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"Das Reiserecht nach Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung - neue Chancen für die Touristik!" von Prof. Dr. Ernst Führich
Den folgenden Aufsatz hat uns freundlicherweise Herr Prof. Dr. Ernst Führich zur Verfügung gestellt. Er ist in der im Luchterhand-Verlag erscheinenden Zeitschrift "ReiseRecht aktuell" (RRA) in Heft 11/01 erschienen.


Das Reiserecht nach Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung - neue Chancen für die Touristik!

von Prof. Dr. Ernst Führich, Kempten

1. Fluch oder Segen für den Mittelstand

Nach einer Studie der Branchenzeitschrift "werben & verkaufen" befürworteten 2/3 der mittelständischen Einzelhändler die Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung.1) Je größer das Unternehmen bei der Befragung war, desto eher wurde es begrüßt, dass damit die Insellage Deutschlands in der EU im Rabattwesen der Vergangenheit angehört. Nach dem in anderen Mitgliedsstaaten der EU keine vergleichbaren Gesetze existieren und auch Österreich 1992 das Rabattverbot aufgehoben hat, wurden im Juli 2001 - nach fast 70 Jahren - diese beiden Wettbewerbsgesetze ersatzlos abgeschafft und damit auch die bisherigen Beschränkungen bei Preisnachlässen und Werbegeschenken.2) Durch die Streichung der Regelungen verfolgt der Gesetzgeber vier Ziele: Primär sollen vor allem für deutsche Internet-Händler Wettbewerbsnachteile im elektronischen Geschäftsverkehr in Europa verhindert werden, da die e-commerce-Richtlinie3) das Herkunftsland-Prinzip vorsieht. Ausländische Anbieter unterliegen danach nur den eigenen Wettbewerbsregeln, während ihre deutschen Konkurrenten dem Rabattgesetz unterliegen würden. Die Abschaffung soll damit einer Inländerdiskriminierung vorbeugen.4) Zum Zweiten soll mit der Abschaffung das deutsche Wettbewerbsgesetz modernisiert werden, da "der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher weiß, dass Kaufleute nichts zu verschenken haben und die Kosten für wertvolle Nebenleistungen durch den Preis der Hauptleistung abdecken".5) Drittens holt das Gesetz die Rechtswirklichkeit ein, da beide Gesetze von weiten Teilen des Handels bereits unterlaufen wurden.6) Wirtschaftspolitisch will der Gesetzgeber schließlich Innovationen im Bereich des Produktvertriebs wie durch Kundenbindungsstrategien ermöglichen.

Doch wird der Wegfall des Rabattgesetzes ein Fluch oder Segen für den Mittelstand sein? Ist dies tatsächlich der erhoffte Befreiungsschlag für den überregulierten Wettbewerb in Deutschland? Der Mittelstand und seine Verbände befürchten aber einen erbarmungslosen Verdrängungswettbewerb. Die Angst sitzt daher auch im Nacken der Touristik, die noch in weiten Branchen meist mittelständisch organisiert ist. Führt die Abschaffung des Rabattgesetzes zu einer Konzentration der Märkte? Fast 60 % der Befragten Unternehmer halten diese Auffassung für sehr oder für wahrscheinlich.7) Fast 40% sind der Auffassung, dass es wahrscheinlich zu einem Preis-Dumping in den Branchen kommen wird.

Aber auch die Verbraucherseite hat berechtigte Befürchtungen. Es besteht die Sorge, die Preistransparenz werde sinken und der Kunde sei nun gehindert, die Produkte und ihre Preise zu vergleichen.8)

Erste Erfahrungen haben gezeigt, dass das große Feilschen bei der Buchung von Reisen ausgeblieben ist. Wir werden in Deutschland keine Zustände wie in einem orientalischen Basar bekommen. Dagegen spricht schon die Mentalität der Bevölkerung. Aber ein Blick nach Großbritannien, Österreich und in die USA zeigt uns einen Rabatt-Dschungel beim Verkauf und einen Meilenrausch bei den "Vielflieger-Programmen." Der Kampf um Prozente und Prämien durch den Kunden wird also zunehmen und die Touristik muss sich auf die veränderten Wettbewerbsbedingungen einstellen.

