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Artikel 9357
Stefanie Samland
04.07.2004

Europarecht auf neuestem Stand

Eine Rezension zu:

Rudolf Streinz

Europarecht


6. Auflage

schwerpunkte-Reihe

C.F. Müller, Heidelberg 2003, 464 Seiten, 22,- €
ISBN 3-8114-1828-9

http://www.cfmueller-verlag.de


Mit fast 500 Seiten gehört das Lehrbuch von Streinz sicher nicht zur einfachsten Lektüre unter den Europarechtsbüchern. Es behandelt recht ausführlich das institutionelle Europarecht sowie die Grundfreiheiten und einzelne materielle Fragen des Europarechts. Der Stoff wird anhand von insgesamt 50 Fällen, die im üblichen schwerpunkte-Layout aufbereitet wurden und größtenteils Klassikern des EuGH entnommen sind, veranschaulicht. Obwohl das Vorwort vom September 2003 datiert, ist das Lehrbuch auf aktuellem Stand und berücksichtigt neben dem Verfassungsentwurf vom Juli 2003 auch die Beitrittsverträge der neuen Mitgliedstaaten.

Das Europarecht ist eine boomende Materie, entsprechend gibt es schon eine ganze Menge Literatur, die Streinz in einem gut sortierten Literaturverzeichnis vorstellt. Diesem folgt eine – gerade für Studenten – hilfreiche Übersicht mit Übungsfällen aus den Ausbildungszeitschriften. Leider ist diese nicht auf dem neuesten Stand, die dort aufgeführten Fälle enden im Jahr 2002, bei der JuS sogar schon bei 1999. Hier wäre eine Aktualisierung vonnöten. Sehr nützlich ist auch das Verzeichnis europarechtlich interessanter Internetadressen.

Der Verfasser beginnt mit einem Abriss über die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften und der EU bis hin zur Erweiterung im Mai 2004 und den sich ankündigenden Änderungen durch den Verfassungsentwurf. In diesem Bereich fällt auch die Literaturliste, die jedem Abschnitt angefügt wird, sehr ausführlich aus. Anders als andere Autoren der schwerpunkte-Reihe behält Streinz das System der Fußnoten bei, so dass der Text nicht mit Fundstellen überladen wird, und lagert spezielle Literatur in die genannten Literaturlisten aus. Positiv ist, dass bei zitierten Dokumenten oder Verträgen in den Fußnoten immer Verweise zum Sartorius II oder zum Amtsblatt der EG zu finden sind. Ebenfalls zum Verständnis tragen die Schaubilder bei, die z.B. den Aufbau des EU-Vertrages oder die Organe der EU darstellen. Allerdings hat sich hier ein Designer mit den witzigsten Kästchenformen "verewigt".

In einem weiteren Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den Grundlagen des Europarechts, zu nennen sind z.B. die Kompetenzen der EU oder das Verhältnis von nationalem Recht zu Gemeinschaftsrecht. Hier werden u.a. die Entscheidungen Costa/ENEL und Solange II in Übungsfällen aufbereitet. Es folgt ein Kapitel über die Organe der Europäischen Gemeinschaften. Eingearbeitet wurden jeweils die Änderungen, die sich durch die zehn neuen Mitgliedstaaten ergeben. Auch praktische Detailfragen wie die Sprachenregelung in den EG/EU-Organen werden nicht ausgespart, auch wenn sie nicht als unmittelbarer Prüfungsstoff bezeichnet werden können. Bei den Rechtsquellen werden nicht nur die EG-Handlungsformen thematisiert, sondern der Leser findet auch kurze Erläuterungen zu den Handlungsformen in der zweiten und dritten Säule der EU, z.B. zu Rahmenbeschlüssen oder Übereinkommen.

Rechtsetzung, Verwaltungsvollzug und Rechtsschutz sind Gegenstände der nächsten Kapitel. Im Rahmen der Nichtigkeitsklage gelingt es Streinz auch, in gebotener Kürze auf die neueste Rechtsprechung zur individuellen und unmittelbaren Betroffenheit bei Individualklagen in den Fällen Jégo-Quéré und Unión de Pequeños Agricultores einzugehen und selbst Stellung zu beziehen.

Im Rahmen der Grundfreiheiten wird vor allem die Warenverkehrsfreiheit sehr ausführlich behandelt. Nachdem die entsprechende Rechtsprechung des EuGH präsentiert ist, erhält der Leser ein übersichtliches Prüfungsschema für den freien Warenverkehr. Die anderen Freiheiten werden knapper behandelt, ein weiteres Schema beschäftigt sich mit der Prüfung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sowie der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Anschließend werden einzelne Politiken und Bereiche der EG, angefangen von der Landwirtschaft, über die Wettbewerbspolitik bis hin zur Herstellung des Binnenmarktes näher vorgestellt.

Gesamteindruck:
"Europarecht en bloc" – mit dem Werk von Streinz hat der Jurastudent wirklich den kompletten Stoff an der Hand, der für das Examen und auch die Wahlfachgruppe nötig ist. Wer sich nur schnell einen Überblick verschaffen möchte, sollte zu einem kürzeren Lehrbuch greifen; wer jedoch sich vertieft mit dem Europarecht beschäftigen, klassische Fälle des EuGH studieren und auf dem neuesten Stand sein möchte, für den ist dieses Lehrbuch genau das richtige.

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