerlöse und des Ergebnisses vor oder nach Steuern in Relation zum Vorjahresergebnis. Auch wenn § 292 a HGB, der 1998 eingeführt wurde, die Standards IAS und US-GAAP nicht namentlich erwähnt, zeigen doch die Gesetzesmaterialien, daß sie deutlich in Bezug genommen werden sollten, da sie sich weltweit durchgesetzt haben. Deutlich werden die Unterschiede und Defizite der deutschen Regelung zur US-amerikanischen herausgearbeitet. Die maßgebliche Institution für die Prüfung der Zwischenberichte in den USA ist die SEC (Securities und Exchange Commission), bei der die berichtspflichtigen Unternehmen (alle Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel zugelassen sind) wenigstens drei Quartalsberichte einreichen müssen. Damit obliegt die Organisation einem privaten Rechnungslegungskomitee. Quartalsabschlüsse gehören in den USA zum üblichen Berichtsstandard. Die Anforderungen sind wesentlich§ höher als in Deutschland und umfassen eine Bilanz in zusammengefaßter Form (Umsatzkostenverfahren), eine Gewinn- und Verlustrechnung, die Cash-Flow-Rechnung und die zu diesen Elementen hinzugehörigen Notes. Der positive Effekt der Berichtserstellung für das unternehmenseigene cost-controlling liegt zudem auf der Hand. Die Autoren präsentieren diese Informationen sehr übersichtlich und fassen die Ergebnisse ihrer Ausführungen stets in sehr übersichtlichen Schemata zusammen. Ähnlich umfassend, aber noch ausgedehnter sind die Anforderungen nach IAS. Ein Vergleich der Systeme arbeitet die Unterschiede klar und nachvollziehbar heraus. Deutlich wird dabei gezeigt, daß die größten Unterschiede hinsichtlich des Umfangs und des Inhalts der Zwischenberichterstattung zwischen deutschen Regelungen und US-GAAP und IAS bestehen.

Da der Zwischenbericht grundsätzlich ein subsidiäres Instrument der Überbrückung zweier aufeinanderfolgender Jahresabschlüsse ist, sind unterjährige Erfolgszahlen als Ausschnitt des geschätzten Jahreserfolges zu interpretieren. Der integrative Ansatz zur Ermittlung der Grundsätze der unterjährigen Berichtsperiode sieht diese Berichtsperiode daher als integralen Bestandteil der Jahresperiode an. Dem steht die Sichtweise des discrete view gegenüber, der die unterjährige Berichtsperiode als unabhängige Periode ansieht. Durchgesetzt hat sich ein kombinierter Ansatz. Danach ermöglicht der Zwischenbericht sowohl eine Prognose des Jahresergebnisses, als auch eine objektive Information über die vorausgegangene Berichtsperiode. Die unterschiedlichen Ansätze werden eingehend skizziert und auch dem Nichtspezialisten transparent vermittelt. Im Zentrum der Erfolgsermittlung steht in Deutschland das Realisationsprinzip des § 252 Abs.1 Nr.4 HGB. Erst betriebswirtschaftlich solide Grundsätze unterjähriger Berichterstattung stellen den Rahmen für eine sinnvolle Informationsvermittlung an, auf die es dem „shareholder“ maßgeblich ankommt. Die Autoren rücken mit Recht die Grundsätze des true-and-fair-view in den Mittelpunkt ihrer Folgerungen, der für den Jahresabschluß in Deutschland aus § 264 Abs.2 HGB gefolgert wird und der für den US-amerikanischen Einflußbereich wesentlich durch das Prinzip der Zeitnähe konkretisiert wird. Klar herausgestellt werden die unterschiedlichen Funktionen des Jahresabschlusses, der primär gläubigerorientiert ist, und des Zwischenberichtes, der eine wesentlich deutlichere Kapitalmarktorientierung aufweist. Die Funktionen der Zwischenberichterstattung werden in all ihren Dimensionen näher analysiert, insbesondere im Hinblick auf den individuell orientierten Anlegerschutz und den Schutz der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Die Funktionen der Zwischenberichterstattung zielen - ohne das die Ziele einander widerstreiten - sowohl auf den Schutz aktueller wie auch potentieller Anleger, richten sich objektiv aber auch auf die Erhaltung der allokativen, institutionellen und operationalen Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte. Von diesem Ansatz ausgehend werden anschließend konsequent die Funktionen der unterjährigen Rechnungslegung in Abgrenzung zur ganzjährigen Rechnungslegung herausgearbeitet. Die Unterschiede ergeben sich im wesentlichen aus der anders gelagerten Teilebene der Informationsfunktion, die aus anders ausgerichteten Kontroll-, Prognose- und Verbindungsfunktionen bestehen.

Der empirische Teil der Arbeit untersucht - ausgehend von dem kurz skizzierten Analysestandard - das unterjährige Publizitätsverhalten der Dax100- Unternehmen für den Berichtszeitraum 1998, die sich in 30 SAX (Blue Chips) und 70 MDAX-Werte unterteilen. Die versandten Fragebögen erreichten leider nur einen (allerdings recht hohen) Rücklauf von 69 % der angeschriebenen Unternehmen. Die Untersuchung ergab, daß ein Großteil der befragten Unternehmen der unterjährigen Zwischenberichterstattung eine hohe Priorität einräumen, sich mindestens an den gesetzlichen Vorgaben orientieren, jedoch meist darüber hinausgehen. Die empirische Analyse ist methodisch vorbildlich. Die Autoren schlußfolgern jedoch, daß die deutschen Vorschriften defizitär sind und die gesetzlichen Anforderungen erhöht werden müssen. Zwar gehen die Autoren selbst davon aus, daß der Kapitalmarkt diese Mängel im Wege der Selbststeuerung selbst sanktionieren kann, sehen darin aber nur bedingte Abhilfemöglichkeiten. Dies ist angesichts der Bedürfnisse der Anleger im „Shareholder-Value-Modell“ überaus fraglich, da der Druck auf die Unternehmen anhält, transparentere Informationen zu erteilen. Den deutschen Unternehmen wird mittelfristig nichts anderes übrig bleiben, als sich an den Standards insbesondere der IAS zu orientieren, die erhebliche höhere Anforderungen an die Zwischenberichterstattung stellt, als das deutsche Kapitalmarktrecht, wenn sie im „Global Play“ eine entscheidende Rolle spielen wollen, zumal „Neuer Markt“ und SMAX bereits die Quartalsberichterstattung zwingend erfordern. Angesichts der Verpflichtung der Unternehmen, die am „Neuen Markt“ teilnehmen, sich am Standard der IAS zu orientieren, ist die Vermutung nicht fernliegend, daß eine weitere und intensivere Rezeption des IAS-Standards im deutschen Kapitalmarktrecht nur eine Frage der Zeit ist.
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