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Artikel 858
Ralf Hansen

Umweltrecht in umfassender Perspektive

Eine Rezension zu:

Hoppe - Beckmann - Kauch
Umweltrecht


2. Auflage
München: C.H. Beck, 2000, 935 S.
ISBN 3-406-40448-0

http://www.beck.de

Das Umweltrecht gehört zu den brisantesten Rechtsmaterien der Gegenwart, nicht zuletzt aufgrund der Zerstörungen der biologischen Grundlagen des Lebens durch die menschliche Zivilisationsentwicklung, die von der Beherrschung der Natur nur schwer zu einer Versöhnung der Natur übergeht und dabei globaler rechtlicher Prinzipien nicht entbehren kann, die indessen kaum in Sicht sind, obwohl die Uhr längst nach Zwölf geschlagen hat und die düsteren Prognosen des "Club of Rome" sich längst weitgehend erfüllt haben. Die Entwicklung dieser Materie ist im globalen Maßstab so rasant, daß ein Lehrbuch, das mehr ein Handbuch ist, es nur einfangen kann, auf dem Stadium der Abfassung und dann den Leser loslassen muß, der sich auf der Basis des Erarbeiteten zurechtfinden muß in einer Materie, die ohne ein solch systematisches Handbuch als Ausgangspunkt kaum mehr beherrschbar ist, ohne den Überblick ganz zu verlieren. Die entscheidende Stärke dieses handbuchartigen Lehrbuches liegt in der Vermittlung von Übersicht in einer weithin unübersichtlich gewordenen Materie.

Diese Mängel beklagt bereits das Vorwort. Dem ist nicht abzuhelfen, auch nicht durch eine noch so systematische Darstellung, der sich das Buch verpflichtet hat. Es findet sich kein nennenswerter Gesichtspunkt der nicht behandelt wird, so daß der Handbuchcharakter hervortritt. Dieses Werk setzt dabei in einer die Teilrechtsdisziplinen übergreifenden Art und Weise an, die immer mehr gefordert ist, um zu angemessen Problemlösungen zu gelangen, jedenfalls bei Querschnittsmaterien. Auch wenn der Schwerpunkt im Öffentlichen Recht liegt, werden privatrechtliche- und strafrechtliche (ordnungswidrigkeitenrechtliche) Fragen durchaus erörtert. Das Buch ist unterteilt in einen allgemeinen und einen besonderen Teil, was bei dieser Materie überaus sinnvoll ist, um in einem allgemeinen Teil übergreifende Gesichtspunkte dogmatisch herauszustellen und zu systematisieren.

Die Ausführungen zum allgemeinen Teil klären zunächst die Grundbegriffe und werfen einen eher soziologischen Blick auf Umweltgefahren und Umweltschäden, da insbesondere das Umweltrecht ein Querschnittrechtsgebiet ist, das sehr stark vom Lebenssachverhalt her geprägt ist. Erst die Einsicht in die ökologische und soziale Dimension dieser Risiken, Gefahren und Schäden hat ein rechtlich determiniertes Umweltschutzniveau erzwungen, dessen Status rechtspolitisch in Streit steht, wie die letzte UN-Umweltschutzkonferenz deutlich gezeigt hat. Vorsorge-, Kooperations- und Verursacherprinzip kennzeichnen die rechtliche Diskussionen auf der Verantwortungsebene, die vollständig unabgeschlossen sind. Auch das geplante deutsche Umweltgesetzbuch scheint noch in weiter Ferne. In einem überaus lesenswerten § 2 der Darstellung entfalten die Autoren eine Systematik des Umweltrechts, das die Ebenen des Privat-, Straf- und öffentlichen Rechts zusammenführt, aber die Differenzierungen deutlich hervortreten läßt. Dem schließt sich ein profunder Überblick in das internationale Umweltrecht an, der das Dilemma eines einheitlichen, globalen Schutzniveaus deutlich hervortreten läßt und die Unabgeschlossenheit dieses Bereiches zeigt. Indessen bahnt sich wenigstens im Bereich der EG ein einheitliches Schutzniveau heraus, das die Einzelmaterien überaus prägt und im besonderen Teil jeweils im Zusammenhang behandelt wird. Indessen ist aber gerade auch Umweltrecht konkretisiertes Verfassungsrecht, wie das interessante Kapitel über die verfassungsrechtlichen Determinanten des deutschen Umweltrechtes zeigt, demgegenüber allerdings supranationale einen Anwendungsvorrang haben, was bei der Verbindlichmachung vom Umweltstandards regelmäßig zu Streit führt, der in dieser Darstellung auch deutlich dargestellt wird. Hier stoßen insbesondere die Ausführungen zu den Funktionen der Grundrechte auf hohes Interesse des Lesers, da Grundrechte (im Zusammenhang mit der Staatszielbestimmung) Umweltschutz nicht nur gebieten - als Schutzauftrag gegenüber dem Staat -, sondern auch beschränken können, wie die Diskussion der Relevanz des Art. 14 I GG im Zusammenhang mit der Baufreiheit zeigt, wenn es um den baurechtlichen Bestandsschutz geht, der indessen inzwischen weitgehend einfachgesetzlich konkretisiert ist. In diesem Zusammenhang ist insbesondere der Stellenwert der Grundrechte als Schutzpflichtentatbestände von Belang, die aus den objektiven Wertentscheidungen abgeleitet werden und zu weiten Ermessensspielräumen des Gesetzgebers führen. Die Schutzpflichten leiten über zur Problematik der Planung, der im Umweltrecht ein hoher Rang zukommt. Die der staatlichen Planung zugrundeliegenden Rechtsstrukturen finden eine klare, sehr differenzierte Darstellung. Die Autoren unterscheiden hinsichtlich der Steuerungsimperative - nach rechtssoziologischen Kriterien der Steuerungsdiskussion - zwischen direkter und indirekter Steuerung im Umweltrecht. Direkte Steuerung zielt auf unmittelbare Verhaltenslenkung, zumeist durch Normen der Gefahrenabwehr, im Sinne einer Statuierung von Umweltverboten- und Geboten, durch Einführung von Erlaubnisverfahren, durch Überwachung und durch repressive Verfügungen. Schwieriger ist die Erfassung indirekter Steuerungsinstrumente, doch gelingt den Autoren durch eine Basisdifferenzierung zwischen der Schaffung ökonomischer Anreize durch den Staat - etwa durch steuerliche Be- oder Entlastungen -, durch die Schaffung eines Umweltaudits, durch Gewährung vom Umweltinformationen und durch informelle Verhaltensabreden - wie etwa Selbstverpflichtungen der Industrie - eine Systematisierung, die eine klare Übersicht erlaubt, die in der Darstellung auch durchgehalten wird. Das gesamte Werk ist durch ein hohes systematisches Niveau gekennzeichnet, das für die dogmatische Durchdringung dieser schwierigen Materie Maßstäbe setzt.

