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Artikel 702
Thilo Schulz

Erste Hilfe bei rechtswissenschaftlichen Arbeiten

Eine Rezension zu:

Ekkehart Stein

Die rechtswissenschaftliche Arbeit

1. Auflage 2000; 121 S., 24,-DM
Mohr Siebeck Tübingen
ISBN 3-16-147449-X


http://www.mohr.de

Wer eine wissenschaftliche Arbeit schreiben soll und damit bisher noch keine Erfahrungen gemacht hat, tut sich gerade in der Rechtswissenschaft damit besonders schwer. Das liegt zum einen an der umfangreichen Literatur, die vor der Erarbeitung eigener Lösungsansätze durchzuarbeiten ist. Zum anderen auch an dem speziellen methodischen Instrumentarium, dessen sich die Rechtswissenschaft bedient. Selbst bei großem Engagement ist es schwer, sich mit diesen Methoden kritisch auseinanderzusetzen, sie sich anzueignen und mit Gewinn für eigene Lösungsansätze fruchtbar zu machen. Denn rechtstheoretische und -methodische Literatur ist oft schwer zugänglich, selbst für Fachleute schwer verständlich und nur mit großem Zeitaufwand vernünftig zu verarbeiten.

Wer promovieren möchte, wird sich über diese Schwierigkeiten in den meisten Fällen klar geworden sein und sich damit auseinandergesetzt haben. Er kann ihnen notfalls sogar ausweichen, indem er die Promotion unterläßt. Studenten, die nach den Prüfungsordnungen der Länder im Normalfall ein Seminar besuchen und dabei eine Seminararbeit anfertigen müssen steht dieser Weg nicht offen. Sie müssen sich zumindest mit den nötigen methodischen und rechtstheoretischen Grundlagen vertraut machen.
Sie sind die Hauptzielgruppe des vorliegenden Buches. Es geht Ekkehart Stein aber nicht allein darum, das Handwerkszeug für methodisch sauberes Arbeiten in der Rechtswissenschaft zu vermitteln. Er ist auch mit praktischen Tips zur Hand, die die Arbeit an einem konkreten Problem erleichtern sollen.

Stein beginnt damit, die Relevanz rechtstheoretischer Klarheit für rechtswissenschaftliches Arbeiten zu erläutern. Auch der in rechtstheoretischen Fragen unbedarfte Leser wird mit diesem Abschnitt keine Probleme haben. Alle wichtigen Fragestellungen der Rechtstheorie werden knapp, aber für das Verständnis ausreichend skizziert. Genannt sei hier die Frage "Was ist Recht?", Ausführungen zum Geltungsproblem, den Rechtsquellen und der Rechtsanwendung. Stein entwickelt an dieser Stelle drei Dimensionen des Rechts, die bei der Rechtsanwendung eine große Rolle spielen und im Rahmen des Buches immer wieder herausgearbeitet werden. Er spricht hier erstens vom Recht als vom Menschen geschaffenes Geistesprodukt, als System von Sätzen. Zweitens hat das Recht die soziale Wirklichkeit zum Gegenstand. Und drittens besteht es auch aus Sollenssätzen.

Schon hier macht sich der Stil Steins sehr positiv bemerkbar: er ist klar, schnörkellos, prägnant und einprägsam, ohne an Tiefenschärfe zu verlieren. Das hebt das Buch stark von anderen rechtstheoretischen Werken ab, die man manchmal am liebsten vom "Fachchinesisch" ins Deutsche übersetzt sehen möchte, da sie oft für mehr Verwirrung denn für Klarheit sorgen. Außerdem ist hier noch anzumerken, daß Stein seine Meinung zu bestimmten Problemen klar vertritt und sich nicht im oft üblichen "man"-Stil vor klaren Aussagen drückt. Er bleibt einfach bei der 1.Person und sagt ganz klar "ich". Damit macht er sich zwar angreifbar, setzt aber auch ein Zeichen von wissenschaftlicher Redlichkeit, das der Überzeugungskraft seiner Argumentation sehr zugute kommt.

Unter der Überschrift "Allgemeine Methodik der Rechtsanwendung" präsentiert Stein zunächst einen Überblick über die Entwicklung der Methodenvielfalt. Themenkomplexe wie die Bindung des Richters an geltendes Recht, die Auslegungsmethoden nach Savigny, aber auch Freirechtslehre, Interessenjurisprudenz, Topik und andere werden angesprochen. Dies geschieht wie schon im Anfangskapitel in gedrängter Darstellung, die dennoch die wichtigsten Erkenntnisse nicht ausläßt und immer verständlich bleibt. Stein gelingt sogar das Kunststück, die wesentlichen methodischen Probleme von Subsumtion und syllogistischem Schluß auf vier Seiten aufzuwerfen und sich anschließend Lösungsansätzen zuzuwenden! Wer sich bereits durch umfangreiche Werke der Methodenlehre zu diesem Komplex gequält hat, wird sich spätestens hier verwundert die Augen reiben.

Da den unterschiedlichen Rechtsgebieten unterschiedliche Interessenkonstellationen zugrunde liegen, ergeben sich jeweils methodische Besonderheiten. Diese Besonderheiten werden von Stein an den Rechtsgebieten Zivilrecht, Strafrecht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Völkerrecht demonstriert. Hier sind besonders die Ausführungen zum Verfassungsrecht besonders hervorzuheben: der Methodik des Bundesverfassungsgerichts wird (im Vergleich zur Seitenzahl des Buches) recht breiter Raum gewährt.

War das Buch bisher vor allem von Nutzen für Theorie und Methodik, so kommen zum Schluß die praktischen Tips. Wer nicht weiß, welches Thema oder welchen Schwerpunkt er setzen, wie er beginnen, die Zeit einteilen oder Literatur und Zeitschriften auswerten soll, wird hier fündig. Ekkehart Stein kann dabei auf die Erfahrung von 35 Jahren Tätigkeit als Hochschullehrer zurückgreifen, was man den Ratschlägen durchaus anmerkt. Dabei behandelt er den Leser nie von oben herab, sondern regt vielmehr zu eigenem produktiven Tätigsein an. Auch die durchaus vorhandene psychische Belastung bei wissenschaftlichen Arbeiten klammert er nicht aus, sondern widmet ihr ein paar ermutigende Worte. Das Sachverzeichnis ermöglicht das schnelle Auffinden von Einzelproblemen und beschließt das Buch.

Dieses kleine Buch kann jedem Jurastudenten nur uneingeschränkt empfohlen werden. Klarheit im Stil, Prägnanz in der Darstellung, besser kann man rechtstheoretisches und -methodisches Grundwissen wohl nicht vermitteln! Es ist zu hoffen, daß das Buch für möglichst viele Juristen den Anstoß zu weiterer Beschäftigung mit den Grundlagen ihrer Arbeit bietet. Ein Erfolg wird es allemal, Neuauflagen sind wahrscheinlich.


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