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Artikel 213
Ralf Hansen

Kurze Wege zum öffentlichen Baurecht

Rezension zu:

Muckel, Stefan

Öffentliches Baurecht

Reihe: Kernwissen

EuWi-Verlag, Trüngersheim/Frankfurt/Main, 1999

Frühlingstr.3

97291 Trüngersheim

http://www.institut-kirchenrecht.de


Das Öffentliche Baurecht, insbesondere auch das Bauplanungsrecht, werden zunehmend prüfungsrelevanter. Zwar existieren ausgezeichnete, umfassende Lehrwerke zu diesen Materien (etwa Brohm, Öffentliches Baurecht, 2. Aufl., München, Beck: 1999; Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, Bd. I: Bauplanungsrecht, 5. Aufl., 1998, Bd. II: Bauordnungsrecht, Nachbarschutz, Rechtsschutz, 4. Aufl., 1998; München: Beck, 1997; Peine, Öffentliches Baurecht, Tübingen: Mohr, 3. Aufl., 1997; Gubelt, Fälle zum Bau- und Bauordnungsrecht, 4. Aufl., München: Beck, 1995, mit Nachtrag, 1999), deren Umfang aber den Pflichfachstudenten zumindest bei der ersten Einarbeitung eher "abschrecken", weshalb meist ein Rückgriff auf Behelfe von Repititorien erfolgt, die der Verfasser der Rezension nicht beurteilen kann, geschweige denn will. Stefan Muckel, als Nachfolger Wolfgang Rüfners, Ordinarius für Öffentliches Recht, Direktor des Instituts für Kirchenrecht und rheinische Kirchenrechtsgeschichte an der Universität zu Köln (interessante sehr belebte homepage unter http://www.institut-kirchenrecht.de), hat nunmehr eine knappe und sehr preiswerte Darstellung für die rasche Einarbeitung vorgelegt, die bewußt kein Lehrbuch sein will (diese daher auch nicht ersetzen kann oder will), sondern sich als Skript präsentiert und daher mit den genannten Skripten der Repititorien "real" konkurrieren dürfte. Der Stoff wird folgerichtig auf das Wesentliche beschränkt. Dies ist, um es vorab zu sagen, vollumfänglich gelungen. Der systematischen Darstellung soll noch dieses Jahr ein fallbezogenes Repititorium aus der Reihe "Fit im Recht" beim gleichen Verlag folgen, das die effektive Lernkontrolle anhand von Fragen und Antworten nebst zusammenfassenden Grapfiken und Schemata erlaubt. Die bisher vorgelegten Bände dieser Reihe von Ellen Schlüchter zum Strafrecht und Strafprozeßrecht lassen weitere interessante Bände dieser beiden Reihen erwarten.

In einer sehr übersichtlichen Einleitung wird zunächst das öffentliche Baurecht vom privaten Baurecht abgegrenzt. Der "doppelsprurige" Nachbarschutz ist in die Darstellung einbezogen. Bereits in der Einleitung wirft der Verfasser die hochinteressante Frage auf, weshalb trotz Unterfallens des privaten Nachbarschutzes unter die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes landesrechtliche Regelungen des privaten Nachbarrechtes existieren. Eine Frage, die jederzeit Gegenstand einer mündlichen Prüfung in beiden Staatsexamen sein könnte. Die komplexe Frage ist nur in Ansehung der Rechtsgeschichte fundiert lösbar. Im 19. Jahrhundert - vor Inkrafttreten des BGB - war Privatrecht, wie heute noch in den USA, Ländersache. Das EGBGB sah in Art. 55 vor, daß alle privatrechtlichen Vorschriften der Länder außer Kraft traten, sofern nicht das BGB oder das EGBGB ein anderes bestimmten. Dies war aufgrund Art. 121 und 124 EGBGB der Fall. Danach galten Teile des Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1794, des Code Civil und das forstliche Nachbargesetz für die Rheinprovinz gemäß dem Preußischen Ausführungsgesetz zum BGB von 1899 fort. An diese Stelle trat 1969 in NRW das NW Nachbarrechtsgesetz unter Wahrung der inhaltlichen Grenzen der alten Regelungen. Unter diesen Umständen ist privates Nachbarrecht auf landesrechtlicher Ebene weiter verfassungskonform möglich, ohne gegen konkurrierende Gesetzgebungskompetenzen des Bundes zu verstoßen. Für andere Bundesländer ist diese Entwicklung spezifisch nachzuvollziehen. Soweit Landesrecht in Rede steht, wird NRW-Landesrecht herangezogen. Derartige lehrreiche Ausführungen finden sich in diesem Buch zuhauf.

