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"Warum Werbung für Rechtsanwälte nicht marktschreierisch sein sollte" (Kai-Uwe Löhde)
Warum Werbung für Rechtsanwälte nicht marktschreierisch sein sollte

(Betrachtungen aus kommunikationstheoretischer Perspektive)


"Exzessive Werbung, die nichts mehr mit Information zu tun hat, schadet der Anwaltschaft insgesamt. Anwälte laufen Gefahr, bestenfalls nicht mehr Ernst genommen zu werden, schlimmstenfalls wird ihr Ansehen nachhaltig beschädigt mit Auswirkungen auch auf diejenigen, die im Interesse des Berufsstandes ebenso wie des Bürgers die Grenzen des Vorgegebenen und letztlich auch des Anstandes und guten Gewissens wahren."

Zu Recht warnt Prof. Dr. Hans Jürgen Rabe in einem aktuellen Aufsatz im Anwaltsblatt vom Februar diesen Jahres mit dem Titel "Vom regulierten Prozessagenten zum selbstbestimmten Dienstleister" vor den Folgen einer vollständig unregulierten Werbung für Rechtsanwälte. Ein Blick über den Atlantik gibt ihm Recht. Seit Juli 2002 inszeniert die anwaltliche Organisation Florida Bar im gleichnamigen US-Staat eine beispiellose Kampagne zur Wiederherstellung des Images von Rechtsanwälten, welches in den Jahren zuvor wohl auch durch zu aggressive Werbung der US-Anwälte stark beschädigt worden war.

Doch nicht nur berufsethische Erwägungen oder berufsrechtliche Vorschriften sprechen gegen eine marktschreierische Werbung. Auch aus kommunikationstheoretischer Perspektive verbietet sich eine übertriebene Anpreisung der Dienstleistung einer Kanzlei. Im Folgenden möchten wir zeigen, warum dies so ist und auf welche Weise Kommunikation für rechtsberatende Berufe aus denkbar ist.

Rechtsberatung ist etwas Besonderes.

Rechtsberatung ist kein Produkt als solches. Es handelt sich um einen Sonderfall der Dienstleistung, der sich durch eine ganze Reihe von Kriterien von einem Produkt oder einer herkömmlichen Dienstleistung unterscheidet. Diese wichtigen Kriterien haben unmittelbaren Einfluss auf die Kommunikation.

1) Qualifikation Rechtsberatung setzt für Ihre Leistungserbringung ein besonderes, nicht jedem zugänglichesFachwissen voraus, welches einen Wissensvorsprung gegenüber dem Laien begründet.

2) Intangibilität Rechtsberatung kann vor ihrer Erbringung weder berührt, gesehen, geschmeckt oder gehört werden.

Qualifikation und Intangibilität bedingen ein außergewöhnliches Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandanten, wie es in gleicher Form vielleicht noch zwischen Arzt und Patient besteht. Kein Wunder, denn ebenso wie der Patient den Arzt aufgrund dessen fachlichen Wissensvorsprungs konsultiert, sucht der Mandant beim Rechtsanwalt professionelle Unterstützung in einem Fachbereich, indem er sich nicht ausreichend auskennt.

Gerade weil er aber die fachliche Leistung einer Kanzlei vor allem nicht ex ante beurteilen kann, richtet sich der potenzielle Mandant bei der Wahl einer Kanzlei neben rationalen auch nach emotionalen Kriterien. Er sucht in der Kommunikation der Kanzlei für ihn subjektiv nachvollziehbare Bewertungsmaßstäbe, mit deren Hilfe er eine Einstellung zu einem Anwalt oder einer Kanzlei entwickeln, begründen und sich idealerweise noch mit dem Anwalt oder der Kanzlei identifizieren kann.

Stellen Sie sich zwei Flaschen Mineralwasser vor. Die eine Flasche ist von handelsüblicher Form, aus durchsichtigem Glas mit einem weißen Etikett und gelber Aufschrift. Die andere ist außergewöhnlich gewölbt, aus blauem Glas mit einer silbrig anmutenden Banderole umfasst, auf der in geschwungener Schrift der Name prangt. Auf beiden Flaschen finden sich die üblichen Angaben zu Art und Menge der Mineralstoffe. Wenn Sie kein Lebensmittelchemiker sind, welches Mineralwasser würden Sie für qualitativ besser halten? Vermutlich das Wasser in der blauen Flasche. Da Sie sich nicht an den chemischen Bestandteilen und Zusätzen orientieren können, ziehen Sie andere, subjektiv nachvollziehbare Kriterien für eine Entscheidung hinzu. Und die liegen in diesem Fall in der "Gestaltung" der Flasche.

3) Untrennbarkeit Rechtsberatung ist untrennbar mit der Person (der Gruppe), die sie erbringt verbunden. Das bedeutet zum einen, dass die greifbare Identität der Person stellvertretend für die fehlende Identität der "nicht greifbaren" Dienstleistung steht. Damit rückt die Art und Weise der Erbringung in den Vordergrund der Kommunikation.

