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"Das unentdeckte Land" – Rechtsfragen der erneuerbaren Energien am Beispiel der Windenergie (Michael Scheller)
Michael Scheller
Student der Rechtswissenschaften an der Universität Bremen

"Das unentdeckte Land"
Rechtsfragen der erneuerbaren Energien am Beispiel der Windenergie


I. Einleitung

Wer mit dem Studium der Rechtswissenschaften beginnt, erfährt schnell, dass das BGB über hundert Jahre alt ist, und muss Grundsatzentscheidungen lesen, die lange vor seiner Geburt geschrieben wurden. Doch irgendwann bemerkt man, dass das Recht nicht statisch, sondern immer in Bewegung ist. So gibt es zur Zeit viele Studenten, die zu Beginn ihres Studiums noch etwas über das AGB-Gesetz und die positive Vertragsverletzung gelernt haben und noch vor ihrem Examen aufgrund der Schuldrechtsmodernisierung mit einer komplett neuen Normengrundlage konfrontiert werden.

Aber auch in einem Land wie Deutschland, in dem angeblich für alles ein Gesetz besteht, gibt es nicht nur alte Rechtsgebiete, die weiterentwickelt werden, es gibt auch Bereiche, die rechtlich kaum erschlossen sind. Zu diesen Bereichen gehören auch die erneuerbaren Energien, was vorliegend speziell am Beispiel der Windenergie aufgezeigt werden soll.

II. "Die bewegliche Windenergieanlage"

Ein großes Problem ergibt sich bereits bezüglich der Windenergieanlage selbst. Gerade wegen der rechtlichen Folgen stellt sich die Frage, ob eine solche Windenergieanlage ein Bauwerk oder eine bewegliche Sache ist.

Regelmäßig handelt es sich um Standardmodelle, die in vorgefertigten Einzelteilen angeliefert und vor Ort zusammengebaut werden. Ursprünglich handelte es sich also um bewegliche Teile. Bei einer Höhe von circa 90 Metern ist es aber logisch, dass jede Windenergieanlage fest mit dem Boden verbunden sein muss. Es könnte sich also um ein Bauwerk handeln.

Andererseits kann eine solche Anlage theoretisch auch wieder in ihre Einzelteile zerlegt und abtransportiert werden. Wenn sie also nur vorübergehend mit dem Boden verbunden ist, könnte die Windenergieanlage noch als beweglich gelten. "Beweglich" setzt schließlich nicht voraus, dass die Sache problemlos bewegt werden kann. Beweglich ist eine Sache auch dann noch, wenn sie nur mit besonderem Aufwand bewegt werden kann. Es wäre also ebenfalls denkbar, dass die Windenergieanlage noch als beweglich gilt, selbst wenn sie hierbei sicher einen extrem Grenzfall darstellen würde.

Schließlich könnte aber auch ein aus Fertigteilen errichtetes Haus vielleicht wieder in seine Einzelteile zerlegt werden. Trotzdem würde das fertige Haus wohl als Bauwerk gelten. In den meisten Verträgen der Windenergiebranche wird heute wohl davon ausgegangen, dass es sich nicht um ein Bauwerk handelt. Dies hat schon im Hinblick auf den Unterschied bei den Verjährungsfristen von Gewährleistungsansprüchen erhebliche Bedeutung. Selbst wenn bei Verträgen regelmäßig auf beiden Seiten Unternehmer als Partei auftreten, müsste bei Formularverträgen eine Verjährungsregelung an § 307 BGB gemessen werden, was bei einem Bauwerk zu deutlich anderen Ergebnissen führen dürfte, als bei einer beweglichen Sache. Dass eine Windenergieanlage öffentlich-rechtlich ein Bauwerk ist, für das eine Baugenehmigung notwendig ist, wird von keiner Seite bestritten. Dass die Windenergieanlagen vertragsrechtlich trotzdem nicht wie Bauwerke behandelt werden, könnte daran liegen, dass die Verträge meist von den Herstellern bzw. Lieferanten entworfen werden. Diese haben selbstverständlich ein natürliches Interesse daran, die Verjährungsfrist stark verkürzen zu können.

Dieses Problem der Verjährungsfristen der Gewährleistungsansprüche spielt nicht nur einmalig beim Erwerb der Anlage eine Rolle, sondern auch für die notwendigen Wartungs- und Reparaturverträge.

Das der allgemeine Begriff "Erwerb" gewählt wurde, ist kein Zufall, denn schon dieses Ausgangsgeschäft muss rechtlich erst noch genau eingeordnet werden. Bei einer beweglichen Sache würde entweder unmittelbar oder mittelbar über den § 651 BGB Kaufrecht Anwendung finden. Bei einem Bauwerk würde es sich um einen (Bau-)Werkvertrag handeln. Auch hier wird konsequenterweise bisher meist Kaufrecht angewendet. Dies führt zur Nichtanwendung von einschlägigen Normen des Werkvertragsrechts (vgl. u.a. §§ 648, 648 a BGB) und zusätzlicher Rechtsquellen außerhalb des BGB (vgl. die VOB/B).

