Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


"Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?" von Volker Jänich    Versandkostenfrei & bequem per Rechnung bestellen Onlinebestellung bei der Fachbuchhandlung Platon
Ralf Hansen

Eine Aufarbeitung der Debatte um das "geistige Eigentum" im Urheberrecht

Eine Rezension zu:

Volker Jänich

Geistiges Eigentum - eine Komplementärerscheinung zum Sacheigentum?


Mohr Siebeck, Tübingen 2002, 408 S., 89,- €

ISBN 3-16-147647-6

http://www.mohr.de


Die Osnabrücker Habilitationsschrift arbeitet eine alte Kontroverse auf, die Grundlagenfragen des Urheber- und Patentrechts betrifft und letztlich ungelöst ist. In der deutschen Urheberrechtswissenschaft hat sich etwa Rehbinder sehr pointiert gegen die Lehre vom "geistigen Eigentum" gewandt, die der Verfasser rehabilitieren will, auch angesichts internationaler Entwicklungen der "intellectual property" auf völkerrechtlicher Ebene, die in seinem Vorschlagfür ein Gesetzbuch des geistigen Eigentums gipfeln. Er greift dazu erfreulicherweise weit aus und rekonstruiert das Thema von seinen geschichtlichen Grundlagen her.

Teil I rekonstruiert Genese und Niedergang dieses schillerndes Begriffs, der aus dem naturrechtlichen Verständnis eines subjektiven Rechts an der Werk gewordenen, eigenen geistigen Schöpfung heraus entstanden ist, also etwa in das erste Drittel des 18. Jahrhunderts zu datieren ist. Diese Konstruktion sprach dem Urheber nach einer langen Vorgeschichte der Versuche des Schutzes literarischen oder künstlerischen Schaffens erstmals eigene Rechte an einem von ihm geschaffenen musikalischen, literaterarischen oder künstlerischen Werk als dessen Schöpfung zu, das etwa Vivaldi früh für sich in Anspruch nah. Schon früh wurde die Parallele zum Sacheigentum gezogen. Jänich zeigt das ein derartiges Verständnis schon in der römischen Antike (bei Seneca) in einem gewissen Vorverständnis aufscheint, aber noch weit von einer klaren Erfassung des Problems entfernt war, so daß vom Urheberrechtsschutz für die römische Antike jedenfalls nicht gesprochen werden kann. Allerdings ist dieser Bereich noch wenig untersucht. Erst für das 13. Jahrhundert sind Streitigkeiten über die Urhebereigenschaft überliefert, die zeigen daß ein Plagiat durchaus als Rechtsverstoß angesehen wurde, ohne daß allerdings die rechtlichen Mittel zur angemessenen Lösung des Problems bereits entwickelt worden waren. Es hat Jahrhunderte gedauert das Recht des geistigen Schaffens vom Sacheigentum zu emanzipieren. Erst unter dem spätmittelalterlichem Privilegienwesen, das dem Autor seitens der Herrschaftsmacht Schutz verlieh, entwickelte sich erstmals ein gewisses Schutzniveau. Später wurde zunächst privilegierten Verlagen Verfügungsrechte zuerkannt, bis zu Beginn des 18.Jahrhunderts erstmals der Begriff des geistigen Eigentums verwendet wurde. Dieser Theorie gelang der Durchbruch, um Schutz insbesondere gegen Nachdrucke zu erlangen, die damals "wild" verbreitet wurden, Entstellungen eines Werks durch "unfreie Bearbeitungen" nicht gerechnet. Dem Verfasser gelingt es eine sehr lesenwerte "Urgeschichte" des Urheberrechts zu entwickeln. In einer sehr interessanten rechtsvergleichenden Perspektive zeigt der Verfasser, wie sich dieser Gedanke in der europäischen Rechtswissenschaft immer weiter durchsetzte. Es ist keineswegs Zufall, daß der eigentliche Beginn der Urheberrechtsschutzes im frühen 19. Jahrhundert zu suchen ist, da in dieser Phase mit der Romantik erstmals ein Konzept des Individiums und des Autors entbunden wurde. Besonders interessant sind die Ausführungen zur englischen Entwicklung. Für Deutschland zeigt der Verfasser sehr genau die Parallelentwicklung dieser Lehre im Urheberrecht und im Patentrecht auf, die bis heute im Zentrum des Interesses steht. Unterdessen verlor diese Lehre gegen Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung, indem das Interesse der Rechtswissenschaft sich mehr und mehr dem Urheber als Ausdruck seiner Persönlichkeit und des Urheberrechts als eines Vermögenswertes zuwandte, ohne daß die komplexen Entwicklungsstränge hier wiedergegeben werden können, die Jänich sämtlich aufarbeitet und systematisiert. Spätestens mit der Abkehr von einer rein dualistischen Konzeption im maßgeblich monistisch beeinflußten UrhG 1965 kam die Entwicklung der Abkehr der Lehre vom "geistigen Eigentum" gesetzlich maßgeblich zum Abschluß, ohne daß sie je verstummte. Dies zeigt die präzise Rekonstruktion der Diskussion ab 1965. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Analyse der Rechtsprechung, die sich nur als umfassend, wahrscheinlich aber sogar als vollständig bezeichnen läßt. Inzwischen finden sich wieder mehr und mehr Anhänger der Lehre vom geistigen Eigentum, wie eine Übersicht über aktuelle Positionen zeigt, die zum nächsten Teil überleitet.