2. Wettbewerbsgesetze gelten weiter

Die Dämme werden nicht brechen! Zwar wurden das Rabattgesetz und die Zugabeverordnung aufgehoben. In Kraft dagegen bleiben

  • das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das in §§ 1, 3 UWG die sittenwidrige und irreführende Werbung zum Schutz des Konkurrenten und des Verbrauchers verbietet, in §§ 7, 8 UWG Sonderveranstaltungen reguliert, sowie in § 6 b UWG eine Irreführung des Verbrauchers mit Kaufscheinen und Karten verhindern will,
  • die Preisangabenverordnung (PrAngV) zur Preisklarheit und Preiswahrheit
  • und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), das den Mittelstand vor dem missbräuchlichen Einsatz von Rabatten marktstarker Unternehmen schützt.
Diese Wettbewerbsgesetze werden dafür sorgen, dass der Wettbewerb in der Touristik nicht über Hand nimmt und die Prospekte wahr und klar bleiben9), keine Dumpingpreise und Lockvogelangebote10) gemacht werden, nicht mit einer Allein- oder Spitzenstellung11) geworben wird, kein übertriebenes Anlocken im Sinne eines Kundenfangs nach § 1 UWG erfolgt oder Preisabsprachen getroffen werden. Es hieße jedoch, den Willen des Gesetzgebers zur Liberalisierung missachten, wenn die bisherige Rechtsprechung bezüglich der Zugaben und Rabatte zu §§ 1 ff. UWG in ihrer ganzen Schärfe in Zukunft übernommen würde.12)

Durch den Wegfall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung wird das bisherige Regel / Ausnahme-Verhältnis umgekehrt. Nach altem Recht waren Rabatte und Zugaben grundsätzlich verboten und nur ausnahmsweise erlaubt. Nach der neuen Rechtslage werden Zugaben und Rabatte grundsätzlich erlaubt sein. Was bisher verboten war, wird also künftig erlaubt sein, wobei Ausnahmen bestehen bleiben. Die Rechtslage wird somit nicht einfacher und die Zahl der Wettbewerbsstreitigkeiten mit Abmahnungen und Gerichtsverfahren wird nicht abnehmen. Hinzu kommt, dass die weiter geltenden Vorschriften des UWG sehr allgemein gehalten und weniger fallbezogen sind als die aufgehobenen Bestimmungen des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung.

3. Erfahrungen aus dem Ausland

Ein Blick über die Grenzen und ein internationaler Vergleich, kann zeigen wohin die Rabattreise geht. Hierbei muss vorweg betont werden, dass bei einem Ländervergleich unterschiedliche Mentalitäten berücksichtigt werden müssen. Im deutschen Sprachraum war man es bisher nicht gewohnt, Preise auszuhandeln. Der ausgeschriebene Preis bei Geschäften des täglichen Lebens wurde meistens akzeptiert. Eine Ausnahme stellten bisher schon Luxuskäufe wie der Autokauf dar. Bei dem Rechtsvergleich sollen nur zwei Länder berücksichtigt werden: Österreich, wegen der gleichen Mentalität und der Tatsache, dass dort das Rabattgesetz schon 1992 aufgehoben wurde, und die USA als Beispiel für einen vollkommen deregulierten Markt.

a. Österreich

Seit der Abschaffung des Rabattverbotes haben sich in Österreich zum einen Bonuspunktsysteme etabliert, bei denen der Kunde Aufkleber erhält oder sein Bonusheft gestempelt wird. Bei vollständigem Bonusheft erhält der treue Kunde Sachgeschenke, Reisen oder nimmt an einem Gewinnspiel teil.