Von hoher Praxisrelevanz sind die Ausführungen zum Rechtsschutz in Umweltsrechtsfragen, die auch für praktisch tätige Juristen von hohem Interesse sein dürften, da diese hier alle maßgeblichen Informationen "auf einer Hand" finden. Insbesondere die Erörterung der wesentlichen Fragen des einstweiligen Rechtsschutzes ist überaus lesenswert. Es ist ein großer Vorteil des Bandes, sich nicht auf öffentlichrechtliche Fragestellungen zu beschränken, sondern auch Probleme des Umweltprivatrechts zu erörtern. Rechtsvergleichende Hinweise zeigen, daß die Zuordnung des Umweltschutzes primär an das öffentliche Recht etwa in den USA so keine Parallele findet. Die Darstellung legt deutliche Schwerpunkte einmal auf den Bereich des grenzüberschreitenden Umweltschutzes, der teilweise Lücken des Schutzes durch das internationale öffentliche Umweltrecht ausfüllt, andererseits aber auf die Durchsetzung nachbarschützender Normen über quasinegatorische Ansprüche, mit entsprechenden privatversicherungsrechtlichen Folgen. Ein anschließendes Kapitel stellt in gedrängter Form die straf- und ordnungskeitsrechtlichen Sanktionen im Umweltrecht dar, deren Relevanz zunimmt.

Der zweite Teil des Buches widmet sich den Strukturproblemen des besonderen Umweltrechtes, einsetzend mit dem Naturschutz- und Landschaftspflegerecht. Soweit ersichtlich werden hier ebenso alle akuellen Probleme angesprochen, wie im Bereich des Gewässerschutzrechtes, dessen Erörterung sich anschließt. Von erheblicher Praxisrelevanz auch für das Privatrecht ist das Immissionsschutzrecht, dessen Darstellung als vorbildlich gelten kann, da kein Detail ausgelassen wird. Hier steht mit gutem Grund der anlagenbezogene Immissionsschutz im Vordergrund. Auch eher für Spezialisten geeignete Materien wie das Atom- und Strahlenschutzrecht werden ausführlich behandelt und erlauben zudem eine erste zusammenhängende Befassung mit diesen Fragen. Sehr aktuell ist die Darstellung des Bundes-Bodenschutzgesetzes, das die erwarteten Auslegungsprobleme aufweist, die bereits im Vorfeld befürchtet wurden, die aber bisher noch ungelöst in der Diskussion sind, so daß gerade auch die Praxis auf die handbuchartigen Ausführungen in diesem Kapitel mit Interesse zurückgreifen wird. Immerhin enthält das Gesetz die ersten Ansätze zu einer bundeseinheitlich geregelten Altlastenhaftung, die richtigerweise auch privat genutzte Flächen im öffentlichen Interesse ergreift. Schwierigkeiten bei der Handhabung zeigen sich insbesondere bei der Anwendung des Subsidiaritätsgrundsatzes des § 3 I dieses Gesetzes, da Fachrecht vorgeht. Indessen enthält das Fachrecht keine materiellen Maßstäbe für den Schutz des Bodens. Diese müssen vielmehr bodenschutzrechtlichen Vorschriften entnommen werden. Eingehend anhand von Beispielen aufgegriffen wird der Theorienstreit zwischen unmittelbarem Verursachungskonzept und dem Konzept der rechtswidrigen Verursachung. Insgesamt dürfte mit dieser Darstellung eine der aktuellsten Darstellungen dieser schillernden Materie vorliegen. Dargestellt wird auch in sehr differenzierter Dogmatik das Abfallrecht sowie das Gefahrstoff- und Chemikalienrecht in Grundzügen. Nicht ohne Grund umfaßt das Literaturverzeichnis zu diesem Band etwa 90 Seiten, so daß hinsichtlich der Nachweise kein Wunsch offenbleiben dürfte.

Mit der Neuauflage ist den Autoren ein "großer Wurf" gelungen, der Maßstäbe setzt für zukünftige Darstellungen und als Handbuch hervorragende Dienste leistet.

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