Im zweiten Teil versucht der Verfasser anhand von Parallelen (und Unterschieden) des geistigen Eigentums mit dem Sacheigentum zu zeigen, daß eine Vergleichbarkeit besteht, die allerdings einer problemorientierten Vorgehensweise bedarf. Da das geistige Eigentum noch nicht über hinreichend gesicherte Strukturmerkmale verfügt, wählt er - völlig nachvollziehbar - eine problemorientierte Darstellung der Strukturmerkmale des Sacheigentums als Grundlage der Vergleichbarkeit, ansetzend bei der Struktur als subjektives Recht, über die Dinglichkeit, den Erwerb und Verlust bis hin zum gutgläubigen Erwerb, Ansprüchen aus dem Eigentum, und Sicherungsrechten. Erfreulicherweise widmet sich der Verfasser auch Fragen der Sozialbindung des geistigen Eigentums, die allerdings hinsichtlich der Allgemeinnützigkeit urheberrechtlicher Errungenschaften ungeachtet des grundsätzlich zu gewährleistenden Urheberrechtsschutzes ausbaufähig gewesen wäre, etwa hinsichtlich des Rechts auf Herstellung von Privatkopien, des Zitatrechtes und vergleichbarer Nutzungen zugunsten der Allgemeinheit. Der Verfasser sieht indessen keinen verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte für eine stärkere Sozialbindung der Urheber im Vergleich zu Sacheigentümern und vertritt damit eine strikt individualistische Position. Da es hier nicht möglich ist, auf die zahlreichen Einzelbetrachtungen einzugehen, kommt es maßgeblich auf das Ergebnis des Verfassers an. Er geht davon aus, daß Sacheigentum und geistiges Eigentum in ihren wesentlichen Strukturmerkmalen übereinstimmen, richtet den Blick jedoch auch auf entscheidende Unterschiede, die er in einem interessanten Katalog aufbereitet, den bisher noch niemand so umfassend erarbeitet haben dürfte. Der relativ kurze Teil III stellt die notwendigen Verknüpfungen her. In diesem Zusammenhang plädiert der Verfasser für ein Gesetzbuch geistigen Eigentums, dessen Notwendigkeit er an sehr gut gewählten Beispielen festmacht. Der Patentschutz für Computerprogramme wirft heute in der Tat die Frage nach dem "geistigen Eigentum" ebenso auf, wie die Frage nach der Patentierbarkeit genetisch veränderten Erbguts (letzteres wird allerdings nicht angesprochen). Die Probleme hinsichtlich der Konkurrenz von Patentschutz und Urheberrechtsschutz sieht er durch ein solches Gesetzbuch als lösbar an, da eine eindeutige Zuordnung in Grenzbereichen versagt, so daß eine Verzahnung der Schutzzonen nach seiner Auffassung eine Lösung darstellen kann, ungeachtet der ungelösten Fragen des "Ob", der Intensität und der Dauer eines solchen Schutzes in Grenzfällen. Angesichts der hergestellten Vergleichbarkeit sieht der Verfasser den Begriff des "geistigen Eigentums" als Sammelbegriff für gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht an, so daß er geistiges Eigentum definiert "als ein subjektives, absolutes Ausschließlichkeitsrecht, das eine umfassende Herrschaftsmacht über eine durch eine geistige Leistung geschaffenes immaterielles Gut gibt", abschließend definiert.

Dieses interessante Werk ist auch dann als Lektüre anregend, wenn man die Auffassungen des Verfassers von der Lehre des geistigen Eigentums nicht teilt, da es um eine Grundkontroverse der gewerblichen Schutzrechte geht, die selten so interessant aufbereitet worden ist wie in diesem Buch.

Impressum | Datenschutz