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Artikel 10186
Stefanie Samland
29.04.2005

Fallorientiertes Lernbuch

Eine Rezension zu:

Hans-Joachim Schütz / Thomas Bruha / Doris König

Casebook Europarecht


1. Auflage

C.H. Beck, München 2004, 1.374 Seiten, 32,80 €
ISBN 3-406-52222-X

http://www.beck.de


Bei dem Titel "Casebook Europarecht" mag mancher vermuten, eine Entscheidungssammlung wie die "Entscheidungen des EuGH" aus dem Verlag UTB vorzufinden. Die Verfasser der Reihe der Casebooks im Beck-Verlag verfolgen jedoch ein anderes Konzept – das vorliegende Werk wird im Vorwort "fallorientiertes Lernbuch" genannt. Es handelt sich nicht um eine unkommentierte Sammlung von Entscheidungen der Europäischen Gerichte, sondern vielmehr um ein vollständiges Lehrbuch zum Europarecht, welches durch zahlreiche Originalzitate aus Entscheidungen, Schlussanträgen etc. angereichert wurde.

Fast schon klassisch beginnen die Autoren mit einem Kapitel zum Europäischen Integrationsprozess, bevor sie zu den Rechtsquellen der Gemeinschaft übergehen. Es folgen u.a. Kapitel über die Kompetenzen und Organe der Gemeinschaft, die Rechtsetzung und gerichtliche Wahrung des Gemeinschaftsrechts sowie die individualrechtlichen Verfassungsnormen der EG und EU. Insgesamt umfasst das Casebook über 1.000 Seiten inkl. Entscheidungsregister und (recht knappem) Stichwortverzeichnis. Der für ein Studenten-Lernbuch "riesige" Umfang ist den unzähligen Zitaten aus Rechtsprechung und Verträgen (auch Normen des EG-Vertrags werden an der passenden Stelle wörtlich abgedruckt) geschuldet, die den immensen Wert dieses Casebooks ausmachen.

Die lehrbuchartigen Erläuterungen sind durchweg kurz gehalten, auf Fußnoten wurde komplett verzichtet. Einzelne Nachweise auf Literaturfundstellen sind im Text enthalten bzw. den Kapitel vorangestellt worden. Die Namen der Entscheidungen sowie zentrale Aussagen sind im Fettdruck hervorgehoben. Etwas befremdlich liest sich die noch verwendete alte Rechtschreibung.

Die zitierten Entscheidungen werden direkt in den laufenden Text integriert, indem die lehrbuchartigen Ausführungen direkt in ein Zitat aus Urteilen des EuG oder EuGH oder aus Schlussanträgen der Generalanwälte überleiten. Die Zitate fallen recht umfangreich aus, damit der Leser auch ein Gefühl für die Zusammenhänge und die Lesart der Europäischen Rechtsprechung erhält. Sollte man noch mehr nachlesen wollen, ist immer die jeweilige Randziffer mit angegeben, so dass man die Textpassage in der amtlichen Sammlung zügig finden sollte. Die Zitate sind durch einen vertikalen Strich am Rand gekennzeichnet – blättert man das Buch einmal durch, sind eigentlich fast überall Striche zu sehen, der Anteil der Zitate am Text ist also hoch.

Neben "Klassikern" wurden auch sehr aktuelle Entscheidungen eingearbeitet, so z.B. Unión de Pequeños Agricultores (EuGH) aus 2002 oder Inspire Art (EuGH) aus 2003. Auch die Entwicklung der Rechtsprechung ist anhand der vielen einschlägigen Entscheidungen sehr gut nachzuvollziehen. So gehen die Autoren im Bereich des Konflikts zwischen Gründungstheorie und Sitztheorie auf die Entscheidungen Daily Mail, Centros und Überseering ein.

Gesamteindruck:
Anschaulicher kann man ein Lehrbuch zum Europarecht nicht gestalten. Durch die vielen mit Sachverhalten und Originalausschnitten zitierten Entscheidungen der Europäischen Gerichte kommt sich der Leser vor, als würde er direkt in Luxemburg Europarecht erlernen. Aufgrund des Druckkostenzuschusses der Bucerius Law School und des Europa-Kollegs Hamburg ist dieses "Prachtstück" trotz der über 1.000 Seiten auch zu einem studentenfreundlichen Preis zu erwerben.

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