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Artikel 10975
Dr. Kerstin Lindenau
27.03.2006

Prädikat: Empfehlenswert

Eine Rezension zu:

Horst Kaiser / Jan Kaiser / Torsten Kaiser

Die Zivilgerichtsklausur im Assessorexamen

Technik, Taktik, Formulierungshilfen

Schriftenreihe JA-Referendariat

Luchterhand, München 2005, 286 Seiten, 23,- ?
ISBN 3-472-06104-9

http://www.luchterhand-fachverlag.de

Das Buch wendet sich, wie sich bereits aus dem Titel ergibt, an Referendare und deren Vorbereitung auf die zivilgerichtliche Klausur. Nun gibt es etliche Ausbildungsliteratur zu diesem Bereich und dennoch ist dieses Buch auf dem Gebiet eine Neuheit. Es handelt sich um ein Lehrbuch, welches für das gute Gelingen des zweiten juristischen Staatsexamens unerlässlich und uneingeschränkt zu empfehlen ist.

Die Besonderheit des Lehrbuches liegt darin, dass aus der Masse der zivilprozessualen Probleme diejenigen dargestellt werden, die im Examen am häufigsten vorkommen. Sie wurden von den Autoren auf klausurtaktisch sinnvolle Fallkonstellationen reduziert. Zudem wird zu jeder Fallkonstellation ein Formulierungsvorschlag unterbreitet, so dass auch die Umsetzung des gelernten Wissens in der Klausur ohne Weiteres möglich ist.

Das Buch ist im Wesentlichen in sechs Kapitel eingeteilt. Neben den zunächst angeführten grundlegenden Ratschlägen beginnt das Lehrbuch inhaltlich mit der Klausurtechnik. In diesem Kapitel werden die Zeiteinteilung und die einzelnen Arbeitsschritte für die Lösung der Klausur dargestellt. Bezüglich des Tatbestandes werden die Grundsätze und die geordnete Darstellung von einzelnen Konstellationen, z.B. Klagehäufung, Versäumnisurteil, Erledigungserklärungen, Widerklagen und Aufrechnungen aufgezeigt. Das Positive an der Art der Darstellung ist, dass der Leser den Aufbau sehr schnell erfassen und sich einprägen kann. Gerade die Übersichtlichkeit und das Weglassen von nicht Wesentlichem ist sehr hilfreich. Wenn man innerhalb dieses Kapitels die klausurtaktischen Vorüberlegungen liest, wird man erstaunt sein, wie viele Hinweise man allein aus dem Aufgabentext der Klausur entnehmen kann. Bei manchen Klausurtypen ist es aufgrund dieser klausurtaktischen Vorüberlegungen möglich, das gewollte Ergebnis herauszuarbeiten, was gerade in der Prüfungssituation ein sehr beruhigendes Gefühl vermitteln kann. Am Ende dieses Kapitels werden die einzelnen Tenorierungen zum Haupttenor, dem Kostentenor und der vorläufigen Vollstreckbarkeit dargestellt. Für die unterschiedliche Tenorierung der Kostenentscheidungen und der vorläufigen Vollstreckbarkeit werden kleine Fälle gebildet anhand derer die Lösungen bis hin zum ausformulierten Tenor aufgezeigt werden.

Im nächsten Kapitel des Lehrbuches wird auf den Aufbau der Entscheidungsgründe eingegangen, wobei wieder zunächst das Grundsätzliche und anschließend auf die besonderen Fälle wie kumulative Klagenhäufung, Haupt- und Hilfsanträge, Aufrechnungen, Erledigungen und Widerklagen eingegangen wird. Auch hier ist es aufgrund der Darstellung möglich, sich in kurzer Zeit, die Kenntnisse anzueignen.
In dem darauffolgenden Abschnitt stellen die Autoren dar, wie die Entscheidungsgründe abzufassen sind. Dort wird insbesondere auf den Urteilsstil und die Beweisauswertung und ?würdigung eingegangen. Die "Acht goldenen Regeln für (einen) guten Urteilsstil" werden genannt und näher erläutert und helfen in der Klausur bei der Darstellung der Entscheidungsgründe. Im Rahmen der Darstellung der Beweisauswertung und Beweiswürdigung werden nicht nur einfach die Beweismittel benannt, sondern es werden die einzelnen Konstellationen durchgesprochen und aufgezeigt. Dies geschieht anhand von Beispielfällen mit Formulierungsvorschlägen. Durch die zahlreichen Formulierungsvorschläge wird zudem automatisch der Urteilsstil erlernt. Nach dem Durcharbeiten des Buches fällt das eigenständige Formulieren in der Klausur dann auch nicht mehr schwer.

