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Artikel 289
Ralf Hansen

Einführung in das Recht des Berufsbeamtentums

Peine, Franz-Joseph/Heinlein, Dieter

Beamtenrecht

2. Aufl., Heidelberg: C.F. Müller, 1999, 192 S., DM 34,-
Schaeffers Grundriß des Rechts und der Wirtschaft, Bd. 30
ISBN 3-8114-9913-0


http://www.huethig.de


Das Beamtenrecht ist eine Spezialmaterie des öffentlichen Rechts, im Studium gern gemieden, sofern nicht die Wahlfachgruppe "Staats- und Verwaltungsrecht" gewählt wird. Einige Grundprobleme, wie die der §§ 126, 127 BRRG, sollte man trotzdem kennen, die aber schon in das Verwaltungsprozeßrecht gehören. Dies ändert sich im Referendariat grundlegend, da dann das Recht des öffentlichen Dienstes wenigstens im Überblick beherrscht werden muß (s. etwa, § 30 JAG NW), zumal der Referendar selbst Beamter auf Widerruf ist, also die schwächste beamtenrechtliche Stellung hat. Werden statt dessen öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse (Ausbildungsverhältnisse) gewählt (so inzwischen in NRW, § 20 Abs.1 JAG NW), finden dennoch zahlreiche beamtenrechtliche Normen entsprechende Anwendung (wie etwa § 20 Abs.6 S.2 JAG NW zeigt). Ein Grund mehr, sich mit diesen Rechtsgebiet einmal wenigstens grundrißartig auseinander zu setzen, durchaus auch um persönliche Rechtsnachteile zu vermeiden. Die vorliegende (vollständige) Neubearbeitung des zuletzt 1987 erschienenen Bandes von Fürst/Strecker, bietet sich als knappe Grundlage förmlich an. Leider wird auf die Rechtsstellung der Referendare nicht näher eingegangen (S. 44, 118).

Der erste Teil rekonstruiert die Grundbegriffe des Beamtenrechts. Das Beamtenverhältnis (in das man durch Verwaltungsakt berufen wird) wird vom öffentlichen-rechtlichen Arbeitsverhältnis (Vertrag) abgegrenzt. Das deutsche Beamtenrecht beruht auf einem Berufsbeamtentum, bei dem die Einstellung nicht vom Parteibuch, sondern von den Fähigkeiten und Leistungen abhängen soll, wie die Autoren an einer Stelle formulieren. Wohl dem, wenn es sich in der Realität stets so verhält! Die Autoren äußern diesbezüglich in einem anderen Kapital aber deutliche Kritik und sehen das Problem durchaus (S. 19), da selbst mittlere Positionen nach parteipolitischen Gesichtspunken, ggf. nach einem "Parteienproporz", vergeben werden. Es finden sich in diesem Band einige derartige Abstimmungswidersprüche, die möglicherweise auf der Übernahme einiger Teile der alten Bearbeitung beruhen. Ein kurzer historischer Abriß zeichnet die geschichtliche Entwicklung - ausgehend von der okzidentalen Antike - knapp nach. Was allerdings mit "deutschem klassischen Altertum" (S.5) gemeint sein soll, ist dem Rezensenten ein Rätsel. Als in Rom erste Ansätze zu einer formalen Bürokratie entwickelt wurden, gab es zwar germanisches Stammeswesen, aber kein vergleichbares "deutsches" Altertum und schon gar keine deutsche "Klassik". Das Berufsbeamtentum, wie wir es kennen ist (wie insbesondere Max Weber gezeigt hat), ein Produkt des okzidentalen Rationalismus der Moderne. Seine Entwicklung ist eng verbunden mit dem Machtdispositiv des absolutistischen Staates, mit Vorformen im späten Mittelalter. Erst die Hervorbringung des demokratischen Rechtsstaates hat die Fixierung auf die traditionale Legitimation monarchischer Herrschaft aufgebrochen. In einem langen Ablösungsprozeß, der von zwei Totalistarismen "gebrochen" wurde, vor Rückfällen nie gesichert. Der "Staatsdiener" war das Leitbild seinerzeitiger, obrigkeitsstaatlicher Hörigkeit. Sein Vorbild liegt in der straffen Organisation des militärischen Heereswesens der sich entwickelnden Territorialstaaten. Erste gesetzliche Regulationen entstanden erst zu Beginn des 19. Jahrh. Erst mit dem Übergang zur konstitutionellen Monarchie, nach dem Scheitern des "Vormärz", entstand 1873 ein "Reichsbeamtengesetz", das bis 1937 (mit Änderungen) in Kraft war. Umfassende Regelungen enthielten Art. 128 -130 WRV. Die Beseitigung der Monarchie bei weitgehend personaler Identität des Beamtenapparates mit dem des Kaiserreiches erschwerte die Herausbildung eines demokratischen Rechtsstaates mit einer demokratisch orientierten Verwaltung. Eine umfassende Regulation erfolgte sinnfälligerweise erst 1937 unter der Nazi-Terror-Herrschaft. Das "Deutsche Beamtengesetz" vom 26.01.1937, enthielt aber keineswegs nur "nationalsozialistische Zusätze" (S.11), wie dem Text zu entnehmen ist, sondern war vom nationalsozialistischen Geist durchdrungen. Es gereicht nicht zur Ehre dieser Republik, immer noch Gesetzesballast aus dieser Zeit mit sich herumzuschleppen. Der "Staatsdiener" wurde zum "Diener der NSDAP". Es ist traurig genug: "Die Neuregelungen haben weitgehend das Ende des Nationalsozialismus überdauert. Sie sind in ihren wesentlichen Normenbeständen in das BBG und die BDO übernommen worden" (S. 12). Bis heute ist noch nicht gelungen, eine Reform des Berufsbeamtentums durchzusetzen, die den "Staatsdiener" zum Dienstleister des Bürgers gemacht hat, obwohl dazu inzwischen deutliche Ansätze entwickelt wurden und erste Anstrengungen unternommen wurden. Soweit die zivilgesellschaftliche Selbstorganisationsfähigkeit reicht und Selbststeuerung möglich ist, sollte staatliche Verwaltungstätigkeit zurückstehen. Auch die Tatsache der Entnazifizierung des Beamtenapparats nach der Katastrophe wird im Text wohl eher überschätzt (S.13). Die Durchsetzung der verfassungsrechtlichen Rechtsbindung der öffentlichen Verwaltung (und der Abschied vom "besonderen Gewaltverhältnis" ist im Wesentlichen ein Werk der Judikatur des frühen BVerfG. Unter den Geltung des GG mußte das Beamtenrecht oft an veränderte Gegebenheiten angepaßt werden. Eine Reform an "Haupt und Gliedern" ist bis heute nicht erfolgt.