Daneben haben sich Kundenclubs entwickelt, die dem Reisenden eine Reihe von Vorteilen bieten. Ein Branchen übergreifendes System hat sich noch nicht etablieren können. So verwendet der Kundenclub der Merkur Warenhandel AG eine Bankkarte, über welche die Kundendaten verschlüsselt werden. Der Kunde hat keine Verpflichtungen, sondern nur Vorteile wie 20 % Rabatt auf bestimmte wechselnde Markenartikel, umsatzabhängige Bonuspunkte, die gegen Zuzahlung für ausgewählte Produkte eingetauscht werden können, Abbuchung der Käufe am 5. des Folgemonats oder eine Geburtstagsüberraschung. Insgesamt ist festzustellen, dass der treue Kunde im Vordergrund steht und nicht eine Förderung einer Schnäppchenjäger-Mentalität. Jedoch ist ein stärkeres Feilschen um den Reisepreis zu beobachten. So warnte der Präsident des Österreichischen Reisebüroverbands, Günter Arlow, auf dem DRV-Mittelstandtag in Wien im Juli dieses Jahres vor dem Vertrieb von Reisen mit reinen Preisrabatten. Reisevermittler stünden dort fast am Ruin, wenn sie bis zu 5% Provision an Privatkunden oder als Kickback an Geschäftskunden weitergeben.

b. USA

Kurz gesagt: In den USA ist alles möglich! Seit je her weit verbreitet ist dort die Couponwerbung, mit denen man Produkte oder Leistungen entweder günstiger oder als "two for one"-Angebot bekommt. Nach amtlichen US-Statistiken betrug der Couponanteil im Jahre 1998 rund 280 Milliarden Stück. Kunden hätten danach rund 3,6 Mrd. US-$ gespart. Als zweiter großer Trend lassen sich die Frequent Shopper- oder Frequent Traveller Programme erkennen. Vorrangiges Ziel ist die Generierung von Kundendaten und dessen Einkaufsverhalten. Zwar lassen sich damit individuelle Anbieteraktionen zuschneiden, doch es ist auch eine Gegenbewegung der "No cards shopper" erkennbar. Diese Personen wollen, die Produkte zum gleichen Preis erhalten wie ein Kunde mit Karte. Viele Unternehmen erkennen bereits dieses Unbehagen und haben bereits eine neue Philosophie entwickelt, dass Kunden zu Freunden werden sollen. Man erkennt, dass auch der Reisende seine Privatsphäre aufgibt, um Geld zu sparen, er aber nicht bereit ist damit Loyalität zu beweisen. Deswegen wurde die Idee entwickelt, eine "Community" zu schaffen, in der Informationen und Tipps weitergegeben werden, aber gleichzeitig die Privatsphäre des Kunden unangetastet bleiben soll.

4. Jetzt erlaubt in der Touristik

a. Neue Rabatte

Wie bisher darf ein Barzahlungsrabatt gewährt werden, wobei nun die maximale Höhe von 3 % der Vergangenheit angehört. Auch der Mengenrabatt wie ein Freiplatz bei Gruppenreisen kann erweitert werden, weil die bisherige Einschränkung auf einen handelsüblichen Umfang13) von 15 bis 20 Reiseteilnehmern entfällt. Auch der Sonderrabatt für Großabnehmer und Mitarbeiter kann erweitert werden, ebenso der Treuerabatt mit Gutscheinen. Auch können nun die Rabatte erst zu einem späteren Zeitpunkt eingelöst werden.

b. Höhe des Preisnachlasses

Der Preisnachlass ist zwar nicht mehr durch 3 % beschränkt, darf aber nicht zum sittenwidrigen Kundenfang nach § 1 UWG ausufern. Systematisches, lang andauerndes Preisdumping kann also weiterhin vom Konkurrenten abgemahnt werden. Abgesehen davon, ist es sicher möglich durch eine aggressive Preispolitik den Absatz von Reisen zu steigern. Dies kann aber zu katastrophalen Auswirkungen für die Marke führen. Preisbestimmte Marken sind auch in der Touristik austauschbar und machen die früheren Investitionen in die Marke zunichte.

