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Artikel 8744
Hannes Münchinger
20.01.2004

Mehr als ein engagiertes Plädoyer für ein "großes" Europa!

Eine Rezension zu:

Walter Schwimmer

Der Traum Europa

Europa vom 19. Jahrhundert in das dritte Jahrtausend

Springer Verlag, Berlin/Heidelberg 2004, 297 Seiten, 39,95 €
ISBN 3-540-40711-1

http://www.springer.de


Dass Europa ohne einen einheitlichen Bauplan entstanden ist, rückt dieses Buch wieder erneut ins Bewusstsein des Lesers. Als am 5. Mai 1949 zehn europäische Staaten den Europarat gründeten, war dies nach Ende des zweiten Weltkrieges der erste Schritt auf dem Weg der Europäischen Integration. Heute zählt dieser bereits 45 Mitgliedstaaten, darunter seit 1996 auch Russland. Die Aufnahme von Weißrussland, so wie die weiterer Staaten wird angestrebt. Damit stellt der Europarat bis heute die einzige pan-europäische Institution dar. Seit September 1999 leitet Walter Schwimmer, der Autor dieses Buches, als Generalsekretär dessen Geschicke.

Die Europäische Union hingegen wurde wie allgemein bekannt mit der Unterzeichnung des Vertrags von Maastricht am 7. Februar 1992 errichtet. Ab dem 1. Mai 2004 wird diese 25 europäische Staaten umfassen und damit unter ihrem Dach mehr als die Hälfte der Mitgliedsländer des Europarates vereint haben. Die Aufnahme von Rumänien und Bulgarien soll 2007 erfolgen.

Beide Institutionen haben sich mit der Erlangung von "größerer Einigkeit der Völker Europas" dem gleichen Ziel verschrieben. Damit sind – wie es der Autor ausdrückt – "zwei Schöpfungen der gleichen Vision am Werk".

Ist dies Problem oder vielleicht auch Chance? – aber auch – Wo sind eigentlich die geographischen Grenzen Europas? – solche und ähnliche Fragen wirft das vorliegende Buch auf.

Walter Schwimmer ist sich der Probleme bewusst, spricht diese offen an und will nicht zuletzt auch mit diesem Buch dazu anregen über die Zukunft Europas und seine älteste und einzige pan-europäische Institution nachzudenken. Doch er begnügt sich nicht damit, sondern bringt eigene Lösungsvorschläge, wie die Beziehung zwischen EU und Europarat möglicherweise neu geordnet werden könnte. So skizziert er ein Kreismodell, in dem die EU als innerer Kreis vom äußeren Kreis des Europarates umgeben wird. Auf etwas ähnliches dürfte auch der mutig formulierte Vorschlag hinauslaufen, bei dem er vorschlägt den Europarat als Dach des Europäischen Hauses anzusehen, in dem die EU als eine besonders vertiefte Form der Integration ihren Platz findet.

Für Walter Schwimmer gibt es, so betont er im Laufe des Buches mehrmals, nur das "eine" Europa: "ein Kontinent mit über 800 Millionen Bewohnern (die EU zählt heute 380 und nach der Erweiterung rund 500 Millionen Bewohner), basierend auf gemeinsamen Werten - Werte des Europarates".

Den Aufbau betreffend gliedert sich das Buch in 7 Kapitel, wobei unter dem 7. Kapitel ein sehr umfangreicher Anhang zu finden ist, der sowohl eine Zeittafel mit den wichtigsten Ereignissen des Europarates als auch ein Lexikon der europäischen Institutionen und Begriffe enthält. Zieht sich auch die im zukünftigen Europa neu zu definierende Rolle des Europarates wie ein Roter Faden durch große Teile des Buches, so nehmen die geschichtliche Entwicklung Europas aber auch die persönliche Geschichte des Autors und seine Beziehung zu Europa einen wesentlichen Teil ein.

Zitiert wird dabei nur selten, was auch zeigt, dass der Autor mit diesem Buch vornehmlich keine wissenschaftlichen Zwecke verfolgt, sondern vielmehr zum Nachdenken über die aufgezeigten Fragestellungen anregen will.

Gesamteindruck:
Mit diesem Buch hat Walter Schwimmer nicht nur ein engagiertes Plädoyer für ein weit über die Grenzen der EU hinausgehendes Europa verfasst, sondern auch die geschichtliche Entwicklung der letzten 50 Jahre in Europa in einem im Hinblick auf den begrenzten Umfang des Buches beeindruckenden Dichte und Vollständigkeit in anschaulicher Weise beschrieben. Damit ermöglicht er gerade dem jungen Leser, der vermutlich oft noch nicht weit über die Einführungen ins Europarecht hinausgekommen ist, einen von rechtstechnischen Detailproblemen losgelösten und damit weitreichenderen Blick auf Europa. Man staunt nicht schlecht, mit welcher scheinbaren Selbstverständlichkeit der Autor die geschichtlichen und institutionellen Zusammenhänge Europas abspult und damit dem Leser ein umfassendes Verständnis von Europa – was das nun auch immer geographisch, politisch, geschichtlich sein mag – vermittelt.

Kurz gesagt ein Buch, das über Europa informiert, dafür begeistert und zugleich auch Fragestellungen aufwirft, die man so leicht nicht wieder beiseite legen kann.

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