4) Vergänglichkeit Ist die Rechtsberatung als Dienstleistung erfolgreich erbracht, endet sie. Mit anderen Worten: Im Gegensatz zum Kauf eines Autos, welches man über Jahre hinweg immer nutzen kann, verfällt Rechtsberatung unmittelbar nach ihrer Vornahme. Für die Kommunikation bedeutet dies, gerade im Bereich der Projektarbeit oder Bestandsmandate intelligente Mandantenbeziehungsmarketing-Programme vorzuhalten.

Werbung ist nicht gleich Werbung.

Werbung für Sie als Anwalt oder für eine Rechtsanwaltskanzlei muss aus den genannten Gründen stets eine spürbare Evidenz von Seriosität und Vertrauen erzeugen. Mit welchen Mitteln Vertrauen im Rahmen der Kommunikation erweckt werden kann, beschrieb schon 1951 der Kommunikationswissenschaftler Hans Domizlaff in seinem Buch "Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens". Dieses empfehlenswerte Buch hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt und lässt sich vor allem auf den Bereich der professionellen Wissensdienstleistungen übertragen. Domizlaff unterscheidet zum Zwecke der Erläuterung zwischen dem Jahrmarktsverkäufer und dem Kaufherrn:

"Der Jahrmarktsverkäufer handelt praktisch nur einmalig. Er ist ein knallharter Verkäufer um jeden Preis. Er muss sofort wirken und verkaufen, denn am nächsten Tag mag er vielleicht an einem ganz anderen Ort sein. Es ist nicht einmal sehr wichtig, ob sich die Käufer später enttäuscht fühlen. Der Kaufherr suchtseine Kunden durch Gewinnungihres Vertrauens zu binden. Seine würdige Lebensweise, gemessen und befangen in einem ganz bestimmten Rahmen, seine unaufdringliche Art, die Vornehmheit seines Geschäftsgebarens, die Zuverlässigkeit seiner Empfehlungen und die suggestive Kraft einer selbstsicheren Persönlichkeit sind die wesentlichsten Mittel."

Nun verkauft sich aber auch die blaue Flasche aus unserem Beispiel nicht von alleine. Ganz ohne gesteuerte Kommunikation geht es nicht (Es sei denn, der Hersteller der blauen Flasche begnügt sich damit, dass seine Kunden eine Empfehlung für sein Wasser aussprechen, wenn sie denn einmal danach gefragt werden).

Die Antwort auf die Frage, wie diese gesteuerte Kommunikation des Kaufherrn beschaffen sein sollte, gibt uns ebenfalls Domizlaff: "An die Stelle der kurzfristig wirksamen Reklametechnik tritt die dauerwirksame Markentechnik." Nicht allein aus Angst vor der "begrifflichen Tretmine" sprechen wir von kommerzieller Kommunikation für Rechtsanwaltskanzleien und nicht von Werbung.

Die besondere Erkenntnis um das Thema Marke und Markentechnik haben einige der Marketingverantwortlichen in den großen Wirtschaftskanzleien verstanden. Sie wünschen sich ihre Kanzlei als starke Dienstleistungsmarke. Kein Wunder, denn eine starke Kanzleimarke kann langfristig nicht nur der Akquisition neuer und Sicherung bestehender Mandate dienlich sein. Auch für die Rekrutierung qualifizierten und vor allem zur Kanzleikultur passenden Nachwuchses sowie zur Vermeidung von Mandatsverlusten durch den Weggang einzelner Partner oder ganzer Teams ist eine starke Kanzleimarke hilfreich.

Kommerzielle Kommunikation ist indes keineswegs den erwähnten Law Firms vorbehalten. Sie findet nämlich nicht nur in teuren Broschüren, Anzeigen oder auf Internetseiten statt. Die Ursache dafür liegt in dem bekannten Axiom "Man kann nicht nicht kommunizieren" des renommierten Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick. Selbst wenn ich nicht kommuniziere, kommuniziere ich, dass ich nicht kommuniziere. Alles, was Sie als Einzelanwalt oder örtliche Sozietät unternehmen, jede Ihrer Handlungen oder Nichthandlungen, kommuniziert. Über Kanzleiräumlichkeiten, Aussehen, Sprache, Kleidung, Empfang und vieles mehr kommunizieren Sie gewollt oder ungewollt mit Ihren (potenziellen) Mandaten.

Es gilt, die Kanzlei zu einer starken, seriösen und vertrauensvollen Dienstleistungsmarke zu machen, die fest in den Köpfen der (potenziellen) Mandanten verankert ist, an der sich die Mandanten orientieren, mit der sie sich identifizieren und mit der sich die Kanzlei positiv zum Wettbewerb abgrenzt. Mit den Mitteln des Marktschreiers hat das noch nie funktioniert. Einer weiteren Lockerung oder gar einem Wegfall der Berufsordnung folgten in diesen Fällen schnell die ungleich härteren Gesetze des Marktes.

Autor: Dipl.-Verw.wiss. Kai-Uwe Löhde
Geschäftsführer der legalcom (Werbeagentur für kommerzielle Kanzleikommunikation), www.legalcom.de.

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