Das Buch wird, von der Einleitung abgesehen, in drei Teile unterteilt: Bauplanungsrecht, Bauordnungsrecht und Nachbarschutz durch öffentliches Baurecht. Die Unterteilungen des Bauplanungsrechts erfolgen auf S.5 nach einem ausgezeichneten graphischen Schema und machen die Grundstrukturen sehr deutlich. Im Raumordnungsrecht ist zwischen Fachplanung und Gesamtplanung ebenso zu unterscheiden, wie im Städtebaurecht zwischen allgemeinem und besonderem Städtebaurecht. Diese strukturellen Differenzierungen haben nicht nur propädeutische Funktionen, sondern haben auch Bedeutung für die Möglichkeiten des gerichtlichen Rechtsschutzes betroffener Bürger, der in den verschiedenen Bereichen völlig unterschiedlich ausgestaltet ist und von einer geringen Intensität im Raumplanungsrecht bis hin zu einer erhöhten Intensität im Bauplanungsrecht bis zu einer hohen Intensität im Bauordnungsrecht reicht. Es wäre sicher interessant anhand eines Phasenmodells beginnend mit der informellen Planung, die Rechtsschutzmöglichkeiten des unmittelbar oder drittbetroffenen Bürgers tabellarisch in einer Übersicht darzustellen. Problematisch ist der Rechtsschutz gegen Flächennutzungspläne von Gemeinden, denen die Planungshoheit zusteht. Da weder Rechtsnorm, noch Verwaltungakt (mangels Außenwirkung), sind beim Flächennutzungsplan - bei Vorliegen der sonstigen prozessualen Voraussetzungen - weder abstrakte Normenkontrolle, noch Anfechtungsklage möglich. Diskutabel ist aber die Möglichkeit einer Feststellungsklage nach § 43 VwGO, wenn ein konkretes Rechtsverhältnis gegeben ist. In Einzelfällen wird dies bejaht, wenn sich, etwa nach § 35 Abs.1 Nr.3 BauGB, in Verbindung mit einer baurechtlichen Rechtsnorm, ein derartiges Rechtsverhältnis ergibt. Muckel schränkt die Rechtsschutzmöglichkeit dahingehend ein, daß die mögliche Bebauung im Außenbereich dem Flächennutzungsplan widersprechen muß. Dies ist sicher sachgerecht. Muckel entwickelt seine Lösungen fast im Gutachtenstil und macht damit seine Erarbeitung für die Fallbearbeitung unmittelbar fruchtbar. Literatur und Rechtsprechung sind soweit nachgewiesen, daß eine grundlegende Einarbeitung durch Vertiefung anhand der Nachweise möglich ist.

Wer diese Grundlagendifferenzierungen nicht nachvollzieht, wird in der Fallbearbeitung in Probleme kommen. Sie enthalten die wesentlichen Weichenstellungen. Das Bauplanungsrecht betrifft die Nutzung des Bodens. Das Bauordnungsrecht behandelt die vom konkreten Grundstück, bzw. Objekt ausgehenden Gefahren. Letzteres fällt in die landesrechtliche Gesetzgebungskompetenz, ist aber in den Grundstrukturen aufgrund der Orientierung an einer Musterbauordnung weitgehend vereinheitlicht. In der Fallbearbeitung verzahnen sich die Materien, etwa bei einer Verpflichtungsklage auf Erlaß einer Baugenehmigung als begünstigendem Verwaltungsakt, der aufgrund der Auflagen meist auch stets belastenden Charakter hat. Eine diesbezügliche Klausurentypik könnte die nächste Auflage abrunden. Das öffentliche Baurecht ist mit den Kernmaterien des öffentlichen Rechts eng verzahnt und weist - worauf Muckel sehr deutlich hinweist - enge Bezüge zum Verwaltungsprozeßrecht (unter Einschluß der Drittschutzproblematik), zum Kommunalrecht und zum Ordnungsbehördenrecht auf. Die bauplanungsrechtlichen Normen begrenzen die aus Art. 14 Abs.1 S.1 GG folgende Baufreiheit in einem engmaschigen Netz von Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Art. 14 Abs.1 S.2 GG. Mit anderen Worten: sie konkretisieren das öffentliche Interesse gegenüber dem Privatinteresse. Im Zentrum des Bauplanungsrechtes steht daher die Planungshoheit der - grundrechtlich abgesicherten - Planungshoheit der Gemeinden durch vom Rat nach kommunalrechtlichen Vorgaben zu verabschiedende Bebauungspläne, die kommunale Satzungen sind. Prozessual ist daher immer § 47 VwGO naheliegend. Die Bauleitplanung der Gemeinden differenziert sich in Flächennutzungs- und Bebauungsplan. Nur ersterer bezieht sich auf die ganze Gemeinde. Letzterer nur auf Teilflächen von Gemeinden. In einem sehr ausdifferenzierten Prüfschema behandelt Muckel die formellen und materiellen Voraussetzungen der Rechtmäßigkeit des Bebauungsplans. Selbstverständlich weist er dabei auf die landesrechtliche Öffnung der bundesrechtlichen Regelungen des Rechts der Bebauungspläne in § 9 Abs.4 BauGB hin, wonach den Ländern durch Rechtsvorschrift die Möglichkeit offen steht, auf Landesrecht beruhende Festsetzungen in den Bebauungsplan aufzunehmen, etwa §§ 85, 86 BauO NW, die ihrerseits §§ 214, 215 BauGB in Bezug nehmen. Rechtsschutz nach § 47 VwGO ist hier möglich und stets in Erwägung zu ziehen. Im Endeffekt laufen derartige Klausuren regelmäßig auf die richterliche Kontrolle von Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis hinaus, die aufgrund der unterschiedlichen Kontrolldichte differenzeirt werden müssen, wobei bei Inanspruchnahme von Rechtsschutz gegen Bebauungspläne stets das neue Ergänzungsverfahren beachtet werden muß: Die betroffene Gemeinde kann noch im Rechtsschutzverfahren grundsätzlich einen korrigierten Bebauungsplan erlassen. Allerdings kann den Kläger in solchen Fällen keine nachteilige Kostenfolge treffen. Ggf. muß er aber erneut den Rechtsweg beschreiten, wenn er meint, durch den neuen Bebauungsplan erneut in seinen Rechten beeinträchtigt zu sein. Klare Ausführungen widmet Muckel auch der Zulässigkeit des Vorhabens im Rahmen eines qualifizierten Bebauuungsplanes, im unbeplanten Innenbereich (und im Bereich der Geltung eines einfachen Bebauungsplanes), sowie im Außenbereich, §§ 29 ff BauGB.