In dem dann folgenden fast hundert Seiten umfassenden Kapitel werden Formulierungsvorschläge und Erläuterungen zu den relevantesten prozessualen Problemstellung aufgezeigt. Es wird hier umfassend, aber nicht ausschweifend, auf alle wichtigen Konstellationen eingegangen, die in der Examensklausur vorkommen können. Wer dieses Kapitel beherrscht (und dies ist nach der Lektüre des Buches nicht allzu schwierig), wird in der Klausur weder prozessuale Probleme übersehen noch unwissend sein, was er damit anfangen soll. Die einzelnen Konstellationen werden in der folgenden Reihenfolge dargestellt: Zunächst werden kurz die Grundlagen erklärt. Zum Beispiel, wann eine gewillkürte Prozessstandschaft vorliegt und wie sich diese von der gesetzlichen Prozessstandschaft unterscheidet. Dann folgt ein kurzer Fall z.B. im Bereich der gewillkürten Prozesstandschaft folgender Art: "Der Kläger macht einen Anspruch, den er vor Rechtshängigkeit an eine Bank zur Sicherheit abgetreten hat, mit deren Ermächtigung im eigenen Namen gegen den Beklagten geltend. Der Antrag lautet auf Zahlung an die Bank." Unter dem Punkt "Erörtern" finden sich dann die Sachen, die in der Klausur angesprochen werden müssen. Bezogen auf den Fall sind dies hier: "Prozessführungsbefugnis aufgrund gewillkürter Prozessstandschaft, Ermächtigung durch materiellen Rechtsinhaber, eigenes rechtliches Interesse, keine Benachteiligung des Beklagten erkennbar." Dann folgt ein Formulierungsvorschag, der hier wie folgt aussieht (Auszug): "Die Klage ist zulässig... Der Umstand, dass der Kläger den geltend gemachten Anspruch bereits vor Rechtshängigkeit an die Zessionarin abgetreten hat, berührt seine Prozessführungsbefugnis nicht. Er tritt in sog. gewillkürter Prozessstandschaft auf. Nach dieser von der Rechtsprechung in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung entwickelten Rechtsfigur kann der Kläger ausnahmsweise ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend machen, wenn ..." Zu den einzelnen Bereichen gibt es meist mehrere Fälle, so dass die gängigen Konstellationen abgedeckt werden. Bei einigen Fällen gibt es zudem noch einen Unterpunkt "Beachte". Dort sind vor allem Hinweise im Hinblick auf die Klausurtaktik enthalten, so z.B., dass das Auftreten in gesetzlicher Prozessstandschaft zulässig sein muss, weil sonst die Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste. Dass in einer Klausur die Zulässigkeit einer Klage grundsätzlich gegeben sein wird, folgt aus den im vorderen Teil des Buches dargestellten Klausurtaktiken.

Nach diesem Abschnitt folgt ein Kapitel über das Präsenzwissen zu häufig vorkommenden Klausurproblemen. Das Kapitel beruht auf der Frage, welchen Einfluss das betreffende Phänomen auf die einzelnen Teile der Entscheidung hat. Es wird dargelegt, ob sich im Rubrum, im Tenor, im Tatbestand, den Entscheidungsgründen oder dem Streitwertbeschluss etwas ändert. Angesprochen werden wieder alle wichtigen Konstellationen. Gerade diese Übersichten bieten die Möglichkeit zum schnellen Wiederholen der Stoffes. So wird zum Beispiel, jeweils mit dem Verweis auf die entsprechenden Randnummern zur vertieften Darstellung, bei der Widerklage kurz dargestellt, dass im Rubrum die Parteibezeichnung in Kläger und Widerbeklagter, Beklagter und Widerkläger anzupassen ist, im Tenor der Hauptsacheausspruch jeweils zur Klage und Widerklage zu erfolgen hat, aber eine einheitliche Kostenentscheidung erfolgt. Dann folgen die Besonderheiten für den Tatbestand und die Entscheidungsgründe. Abschließend wird kurz auf die Drittwiderklage eingegangen. Das Ganze wird auf ca. 1 ½ Seiten erörtert, so dass mit einem Blick klar ist, was bei einer Widerklage alles bei einer Klausur zu beachten ist. Mit diesem Wissen ausgestattet, kann in der Klausur eigentlich nichts vergessen werden und der Aufbau ist dann auch richtig.

Im vorletzten Abschnitt befindet sich eine Fehlerwarnung, in der kurz aufgezeigt wird, was man in der Klausur lieber nicht machen sollte. Im letzten Abschnitt widmen sich die Autoren der so genannten "Notfall-Lösung". Bei dieser handelt es sich um eine Methode, die geeignet ist, auch Klausuren zu bestehen, bei denen der Durchblick absolut fehlt. Es kann immer wieder vorkommen, dass man vor einer Klausur sitzt und absolut nicht weiß, was die Klausursteller von einem wollen. Genau für diesen Fall ist die "Notfall-Lösung" konzipiert. Wenn man dann alle Schritte, die im einzelnen vorgestellt werden, beim Schreiben der Klausur beherzigt und sich nicht aus der Fassung bringen lässt, ist zumindest gesichert, dass die Klausur punktemäßig nicht ganz unten aufschlägt.

Gesamteindruck:
Dieses Lehrbuch sollte für jeden Referendar zur Pflichtlektüre gehören. Es bietet Hilfestellungen, die jeder lernen kann, auch wenn er kein Fan des Zivilprozessrechts ist. Dabei ist es nicht nur für schwächere Kandidaten von Nutzen, sondern auch gute Klausuren werden durch die Beherrschung des dargestellten Stoffes erheblich aufgewertet.

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