Der zweite Teil entfaltet die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Beamtenrechts. Art. 33 GG ist diesbezüglich die zentrale Norm. Das GG enthält in Art. 33 Abs.4 eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums und garantiert damit einen Mindestzuständigkeitsbereich, der in der Wahrnehmung zentraler staatlicher Funktionen liegt. In Zeiten, in denen erwogen wird, sogar polizeiliche Funktionen auf private Rechtsträger zu übertragen (etwa auch die Durchführung des Strafvollzuges in Hessen), die sogar mit ihnen gemeinsam die "Innere Sicherheit" gewährleisten sollen (wie ironischerweise in Mecklenburg-Vorpommern), verschwimmen diese Konturen vollends. Die Autoren äußern denn auch die zutreffende Auffassung, daß mit der Ausübung staatlicher Zwangsgewalt verbundene Aufgaben nach geltendem Verfassungsrecht von Beamten durchgeführt werden müssen. Eine demokratische Kontrolle ist sonst kaum mehr praktikabel. Ob allerdings das Berufsbeamtentum der "ruhende Pol der parlamentarischen Demokratie" ist und nicht die demokratische Entscheidungsfindung (gegebenfalls unterstützt durch qualifizierte Politikberatung), erscheint etwas zweifelhaft.

Selbstredend gelten die Grundrechte auch für Beamte. Im Dienstverhältnis selbst aber erscheint die Berufung auf Grundrechte wenig aussichtsreich (S.29). Die dienstrechtliche Gehorsamspflicht hat grundsätzlich auch etwa Vorrang vor der Gewissensfreiheit. Der Zugang zum Beamtenstatus steht jedem Deutschen offen, Art. 33 Abs.2 GG. Dies beeinhaltet selbstredend keinen Anspruch auf Beschäftigung. Seine Hauptbedeutung entfaltet Art. 33 Abs.2 GG denn auch bei sog. "Konkurrentenschutzklagen", die leider nicht sehr vertieft behandelt werden (S. 31), aber denen in der beamtenrechtlichen Praxis große Bedeutung zukommt. Nicht einmal im Stichwortregister taucht dieser Begriff auf (ebensowenig wie der Begriff "(Gerichts)-Referendar"). Die Problematik setzt sich heute angesichts der europäischen Grundfreiheiten im Europarecht fort. Die Problematik der europarechtlichen Vorgaben, wird in einem Exkurs behandelt (S. 38 - 40). Die Frage der Beschäftigungspflicht von "EU-Ausländern" hängt von der Interpretation des Art. 48 Abs.4 EGV (wie es im Text heißt) ab. Seit Inkrafttreten des "Vertrages von Amsterdam" (01.07.1999) ist der gleichlautende Art. 39 Abs.4 EGV einschlägig. Interpretiert man diese Ausnahme als Sperrklauseln für die Beschäftigung von "EU-Ausländern" im öffentlichen Dienst (also Herstellung von Gleichklang mit Art. 33 Abs.2 GG), dann kommt dies nicht in Betracht. Kommission und EuGH haben diese weite Interpretation aber deutlich abgelehnt (S. 39). Der Bundesgesetzgeber hat mit § 4 Abs.1, 2 BRRG reagiert. Die diesbezüglich gegebenen Literaturhinweise bieten einen ausgezeichneten Zugang zur Vertiefung dieser Problematik. Dies gilt auch sonst für die zahlreichen Hinweise zu Literatur und Rechtsprechung. Auch Art. 119 EGV hinsichtlich der Frauengleichstellung hat sich zu Art. 141 EGV verschoben. Dies ändert natürlich nichts an der Richtigkeit der Ausführungen, die sich auf Stand Dezember 1998 befinden.