Letztlich muss auch eine wichtige Erkenntnis der Forschung im Marketing berücksichtigt werden. Wenn ein Touristikunternehmen 3 bis 5 % Preisnachlass gewährt, muss das Unternehmen ungefähr 20 % mehr Umsatz machen, um den Verlust auszugleichen, da die laufenden Kosten für Personal, Werbung, Geschäftsraum und Busse weiter berücksichtigt werden müssen. Bei der Höhe des Preisnachlasses kann es somit keinen großen Spielraum geben, da die Gewinnmargen in der Touristik zu gering sind.

c. Erweiterte Angebotsdifferenzierungen

Schon nach der alten Rechtslage war es zulässig, die gleiche Reise zu gespaltenen Preisen anzubieten, wenn das Unternehmen den Preis in nicht diskriminierender Weise allen Verbrauchern gewährt und der Preis damit ein echter Normalpreis ist.14) Die Rechtsprechung akzeptierte jedoch bisher nur so genannte sachbezogene Angebotsdifferenzierungen wie

  • zeitlich mit Saison, Wochenende oder Spezialtermin,
  • nach der Buchung mit Frühbucher-, Last-minute-, Einführungsangeboten,15)&symbol;. volumenabhängig mit Firmengeschäft, Gruppen,
  • nach Vertriebswegen wie Reservierungssysteme im Onlinebereich.
Dies ist nach wie vor möglich. Neu ist nun eine Preisdifferenzierung bei Personen. Damit bestehen nun keine Bedenken mehr gegen einen Seniorenrabatt16) ab 55 Jahren bei Busreisen oder Studenten- und Jugendpreise. Damit kann nun auch nach bestimmten Verbraucherkreisen preislich differenziert werden. Da das Verbot der gleichzeitigen Gewährung von Rabatten in § 10 RabattG ebenfalls weggefallen ist, können in Zukunft mehrere Rabattarten mit einander kombiniert werden.

d. Bisher schon zulässige Zugaben

Die Zugabeverordnung begrenzte kostenlose Geschenke bei der Buchung auf nahezu wertlose Kleinigkeiten. Hierbei setzte eine Zugabe eine Abhängigkeit der unentgeltlichen Nebenleistung vom entgeltlichen Bezug einer Hauptleistung voraus. Daher waren teuere Werbegeschenke ohne einen konkreten Vertragsschluss bisher schon gestattet, wobei künftig das Wertverhältnis zwischen Werbegeschenk und angebotener Dienstleistung höher als früher angenommen werden kann. Erlaubt waren aber auch Reklamegegenstände von geringem Wert, die eine dauerhafte und sichtbare Kennzeichnung der reklametreibenden Firma trugen oder Kugelschreiber, Luftballons, Stofftaschen im Reisebüro. Als Zugaben galten auch Kleinigkeiten, deren Wert unter einer Mark lag. Handelsübliche Zubehörteile oder Nebenleistungen wie kostenlose Beförderung oder Fahrkostenerstattung ohne einen Kaufzwang, ein kostenloser Parkplatz während der Reise oder Kundenzeitschriften waren ebenso bisher schon zulässig, nicht aber ein kostenloser Zubringerdienst von der Wohnung zum Flughafen oder im Restaurant die Angebote "one for two."17)

e. Neue Zugabemöglichkeiten

Fast alle Zugaben bei einer Reisebuchung sind nun gestattet. Bedenkenlos können daher heute "One-for-two"-Gutscheine ausgegeben werden, nach denen von zwei Essen im Restaurant nur das teure zu zahlen ist.

Auch ein Gratisgetränk bei einer Mahlzeit ist nun gestattet. Allerdings sollte eine Faustregel beachtet werden: der Wert der Zugabe sollte höchstens ein Drittel des Wertes der Hauptware oder Hauptleistung sein. Ansonsten könnte ein übertriebenes Anlocken im Sinne einer sittenwidrigen Wettbewerbshandlung nach § 1 UWG vorliegen.

