Mit dem ausdrücklich erklärten Ziel, die sexuelle Selbstbestimmung umfassend zu schützen, hat der Gesetzgeber mit dem 33. Strafrechtsänderungsgesetz (StrÄndG) vom 1.7.1997 sowie kurz darauf durch das 6. Strafrechtsreformgesetz (StrRG) vom 26.1.1998 die §§ 177–179 StGB grundlegend neugestaltet. In Folge dieser Reformen wurde die Vergewaltigung mit der sexuellen Nötigung zu einem Tatbestand zusammengefasst. Dabei wurde der Vergewaltigungsbegriff erweitert und die Vergewaltigung – wie auch die gemeinschaftliche Begehungsweise – als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall der sexuellen Nötigung ausgestaltet. Als zusätzliches Tatmittel der sexuellen Nötigung bzw. der Vergewaltigung wurde neben Gewalt und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben das Ausnutzen einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, eingeführt. Ziel und Aufgabe dieser Arbeit ist es, eine am Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung orientierte Auslegung der bedeutendsten Reformpunkte aufzuzeigen, die den vom Gesetzgeber gesetzten Akzenten Rechnung trägt. Im Vordergrund stehen zunächst die Zusammenfassung der Tatbestände der sexuellen Nötigung (§ 178 StGB a.F.) und der Vergewaltigung (§ 177 StGB a.F.) zu einem Einheitstatbestand sowie die Probleme, die sich aus der Ausgestaltung der Vergewaltigung als Regelbeispiel ergeben. Dabei wird auch untersucht, ob die Umgestaltung der Vergewaltigung zu einem Regelbeispiel in rechtspolitischer und dogmatischer Hinsicht sinnvoll ist. Ein weiterer Schwerpunkt wird auf die neue Tatbestandsalternative des »Ausnutzens einer schutzlosen Lage« (§ 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB) gelegt, welche zur Schließung von Strafbarkeitslücken eingeführt wurde. Abschließend wird erörtert, wie das Ausnutzen einer hilflosen Lage gemäß § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB von dem Ausnutzen der Widerstandsunfähigkeit des Opfers abzugrenzen ist.
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