Das deutsche Beamtenrecht ist - von der Rahmengesetzgebung des BRRG einmal abgesehen - in Bundes - und Landesrecht geteilt. Die Darstellung konzentriert sich angesichts der zahlreichen landesrechtlichen Besonderheiten in Detailfragen auf die bundesrechtliche Materie, weist aber auf landesrechtliche Besonderheiten an passender Stelle durchaus hin (S. 41). Zu beachten ist, daß sich inzwischen Veränderungen durch die Fassung der Bekanntmachung vom 31.03.1999 ergeben haben, die noch nicht berücksichtigt werden konnten, da das Buch den Stand vom Dezember 1998 hat. Der dritte Teil entfaltet die allgemeinen Grundprinzipien des Beamtenrechts, wie sie im Wesentlichen im BRRG kodifiziert sind. Allerdings gibt es keinen allgemeinen Beamtenbegriff. Angesichts des öffentlich-rechtlichen Bezugs sind jedoch private "Beamte" ausgeschlossen. Das Recht Beamte zu ernennen, steht daher nur öffentlich-rechtlichen Körperschaften (Bund, Länder, Gemeindeverbände, Gemeinden und sonstige öffentliche Körperschaften), Anstalten oder Stiftungen zu, sofern sie nur "dienstherrnfähig" sind. Diese Zusammenhänge - auch die Einzelheiten der Ernennung und ihre Folgeprobleme - werden sehr gut erklärt, womit die Darstellung auch für Beamtenanwärter gut lesbar und interessant sein dürfte. Interessant sind auch die Ausführungen zur Versetzung eines Beamten aus einem "dienstlichen Bedürfnis" (S. 62 f). Dieser in Einzelheiten umstrittene Begriff hätte etwas deutlicher erläutert werden können. Allerdings ist der Beamtenstatus nicht einheitlich. Nur der "Beamte auf Lebenszeit" hat eine völlig gesicherte Lebensstellung (S.44), sofern er nicht schwerwiegende Dienstvergehen begeht.

Der privilegierten Stellung des Beamten (§ 59 BRRG) korrespondieren weitreichende Dienst- und Treuepflichten gegenüber dem Staat (wohingegen gegenüber dem Bürger in Ausübung der Tätigkeit Art. 34 GG eine Haftungsfreistellung vorsieht, die aber in den Zusammenhang des § 839 BGB gehört). Der Freiheit auch des Beamten zur politischen Betätigung in seiner Freizeit, korrespondiert eine weitreichende politische Treuepflicht bezüglich des Dienstverhältnisses, da er sich in jeder Hinsicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bewegen muß, § 35 Abs.1 BRRG. Er muß jederzeit Gewähr bieten, voll einzutreten für die freiheitlich-demokartische Grundordnung, § 7 Abs.1 Nr.2 BBG, versteht sich (S. 67). Glücklicherweise hat sich die rigide Tendenz zu Berufsverboten, die die 70er Jahre gekennzeichnet haben ("Radikalenerlaß") zu einer etwas besonneneren Praxis ohne zu tief greifende Gesinnungsschnüffelei etwas gewandelt. Leider wird an dieser Stelle das Problem der Fortbeschäftigung von ehemaligen SED-Mitgliedern nicht erwähnt. Auch die Nachweise sind angesichts der wieder gewachsenen Bedeutung dieses Themas etwas knapp. Etwa die Mitgliedschaft eines Beamten bei "Scientology" hat die Problematik vom "politischen Extremismus" zur "Sektenproblematik" hin verschoben, ohne daß deutliche Lösungen nach einheitlichen Maßgaben erkennbar wären. Allerdings hat der EGMR hier deutliche - durch Schadensersatzansprüche sanktionierte - Grenzen gezogen (S. 38), da es nach dieser Judikatur nicht allein auf eine Mitgliedschaft in einer für verfassungsfeindlich gehaltenen Organisation (es ging um die DKP) ankommen kann, sondern das persönliche Verhalten zu berücksichtigen ist. Nichts anderes sollte der deutsche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eigentlich in diesem Zusammenhang besagen.