Das Bauordnungsrecht wird nur exemplarisch behandelt. Zuständig sind die örtlichen Bauordnungsbehörden. Die Materie ist mit dem Ordnungsbehördenrecht eng verzahnt. Angesichts der Examensrelevanz wird die Problematik anhand der "klassischen" Abbruchverfügung verdeutlicht, unter Hinweis aber etwa auch auf das Nutzungsverbot. Problematisch ist hier insbesondere der Fall einer formell baurechtswidrigen Gebäudeerrichtung, die materiell baurechtskonform ist. Bei einem formell und materiell rechtswidrig errichteten Gebäude ("Schwarzbau") ist selbstverständlich eine Abbruchverfügung nach pflichtgemäßem Ermessen, das bei dringenden Gefahren auf Null schrumpfen kann, rechtmäßig. Bei einem formell rechtswidrigen und materiell rechtskonformen Bau folgt Muckel einer neueren Literaturmeinung, die die Rechtmäßigkeit einer Abbruchverfügung mit Blick auf die Einschränkung der Genehmigungserfordernisse verneint. In bestimmten Fällen kann aber nach seiner Meinung auch bei einem formell und materiell rechtswidrigen Bau eine Abbruchverfügung nicht ergehen, wenn im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt wird. Das sehen manche Baubehörden und Verwaltungsgerichte zwar noch anders, aber Muckel ist völlig zuzustimmen. Diese Auffassung erleichtert auch im Hinblick auf mögliche Befreiungen eine angemessene Flexibilität der Behörden unter Wahrung der Ermessensausübung. In solchen Fällen kann daher - die anschließende behandelte - Baugenehmigung nachträglich erteilt werden. Zu einem solchen Antrag ist betroffenen Bauherrn dringend zu raten - das Risiko ist hoch.

Abschließend behandelt Muckel den - extrem praxisrelevanten - öffentlichrechtlichen Nachbarschutz, der auch im Rahmen des Drittschutzes relevant wird und sowohl aus einfachem Recht, dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis, als auch unmittelbar aus den Grundrechten folgen kann. Die Doppelspurigkeit von Privatrecht und Öffentlichem Recht beim Nachbarschutz wird intensiv problematisiert. Muckel wählt den richtigen Ansatz und diskutiert die Problematik vom Verwaltungsprozeßrecht her anhand der regelmäßig einschlägigen Anfechtungsklage. Es lohnt, dieses Prüfschema in die persönliche Checkliste zu übernehmen, da diese Problematik auch in Rechtsreferendariat und Anwaltstätigkeit jederzeit aktuell werden kann. Wie Muckel im Vorworrt betont, kann die Lektüre auch durchaus in der Praxis noch lohnen. Abschließend wird noch die Problematik des einstweiligen Rechtsschutzes verdeutlicht, der im Verwaltungsprozeßrecht immer wichtiger wird und manches Hauptsacheverfahren obsolet macht. Es ist Stefan Muckel auf 145 Seiten gelungen, diese komplexe Materie soweit transparanent zu machen, daß der konzentrierte Leser, besser: "Durcharbeiter", die Materie nach Lektüre auch unmittelbar anwenden kann. Mehr kann kein juristisches Lehrwerk leisten. Leichter kann man das gern gemiedene "Ö-recht" auch nicht begreifbar machen.



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