Spätestens nach den tragischen Ereignissen in Erfurt ging ein Aufschrei durch die
Erwachsenen-Welt: Wie kann die Jugend von heute bloß solche gewalttätigen
Computerspiele spielen? Schnell war, vor allem von politischer Seite, der vermeintlich
Schuldige ausgemacht:
Das Computerspiel
Counter-Strike, das der Amokschütze gespielt hatte.
Anders als das Werk von
Gieselmann: Der virtuelle Krieg nähert
Fromm sich dem seit langem andauernden wissenschaftlichen Streit mit
einer Mixtur aus informatorischer Darstellung
und Abdruck von Interviews. Der Autor
Rainer Fromm ist Journalist und
produziert Filmbeiträge zum Thema Gewaltspiele, insbesondere
zu Ego-Shootern, u.a. für arte und das ZDF.
Die Einführung des Bandes beginnt mit einem Satz aus dem Magazin
Stern:
"Wenn Eltern ihre Kinder mit halb geöffnetem Mund vor dem Rechner sitzen sehen und
die Kleinen auf keinerlei Zuruf reagieren, ballern sie wahrscheinlich gerade im Netz
die Nachbarsjungen über den Haufen."
Dieser kurze Ausschnitt verrät nicht nur viel über den jugendlichen Umgang mit
Computerspielen, sondern zeigt auch zugleich
die Berichterstattung in der Presse.
Auf etwas mehr als 60 Seiten stellt
Fromm zunächst die Spieler- und
Software-Szene in Deutschland vor. Leider findet sich im Inhaltsverzeichnis keine
Auflistung der weiteren
Untergliederung dieses Abschnittes, so dass dem Leser nichts anderes übrigbleibt als
wild durch diesen Teil zu blättern, um einen Überblick über den Gang der Darstellung zu
erhalten. Die Erläuterungen sind recht ansprechend geschrieben und vielfach durch
Entscheidungen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften, Auszüge von
Spielekritiken von bekannten Magazinen oder sonstige Zitate aufgelockert. Der
Schreibstil ist recht leger. Der Verfasser nimmt den Leser an die Hand und berichtet
ihm im Plauderton über dies und das. An manchen Stellen ist dadurch eine klare
inhaltliche Gliederung nicht erkennbar. Insbesondere die ersten 25 Seiten sind eher ein
thematisch zusammenhängender Fließtext mit Zwischenüberschriften denn klar getrennte
Unterpunkte. Im weiteren beschreibt
Fromm sehr ausführlich die
unterschiedlichen Ego-Shooter auf dem Markt: Wolfenstein 3D, Doom, Quake, Unreal, Half
Life usw. Bei dieser Darstellung nimmt der Autor an mehreren Stellen wertende
Betrachtung vor. Eine neutrale, deskriptive Haltung hätte hier dem Werk weitaus besser
gestanden.
Nach diesem Teil enthält der Band im weiteren zwölf Interviews. So wird z.B.
Werner
Glogauer befragt,
der sich insbesondere durch seine kritische, ablehnende Haltung gegenüber
Gewalt-Computerspielen hervorgetan hat ("Die neuen Medien machen uns krank", Weinheim
1999). Leider stellt der Leser im Zuge des Interviews fest, dass
Glogauer
traurigerweise bei Allgemeinplatitüden und dem üblichen Schwarz-Weiß-Schema bleibt.
Auf die Frage, ob es denn einen Zusammenhang
zwischen Gewalt in Computerspielen und Gewalt in der Realität gebe, antwortet
Glogauer z.B.:
"Den Zusammenhang gibt es zweifelslos. Alle jugendlichen
Amokläufer in den USA, ob das nun Kentucky ist, Mississipi oder auch andere Fälle hier
in Deutschland, haben diese Computerspiele (...) gespielt, und es gibt deutliche
Hinweise darauf, dass eben diese Spiele (...) diese Taten verursacht haben (...)"
(S. 99f.).
Ebenso interessant ist z.B. das Gespräch mit
Elke Monssen-Engberding, der
Vertreterin der Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften. So nimmt sie u.a. zu den Vorwürfen Stellung, dass es
keine einheitliche Indizierungspraxis gebe und dass eine Indizierung praktisch einem
Spiele-Verbot gleichkomme.
Neben Vertretern aus Wissenschaft und Gesellschaft kommen auch die Jugendlichen auf
breiter Front zu Wort. So werden die Macher der Internet-Spieleseite "PlanetLAN",
Clan-Mitglieder und sonstige Spieler interviewt. Ein Aufsatz beleuchtet dabei die
weibliche Rolle in der Gamer-Szene, die nach wie vor überwiegend männlich besetzt ist.
Folgende Worte eines Jugendlichen werden dem Leser nachdrücklich in Erinnerung bleiben
und zum Nachdenken anregen:
"Ich finde es toll, dass es bei einer LAN-Party nie eine Schlägerei gibt. Hier
kracht es nicht. In Wiesbaden gab es eine Veranstaltung, auf der drei Tage lang 2.300
Leute (...) waren. Da hat es nicht geklatscht. Und das findet man ganz selten. Da
reicht schon eine Dorfhalle mit 80 Leuten an Fasching - da klatscht es
hundertprozentig (S. 135f.)
Gesamteindruck:
Der Band ist für alle geeignet, die einen leichten Einstieg in die Thematik suchen und
sich einen schnellen Überblick über die derzeitige Ego-Shooter-Landschaft verschaffen
wollen. Für eine weitergehende wissenschaftliche Auseinandersetzung bietet das Werk dagegen
nicht genug Material. Dies fängt schon beim
fehlenden Literaturverzeichnis an.