Aufgrund des Gebots der völligen Hingabe an den Beruf, hat der Beamte auch kein Streikrecht (S.69). Streiks können sogar die Aufnahme von zeitweiligen "Arbeitnehmerdiensten" nach sich ziehen kann. Aber kann diese Hingabe wirklich bedeuten, sich in sichere Lebensgefahr zu bringen? (S. 69). Auch darf der Beamte sich in der Freizeit nicht Gefahren aussetzen, die seine Dienstfähigkeit beeinträchtigen könnten (Problem etwa: Dürfen Beamte "skateboarden"?). Bei zwingenden dienstlichen Erfordernissen ist auch das Verlangen nach Mehrarbeit berechtigt, die allerdings abzugelten ist (S. 74). Handelt es sich aber um eine reine Nebentätigkeit, kann Abgeltung nicht verlangt werden (S. 75). Besonders interessant ist die Reichweite der Gehorsamspflicht, die der militärischen Gehorsamspflicht eindeutig nachgebildet ist. Da der Beamte nur rechtskonformen Weisungen seiner Dienstvorgesetzten folgen darf, besteht bei Verdacht auf solche, eine unverzügliche Remonstrationspflicht (S. 80 f). Wird die Handlungspflicht vom Dienstvorgesetzten bestätigt, muß diese Handlung ausgeführt werden, sofern sie nicht strafbar ist. Hält der Beamte die Weisung für strafbar, trägt er damit selbst das Risiko einer anderen Einschätzung der Staatsanwaltschaft oder eines Strafgerichts, mit allen dienstrechtlichen Folgen, auch wenn der Beamte einer solchen Aufforderung nicht nachkommen darf. Hier liegt der Ausweg regelmäßig im Verbotsirrtum. Überaus problematisch sind einige Verhaltensanforderungen, die aus der Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten folgen. So muß der Beamte nicht nur dafür sorgen, selbst eine einwandfreie außerdienstliche Lebensführung zu wählen, sondern er muß auch dafür sorgen, daß das Verhalten seiner Familienangehörigen das Ansehen der Beamtenschaft nicht herabwürdigen. Ein Atavismus patriacharlicher Lebensformen, die es dem Beamten aufbürdet, eine Verantwortung für Dritte zu übernehmen, die unter Umständen seinem Einfluß gar nicht zugänglich sind. So kann auch ein Ehebruch noch ein Dienstvergehen sein, wenn dienstliche Belange berührt werden (S.85). Ein Dienstvergehen kann, wenn es sehr schwer wiegt, zur Entlassung führen, ansonsten wird es aber immer Disziplinarmaßnahmen nach der BDO nach sich ziehen, die stets unterhalb dieser Schwelle liegen und keine Bestrafung beeinhalten, da die BDO keine strafrechtlichen Normen enthält, sondern rein dienstrechtliche Sanktionen (S. 161 ff). Die Entfernung aus dem Dienst muß aber immer durch ein Disziplinargericht ausgesprochen werden (S. 113 f), sofern keine Entfernung kraft Gesetzes eintritt, die bei Verurteilungen zu Strafen bei vorsätzlichen Taten von mindestens einem Jahr erfolgt (S. 113), sofern nicht Straftaten gegen den Staat (Verratsdelikte und ähnliches) begangen werden, dann reicht ein halbes Jahr.

Dem gegenüber hat der Beamte aber auch das Recht auf Fürsorge und Schutz des Staates (S.90 f). Bekanntlich beziehen Beamte kein Gehalt, sondern werden alimentiert. Einzelheiten regeln die Besoldungsgesetze. Derartige Geldzahlungen sind aber im Gegensatz zum Gehalt bei Arbeitsverhältnissen nur beschränkt pfändbar, um die Funktionsfähigkeit des Staates nicht zu gefährden (S. 93 f). Etwas übersichtlicher hätte die Darstellung des Schutzes der Beamtenrechte (S. 105 - 109) formuliert werden können. Der vierte Teil enthält eine eingehende Darstellung des Besoldungs - und Versorgungsrechtes (S. 119 - 160).

Die Darstellung ist bestens geeignet, sich in diesen Teilbereich des öffentlichen Rechts grundrißartig einzuarbeiten.



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