Die ursprünglich also unscheinbar anmutende Frage, ob es sich bei einer Windenergieanlage um ein Bauwerk oder eine bewegliche Sache handelt, führt zu unzähligen Folgeproblemen.

III. "Ein Rechtsgebiet in den Kinderschuhen"

Die Windenergie ist ähnlich wie z.B. die Solarenergie eine Technologie, die noch nicht lange wirtschaftlich effektiv nutzbar und allgemein zugänglich ist. Daraus resultiert zum einen, dass Grundsatzfragen, wie sie oben angesprochen wurden, noch nicht endgültig geklärt sind, zum anderen aber auch, dass die bestehenden Rahmengesetze sehr "jung" sind.

Das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) trifft für die Branche entscheidende Grundsatzregelungen. Vor allem der Abnahmezwang, der die Stromnetzbetreiber verpflichtet, den "Ökostrom" zu festgelegten Mindestpreisen abzunehmen, muss erwähnt werden. Letztlich hat der Gesetzgeber aber keine Entscheidung getroffen, inwiefern diese Mindestvergütung indirekt umgangen werden kann. Stromnetzbetreiber verlangen regelmäßig, dass der eingespeiste Strom vorgegebene Leistungsparameter einhält. Werden diese über- oder unterschritten, berechnet der Netzbetreiber zuweilen so genannte Blindarbeit mit der Vergütung des Anlagenbetreibers. Bei natürlichen Energiequellen lässt sich eine konstante, immer im vorgegebenen Rahmen liegende Leistung nur schwer verwirklichen. Trotzdem werden die beschriebenen Mehrkosten verrechnet und die tatsächliche Vergütung liegt unter dem gemäß EEG vorgeschriebenen Mindestsatz. Dass der Gesetzgeber hier keine eindeutige Regelung getroffen hat, führt dazu, dass die Zulässigkeit der Verrechnung von so genannter Blindarbeit jetzt vom Bundesgerichtshof überprüft werden muss. Die vorinstanzlichen Urteile lassen aber vermuten, dass die indirekte Umgehung der Mindestvergütung für unzulässig erklärt werden wird.

Es bleibt aber abzuwarten, welche Rechtsfragen sich in Zukunft noch ergeben werden.

IV. "Wirtschaft im Wandel"

Letztlich resultieren viele praktische Probleme gar nicht unmittelbar aus rechtlichen Gründen, sondern vielmehr aus der Struktur des Wirtschaftszweiges. Die Windenergie und damit auch der Markt machen eine extreme Weiterentwicklung durch. Dadurch können aus kleinen Betrieben innerhalb weniger Jahre große, expandierende Unternehmen werden. Andererseits kann aber auch eine kleine Schwankung im Markt schnell zur Insolvenz führen, weil die Unternehmen mit hohem Risiko arbeiten müssen.

Oft sind an einem Windpark mehrere verschiedene Unternehmen in irgendeiner Form beteiligt. Meist ist das Unternehmen, das die einzelnen Windenergieanlagen nachher errichtet, eine anderes, als jenes, welches den Windpark geplant hat, es bezieht Hauptkomponenten der Anlage von einem dritten Unternehmen und Betreiben soll den Park ein viertes Unternehmen. Diese Konzeption ist absolut üblich und spiegelt bei weitem nicht die komplizierteste denkbare Möglichkeit wieder.

Durch die ständigen Veränderungen und die erforderliche Flexibilität bleibt die juristische Absicherung oft unzureichend. Viele Absprachen und Geschäfte laufen auf Vertrauensbasis und sind mündlich. Für mögliche Haftungsprozesse birgt dies erhebliche Beweisprobleme. Gleichzeitig fordert die Expansion, dass ein Unternehmen, das bisher einen Standardvertrag verwendet hat, plötzlich mehrere verschiedene Vertragsmuster benötigt, um sich der variierenden Marktlage anzupassen. Standardverträge, die sich kaum unterscheiden, wie man sie z.B. im Mietrecht überall vorfindet, gibt es hier noch nicht.

Man kann vielleicht sagen, dass es der Windenergiebranche noch an Ruhe, Konstanz und Routine fehlt, welche in "älteren" Wirtschaftszweigen und Unternehmen eher bestehen.

V. Fazit

Es ist nicht möglich im Rahmen eines so kurzen Betrags, alle Probleme oder Entwicklungen des Windenergierechts umfassend vorzustellen. Dies war auch nicht die Zielsetzung des Autors. Vielmehr sollte der interessierte Leser für neue Rechtsgebiete und offene Rechtsfragen sensibilisiert werden. Sollte auch nur ein Leser dieses Artikels beim nächsten Anblick einer Windenergieanlage tatsächlich darüber nachdenken, ob es sich um ein Bauwerk handelt oder nicht, dann hat der Autor sein Ziel erreicht.

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