Da mit der Zugabeverordnung auch deren Vorschrift § 1 Abs. 3 aufgehoben wurde, kann in Zukunft die Zugabe auch als unentgeltlich, Gratis, Geschenk oder kostenlos bezeichnet werden. Ebenso zulässig ist es, die Zugabe von einer Verlosung oder von einem anderen Zufall abhängig zu machen.18)

Erlaubt ist auch Fahrt- und Parkkosten zu erstatten oder kostenfrei anzubieten, wenn der Kunde eine Reise bucht19) oder die Zugabe von wertvollen Reisen durch Hersteller an Händler.20) Auch die Gutschein- oder Couponwerbung wird einen Aufschwung erleben genauso wie das Treuepunkte- und Sammelpass-System, bei dem der Kunde Bonuspunkte in Heften oder Karten erhält.21)

Im Rahmen der Werbung mit Gewinnreisen sind weiterhin §§ 1, 3 UWG zu beachten. So handelt der Anbieter unlauter, wenn er im Rahmen eines Gewinnspiels einen kostenlosen Hotelaufenthalt ankündigt, wenn er Gewinnern, welche die Anreise selber organisieren und nicht auf die angebotene Flugvermittlung zurückgreifen, den ausgelobten Hotelaufenthalt nicht gewährt.22) Nach § 661 a BGB, welcher für Sachverhalte, die nach dem 29. 6. 2000 entstanden sind gilt, hat der Unternehmer Gewinnzusagen an den Verbraucher auch zu leisten.

Ganz bedeutend wird die Entwicklung von Kundenbindungsprogrammen sein. Diese Kundenclubs wie "Miles&More" von Fluggesellschaften oder Kreditkartenorganisationen sind nun grundsätzlich erlaubt.23) Dabei ist es unwesentlich, ob die Zugabe vom Vertragspartner oder von einem Dritten kommt. Es darf lediglich keine Irreführung über die Höhe der Vergünstigung und damit der Zugabe entstehen. Die Vorzugsstellung des Kunden muss eindeutig definiert und konkretisiert werden.24) Eine solche Irreführung lag vor, wenn der Kreditkartenkunde mit der Zahlung durch die Karte je 10 DM eine Meile gutgeschrieben bekam, jedoch in keiner Weise feststand, welche Zahl von Meilen in welche Flüge und welche Übernachtungen umgewandelt werden konnten.25)

Bedenken bestehen allenfalls nach §§ 19, 20 GWB, wenn der Anbieter eine marktbeherrschende Stellung hat. Gerade nach § 20 Abs. 4 GWB werden kleine und mittlere Unternehmen vor unbilligen Behinderungen durch relativ marktstarke Unternehmen geschützt.

5. Neue Chancen und Strategien in der Touristik

Der Fall des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung bietet für die Touristik neue Chancen. Hier gilt es neue Strategien zu entwickeln. Zwei Modelle werden die künftige Diskussion beherrschen: Die Preisnachlässe und die Reiseclub-Karte.

a. Preisnachlässe

Viele Reisen werden über den Preis verkauft. Das Gefeilsche wird daher in Reisebüros zunehmen, obwohl erste Erfahrungen zeigen, dass im Sommer 2001 nicht der Auftakt zum großen Feilschen war. Mehr als 5 % Nachlass sind bei den derzeitigen Provisionen nicht möglich, sonst würde bald ein ruinöser Wettbewerb wie in Österreich auch in Deutschland Schule machen. Zudem sind die Preise meistens seriös kalkuliert, so dass auch wenig Spielraum zum Handeln besteht. Zudem kann der Unternehmer nicht jedem Angestellten am Counter im Reisebüro die Vollmacht zur Festsetzung der Preise für die Reise geben.

