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Artikel 8220
Stefanie Samland

Zwillingsbruder zum Vertragstext

Eine Rezension zu:

Matthias Pechstein / Christian Koenig (Hrsg.)

Entscheidungen des EuGH

Studienauswahl

2. Auflage

UTB/Mohr Siebeck, Tübingen 2003, 556 Seiten, 22,90 €
ISBN 3-8252-2015-X

http://www.utb.de


Klassiker-Entscheidungen werden wohl in allen Rechtsgebieten immer wieder diskutiert und in der Vorlesung besprochen. Was ein Gericht einmal grundlegend entschieden hat, wird immer wieder herangezogen oder auch weiterentwickelt und den geänderten Umständen angepasst. In jedem Fall ist die Kenntnis bahnbrechender Urteile der letztinstanzlichen Gerichte unerlässlich, und das im Jurastudium nicht minder als später in der gerichtlichen Praxis. Gerade im Europarecht gibt es zahlreiche solcher Klassiker. Wer hat nicht schon von ihnen gehört: van Gend & Loos, Francovich oder Bananenmarktordnung. Doch wer hat sie tatsächlich gelesen? In Lehrbüchern finden sich zu diesen Urteilen oft kurze Abschnitte, wo aber häufig mehr auf die Einordnung der Urteile in den Examensstoff eingegangen wird als auf die genauen Wortlaute, jedenfalls bei weniger bekannten Urteilen als den drei genannten. Hier ist der Student in der Pflicht, einzelne Passagen selbst aufzusuchen und nachzulesen.

Das 5 Jahre nach der Erstauflage in der 2. Auflage erschienene Taschenbuch Entscheidungen des EuGH schafft Abhilfe. Als "Studienauswahl" betitelt bietet das Buch den Studenten von Pflicht- und Wahlfach Europarecht die 231 aus der Sicht der Herausgeber relevantesten Urteile des Europäischen Gerichtshofs auf nicht einmal 600 Seiten. Vom Format her könnte man das Taschenbuch als Zwillingsbruder der Vertragstextsammlung bezeichnen, denn in der Größe wird es sich in etwa der Textsammlung zum Europarecht anpassen, somit kann auch die Entscheidungssammlung in der Vorlesung oder beim Lernen immer zur Hand sein. Sollte sie auch, denn die Rechtsprechung des EuGH ist wirklich vorzüglich für Studenten aufbereitet. Zur Übersichtlichkeit finden sich zwei Register: Vorn ein Inhaltsverzeichnis, in dem die Entscheidungen thematisch sortiert wurden, so wie sie im Buch wiederzufinden sind; hinten ein Entscheidungsregister, nach Jahren sortiert. Etwas verwirrend ist hierbei, dass die Urteile in den Jahren einsortiert sind, die im Aktenzeichen aufgeführt sind, daher erscheint z.B. das Urteil zur Tabakwerberichtlinie nicht unter 2000, sondern unter 1998, da es das Aktenzeichen C-376/98 trägt.

Über 200 Urteile auf nicht einmal 600 Seiten, das sind keine 3 Seiten pro Entscheidung. Sehr studentenfreundlich also. Die Herausgeber haben jeweils die wichtigsten Passagen aus den Entscheidungsgründen herausgesucht und abgedruckt. Für den Studenten ebenso nützlich ist, dass auch die entsprechenden Seiten- oder Randnummernangaben übernommen wurden, was ein Zitieren einfach macht. Vorangestellt wurden jeweils die Zusammenfassung des Sachverhalts sowie kurze Vorbemerkungen zur Bedeutung der Entscheidung, die einer knappen Kommentierung des Urteils nahe kommen.

Inhaltlich haben die Herausgeber eine gelungene Mischung aus Klassikern – hier z.B. van Gend & Loos aus 1963, von Colson und Kamann aus 1984 oder Rewe aus 1979 – und aktuellen Urteilen, wie z.B. Marschall aus 1997 oder Unión de Pequeños Agricultores aus 2002, getroffen. Die Urteile sind thematisch sortiert. Die Herausgeber beginnen mit dem Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten, untersuchen später die so klausurrelevanten Entscheidungen zu den Rechtsquellen der Gemeinschaft – Stichwort "unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts" oder auch die Grundrechte im Rahmen des Gemeinschaftsrechts – und zum Rechtsschutz in der EG, bevor sie zum Schluss des Buches die bedeutendsten Entscheidungen zu den Grundfreiheiten und dem Wettbewerbsrecht zitieren.

Gesamteindruck:
Das Europarecht ist wohl wie kein anderes in Deutschland gelehrtes Rechtsgebiet vom case law geprägt. Dem Rechnung tragend, kann die Studienauswahl von Entscheidungen des EuGH jedem Studenten nur ans Herz gelegt werden. Auch für Referendare kann sie gewinnbringend eingesetzt werden. Das Buch bietet die grundlegenden Entscheidungen in kompakter Form im Taschenbuchformat und sollte beim Studium des Europarechts neben den Vertragstexten ebenso selbstverständlich zur Hand sein.

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