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Artikel 7319
Ronald Moosburner

Exzellente Darstellung des Europarechts

Eine Rezension zu:

Peter M. Huber

Recht der Europäischen Integration

2. Auflage

Verlag Franz Vahlen, München 2002, 423 Seiten, 28,- €
ISBN 3-8006-2897-X

http://www.beck.de

Das vorliegende Werk hat nach 6 Jahren eine 2. Auflage erfahren, in die die umfangreichen Neuerungen durch die Vertragswerke von Amsterdam und Nizza eingearbeitet worden sind. Der Titel, der nicht wie gewöhnlich vom Europarecht spricht sondern vom Recht der Europäischen Integration, steht ursprünglich in einer längeren staatsrechtlichen Tradition, deren Fundamente die Integrationslehre von Smend gelegt hat. Die Integration als Zusammenführung von Teilen und Gliedern zu einem einheitlichen Ganzen war in der Folge jedoch auch im Völkerrecht als Terminus gebräuchlich, und so haben zahlreiche Europarechtler die Bezeichnung aufgegriffen und begrifflich für das Gebilde der ursprünglichen Europäischen Gemeinschaften sowie der Europäischen Union fruchtbar gemacht. Inhaltlich ergibt sich beim vorliegenden Werk dadurch jedoch keine Abweichung zu anderen Lehrbüchern, lediglich die Terminologie unterscheidet feiner zwischen dem in den europäischen Verträgen festgelegten „Europarecht„ im engeren Sinne und dem Integrationsrecht, welches auch die Integrationsmechanismen der nationalen Rechtsordnungen sowie die Rückwirkung des Europarechts auf das nationale Recht umfasst.

Den verfassungsrechtlichen Grundlagen der europäischen Integration ist denn auch das erste große Kapitel des Buches gewidmet. Hier sind zunächst ausführliche Erläuterungen zu Art. 23 GG erforderlich, die das Buch auch in gut verständlicher Form liefert. Zusätzlich zum deutschen Recht fehlen auch kurze Exkurse in die Rechtsordnungen einiger europäischer Nachbarn nicht. Sehr umfangreich und in exzellenter Klarheit wird anschließend die Rechtsprechungslinie des BVerfG zu den Grenzen der Integrationsfähigkeit des GG nachgezogen. Neben den fundamentalen Entscheidungen Solange I und II und Maastricht sowie dem Beschluß zur Bananenmarktordnung, der die bisher letzte entscheidende Äußerung zu diesem Thema darstellt werden auch zahlreiche kleinere Entscheidungen (z.B. Kommunales Wahlrecht für EU-Ausländer, BVerfGE 83, 37ff, obiter dictum; Euroeinführung, BVerfGE 97, 350 ff) mit Fundstellen zitiert. Es gelingt dem Autor dabei hervorragend, die verschiedenen Gesichtspunkte, unter denen die Reichweite der Integrationsoffenheit des GG umstritten war (und teilweise immer noch ist), gut strukturiert aufzuzeigen. Wer diese Darstellung mit ihren weiterführenden Hinweisen einmal konzentriert durchgearbeitet hat, sollte für eine Klausurargumentation jederzeit bestens gerüstet sein.

Auch die Rechtsquellen des Unionsrechts werden in der gebotenen Ausführlichkeit präsentiert. Auch hier besticht das Buch durch eine gut strukturierte und einprägsame Darstellung, etwa wenn die Entwicklung des Grundrechtsschutzes auf europäischer Ebene durch die Rechtsprechung des EuGH beschrieben wird. Die „leading cases„ Hauer, Internationale Handelsgesellschaft und Nold werden neben weiteren bedeutenden Rechtssachen insbesondere aus den Bereichen der Berufsfreiheit und des Eigentumsschutzes kurz dargestellt, und auch ein Exkurs zum Gutachten des EuGH zur Mitgliedschaft der EU in der EMRK fehlt nicht. Ein nicht zu unterschätzendes Thema bildet am Ende dieses Kapitel auch die Auslegung des Europarechts bzw. sein Einfluß auf die Auslegung des nationalen Rechts. Ein besonders drastisches Beispiel hierfür ist im deutschen Verwaltungsrecht etwa die Auslegung von § 48 IV VwVfG oder auch die Anwendung von § 80 VwGO auf Sachverhalte mit europarechtlichem Bezug, die im Einzelfall durchaus dazu führen kann, dass die innerstaatliche Bedeutung einer Norm nahezu auf den Kopf gestellt wird.

Das Insitutionenrecht, das im folgenden Kapitel erklärt wird, ist traditionell unter Studenten nicht gerade die beliebteste Materie. Dieser Zustand wird sich nach Inkrafttreten des Vertrages von Nizza wohl eher noch verschlimmern, da noch offen ist, ob dieser entgegen der Absicht seiner Väter nicht eher zu einer weiteren Verkomplizierung des Zusammenspiels der einzelnen Organe führen wird. Doch auch für dieses relativ trockene Thema ist das vorliegende Buch ein exzellentes Hilfsmittel. Die Darstellung schweift nicht unnötig ab, bleibt aber trotzdem recht vollständig in der Aufzählung der einzelnen Verfahren zwischen den Organen, wie sie die europäischen Verträge und zahlreiche parallele (vgl. den sog. Luxemburger Kompromiß!) und untergeordnete Normenwerke von mehr oder weniger großer Verbindlichkeit vorsehen. Zusätzlich erleichtern Schaubilder in zunächst unübersichtlichen Verfahren das Verständnis. Auch hier sind die wichtigsten Entscheidungen des EuGH aufgezählt, z.B. der bekannt gewordene Fall Les Verts/Europäisches Parlament (EuGHE 1986, 1339ff.), den der EuGH zu grundlegenden Ausführungen zur Zulässigkeit von Klagen gegen Beschlüsse des Europaparlaments nutzte, was dazu geführt hat, dass eine solche Klagemöglichkeit (Nichtigkeitsklage, Art. 230 UA 1 EG aE ) inzwischen im EG-Vertrag kodifiziert worden ist.

Und schließlich sind auch die Kapitel zur europäischen Gerichtsbarkeit, zum Binnenmarkt und zur Europäisierung des Deutschen Rechts als zentrale examensrelevante Bereiche des Pflichtfachstoffs hervorragend für Studenten aufbereitet, strukturiert und mit Fallbeispielen aus der Rechtsprechung versehen worden. Das Buch gehört daher ganz klar zum Besten, was Studenten und Referendare gegenwärtig auf dem Lehrbuchmarkt zum Europarecht erwerben können.

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