Letztlich ist auch zu betonen, dass der Vertrieb über eine Agentur eine Handelsvertretung ist. Rabatte sind ein Verstoß gegen den Agenturvertrag, wenn der Handelsherr einen Preisnachlass untersagt. Wer trotzdem als Vermittler Teile seiner Provision an die Kunden abgibt, hat auch schlechte Karten in den Entlohnungsverhandlungen mit den Anbietern wie den Reiseveranstaltern.

Auch die Provisionsabgabemodelle im Firmengeschäft sind keiner weiteren Öffnung zugänglich. Die Firmenbeteiligung ist entweder transaktionsorientiert oder auf der Basis einer kostenbezogenen Management- oder Service-Fee vereinbart. Alle Modelle haben es gemeinsam, dass der Vermittler seine Agenturprovision teilweise oder ganz an Firmenkunden weiterreicht und im Gegenzug seine Transaktions-Fee oder Management-Fee abrechnet. Bei den derzeitigen Provisionen ist auch für zusätzliche Bündel von Serviceleistungen wie helpdesk oder 24-Stunden-Service wenig Spielraum.

b. Mehrwertstrategie der Reise-Clubkarte

Mit der Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung wird die Wechselbereitschaft des Urlaubers wachsen und seine Schnäppchenjagd zunehmen. Als Gegenstrategie entwickelte sich im Marketing das Instrument der Kundenbindung. Die Kundenkarte ermöglicht es, dem Reisenden einen "Mehrwert" zu geben. Ein Konzept, das sich auch auszahlt, haben doch Untersuchungen an der Fachhochschule Kempten ergeben, dass es viel teurer ist, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen Stammkunden zu halten. Auch haben unsere Untersuchungen gezeigt, dass Stammkunden nicht nur häufiger buchen, sondern sie machen auch kostenlos Mundpropaganda und sind somit ein hervorragendes Werbemedium.

Die Kundenbindungssysteme haben die große Chance, dass weitere strategische und imageträchtige Partner sich einer solchen Kooperation anschließen. Natürliche Partner in der Touristik kommen dabei aus den Bereichen der Mobilität, der Freizeit, des Lifestyles, der Finanzen, der Telekommunikation, der Banken der renommierten Autohersteller. Aber auch die Zahl der Partner ist entscheidend. Je mehr Partner gewonnen werden, desto mehr Prämienvielfalt kann dem Kunden geboten werden.

Die derzeit beliebteste Bindungsstrategie sind Kundenkarten. Die Payback-Karte der Münchner Stadtwerke mit 28 Unternehmen wie Real, Kaufhof, DEA, FTI, dm-Drogeriemarkt oder Palmers ist ein bekanntes Beispiel mit über zehn Millionen Karten. Durch die Abschaffung des Rabattgesetzes sind nun bei dieser Karte Sonderrabatte bis zu 20 % nicht nur auf ausgewählte Markenartikel, sondern auch auf bestimmte Reisen zulässig.

Das Unternehmen Karstadt gibt noch eine eigene Karte heraus und arbeitet noch nicht branchenübergreifend. Daher stellt sich auch für die Touristik die Frage: Eigene oder branchenübergreifende Karte? Ein Reiseveranstalter könnte sich daher an ein erfolgreiches Kundenbindungsprogramm anschließen wie Payback oder das Miles-&-More-Programm, welche jährlich mit 20 bis 25 % wachsen.

Wichtig erscheint, dass die eigene oder die fremde Karte mit vielen Funktionen ausgestattet wird. Die gewünschte Kundenbindung konnte vor der Reform des Rabattwesens nicht über Rabatte und Zugaben aufgebaut werden. Karteninhaber könnten aber jetzt damit nicht nur Reisen buchen, sondern auch folgende "Mehrwerte" genießen:

