Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


Artikel 8844
Stefanie Samland
16.02.2004

Europarecht für Praktiker

Eine Rezension zu:

Jürgen Gündisch / Sigrid Wienhues

Rechtsschutz in der Europäischen Union

Ein Leitfaden für die Praxis

2. Auflage

Boorberg, Stuttgart 2003, 224 Seiten, 32,- €
ISBN 3-415-03127-6

http://www.boorberg.de


Das Europarecht ist längst keine Materie mehr, die nur Spezialisten und international interessierte Juristen etwas angeht. Europa ist im Vormarsch, und nicht zuletzt aufgrund der EU-Osterweiterung, die in diesem Jahr ansteht, ist das Europarecht auch für den deutschen Anwalt von Bedeutung. Die Autoren Gündisch und Wienhues richten sich mit ihrem Buch über das Rechtsschutzsystem der Europäischen Union vordergründig an deutsche Praktiker, denen sie die einzelnen Rechtsbehelfe des EG-Vertrags näher bringen wollen. Für die Neuauflage wurde das Werk grundlegend überarbeitet und beinhaltet die Änderungen des Vertrags von Nizza.

Schon das Literaturverzeichnis unterscheidet sich von einer Literatursammlung eines studentischen Lehrbuchs. Hier wurde insb. Wert auf Darstellungen zum Prozessrecht sowie auf Handbücher gelegt. Auch die einschlägigen Textsammlungen sind mit aufgeführt. Wie in jedem Buch zum Europarecht findet sich auch hier an erster Stelle ein kurzer Abriss zur Geschichte der Union. Dieser ist auf dem neuesten Stand und reicht bis zum Entwurf der Verfassung im Juni 2003. Es schließen sich Ausführungen zu den Rechtsquellen des Gemeinschaftsrechts an. Schon hier zeigt sich, dass die Autoren besonderen Wert auf das case-law des Europäischen Gerichtshofs legen: Es werden Auszüge aus Klassiker-Urteilen des EuGH (z.B. Costa/ENEL) zitiert und z.B. die bisher als unmittelbar anwendbar eingestuften Vorschriften des EGV aufgezählt, was für einen Praktiker, der nicht täglich mit dem EG-Recht zu tun hat, sehr hilfreich sein kann. Ausführlicher gehen Gündisch und Wienhues auf die Grundrechtscharta ein, die zwar noch keinen rechtsverbindlichen Charakter hat, aber dennoch von maßgeblichen Einfluss auf den Grundrechtsschutz in der EU ist. Daher thematisieren die Verfasser einzelne Grundrechte der Charta näher.

Im Abschnitt über das Zusammenspiel von nationalen und europäischen Gerichten dürfen selbstverständlich die Solange-Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts nicht fehlen. Die Autoren zeichnen die Rechtsprechung des BVerfG anschaulich nach und gehen auch auf Rechtsprechung aus anderen Mitgliedsstaaten ein. Die Europäischen Gerichte und ihre Zuständigkeiten sind Thema des nächsten Kapitels, bevor es dann losgeht mit der einzelnen Beschreibung der unterschiedlichen Verfahren vor dem EuGH und dem Europäischen Gericht erster Instanz (EuG).

Auch die Darstellung der Verfahren unterscheidet sich stark von der in einem Studenten-Lehrbuch. Nicht die Prüfungsreihenfolge von Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheit, sondern Fragen zum Ablauf – z.B. zum Vorverfahren der Kommission beim Vertragsverletzungsverfahren – und zur Durchsetzung einer ergangenen Entscheidung oder Statistiken stehen im Vordergrund. Im Bereich der Nichtigkeitsklage behandeln die Verfasser insbesondere die Klagemöglichkeit Privater nach Art. 230 IV EGV. Entsprechend praxisrelevant ist die Klagemöglichkeit gegen Richtlinien und die Anforderung der unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Klägers. Einen weiteren bedeutenden Teil dieses Kapitels macht das Vorabentscheidungsverfahren aus. Auch hier zitieren die Autoren zahlreiche Urteile des EuGH.

In einem Kapitel zum "Verfahren" wird beschrieben, welchen Weg eine Klage zu den Europäischen Gerichten gehen muss. Für die Praxis immens wichtige Fragen wie Fristen oder Form von Schriftsätzen werden ausführlich behandelt. Auch Auslegungsmethoden und das Urteil selbst bilden Abschnitte in diesem Kapitel.

Gesamteindruck:
Das vorliegende Buch gibt einmal einen ganz anderen Einblick in die Praxis der europäischen Gerichte in Luxemburg als ein klassisches Lehrbuch, sozusagen ein "Blick hinter die Kulissen". Für den Praktiker, der nur wenige Fälle mit Europarechtsbezug zu bearbeiten hat, aber dennoch auf dem neuesten Stand sein will, genau das richtige Format. Die Autoren führen den deutschen Anwalt "straight to the point" zu den wichtigsten Punkten, die bei einer Klage in Luxemburg zu beachten sind. Besonders hervorzuheben sind die gut aufbereiteten Fußnoten, die nicht zu viele Fundstellen, dafür aber die relevanten Nachweise sowie nützliche Zusatzinformationen enthalten.

Impressum | Datenschutz