  • Barkredite aufnehmen,
  • Bonuspunkte erwerben für Preisvorteile oder Prämien,
  • günstiger einkaufen,
  • kostenfrei während der Busreise parken,
  • keine Transferkosten haben,
  • billigere Versicherungen abschließen,
  • kostenfreie Besichtigungen und Museumsbesuche machen,
  • 50 % Rabatt auf Zusatzausflüge in Anspruch nehmen,
  • eine Reisegepäckversicherung mit 3000 DM haben,
  • Möglichkeit der kostenlosen Umbuchung bis 2 Wochen vor Reiseantritt,
  • Freigetränke im Bus,
  • Partnervereinbarung mit Hotels und Restaurants für Ermäßigungen,
  • Gratisobstkorb, Sektempfang und Cross-Marketing-Veranstaltungen,
  • Erstaussendung der Kataloge an Club-Mitglieder,
  • Grußkarten zum Geburtstag,
  • Weihnachtsfeier, Sommerparty,
  • Spezialreisen zur Abholung eines neuen Reisebusses.
Die Kundenkarte kann damit das Dach aller Werbeaktivitäten werden, wobei der Mehrwert für den Verbraucher entscheidend erscheint.

Ganz wesentlich bei der Auswahl der Preisvorteile, Prämien und Zugabe sind die Zielgruppen des Reiseunternehmens. Die Karte kann daher auf ältere Kunden, Junioren oder auf bestimmte Sportarten wie Snowboard mit Exklusivreisen zum "Ski-Opening" zugeschnitten sein!

Die Rabattkarte wird also ein stürmisches Comeback erleben: als Clubkarte oder Chipcard, ausgegeben von Gemeinschaftsunternehmen der beteiligten Touristikunternehmen oder durch das Reiseunternehmen selbst. In jedem Fall darf aber nicht die betriebswirtschaftliche Frage vernachlässigt werden, ob die eigene Rendite im Unternehmen den gewünschten Rabatt zulässt.

Fußnoten:

1) "werben & verkaufen", Heft 1/2001.
2) In Kraft seit 25. 7. 2001.
3) Richtlinien über den elektronischen Geschäftsverkehr, 2000/31 / EG v. 8. 6. 2000.
4) Begr. BR-Dr. 13 und 21/2001 vom 5. 1. 2001, S. 5, 6; vgl. www.bmj.de.
5) Vgl. Fn. 4.
6) Vgl. Fn. 4.
7)Fn. 1.
8)Vgl. Berneke, WRP 2001, 615/617; Köhler, BB 2001, 265/267.
9)Vgl. Führich, Reiserecht [3. Aufl.], Rdnr. 593 a m. w. N.
10)Vgl. Führich, a. a. O., Aufl., Rdnr. 593 g.
11)BGH, NJW-RR 1992, 618; OLG Stuttgart, WRP 1984, 509 - Exklusive Leserreise; OLG Schleswig, WRP 1991, 194 - Reisebüro in Ostholstein; OLG Rostock, NJW-RR 1995, 1194 - Irgendwie besser.
12)A. A. Nordemann, NJW 2001, 2505/2509.
13)Vgl. LG München II, NJW 1987, 1126.
14)Führich, a. a. O., Rdnr. 594 i.
15)OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 1995, 361 - Einführungspreis Schnellrestaurant.
16)Vgl. noch LG München I, RRa 1998, 11 = NJW-RR 1997, 1271.
17)BGH, NJW-RR 1995, 871; LG Mainz, RRa 1996, 140.
18)Nordemann, NJW 2001, 2505/2507.
19)Vgl. früher BGH, GRUR 1991, 862 - Rückfahrkarte.
20)Vgl. früher LG Hamburg, WRP 1983, 124.
21)So früher: OLG Schleswig WRP 200, 665 - Treue-Pass im Reisebüro
22)KG, RRa 2000, 140.
23)Vgl. früher BGH, NJW 1999, 1398 - Bonusmeilen.
24)BGH, GRUR 1985, 292; BGH, NJW 1990, 1294; BGH, NJW-RR 1996, 616.
25)BGH, NJW 1999, 1398- Bonusmeilen; LG Köln, RRa 2000, 198; OLG Köln, WRP 2001, 721 - Miles and More.


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