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"Der Gattungskauf vor und nach der Schuldrechtsreform" von Annette Förster
Einführung

Der Gattungskauf vor und nach der Schuldrechtsreform


Der folgende Beitrag widmet sich der Frage, wie sich die Rechtslage im Bereich des Gattungskaufs nach der Reform des Schuldrechts im Vergleich zum bisher geltenden Recht darstellt.

Während Teil 1 Bedeutung und Rechtsfolgen des Unvermögens des Schuldners zum Gegenstand hat, betrifft Teil 2 die Ausgestaltung der Sachmängelgewährleistung.

1. Teil: Unvermögen des Schuldners bei der Gattungsschuld

A. Regelung des § 279 a.F. BGB[1]

I. Allgemeines

§ 279 a.F. lag der Gedanke zugrunde, daß der sich zur Lieferung einer Gattungssache verpflichtende Schuldner regelmäßig die Gewähr für die Beschaffenheit sowie das Beschaffungsrisiko übernimmt. Die Vorschrift begründete mithin für den Schuldner eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht.[2]
Allerdings kam § 279 a.F. lediglich deklaratorische Bedeutung zu: Da der Schuldner einer Gattungsschuld nicht verpflichtet ist, bestimmte Stücke zu liefern, sondern nur irgendein Stück aus der Gattung von mittlerer Art und Güte (vgl. §§ 243 Abs.1, 360 HGB) schuldet, ergibt sich bereits aus dem Inhalt seiner Leistungspflicht, daß seine Schuld so lange fortbesteht wie er sich die entsprechenden Stücke der Gattung verschaffen kann.[3]

II. Anwendungsbereich

§ 279 a.F. galt für die marktbezogene Gattungsschuld, bei der der Schuldner zur Beschaffung der betreffenden Sache auf den gesamten Markt zurückgreifen kann. Demgegenüber fand die Vorschrift keine Anwendung, wenn der Schuldner nach der Parteivereinbarung aus seinem Vorrat liefern sollte (Vorratsschuld)[4], und sobald sich die Gattungsschuld durch Konkretisierung gem. § 243 Abs.2 in eine Stückschuld gewandelt hatte.[5]
Schließlich war § 279 a.F. bei Stückschulden analog anzuwenden, wenn der Schuldner die Verpflichtung übernommen hatte, den geschuldeten Gegenstand zu beschaffen (sogenannte Beschaffungsschuld). [6]

III. Reichweite der Einstandspflicht

Zunächst ist festzustellen, daß § 279 a.F. bereits seinem Wortlaut nach auf den Bereich der subjektiven Unmöglichkeit (Unvermögen) begrenzt und eine Einstandspflicht des Schuldners grundsätzlich gegeben war.
Jedoch war die Vorschrift insoweit zu weit formuliert, als der Schuldner für jedes Unvermögen verschuldensunabhängig einzustehen hatte, auch wenn dies nicht auf der Realisierung des spezifischen Beschaffungsrisikos basierte. Als Beispiel sei der Fall genannt, daß der Schuldner erkrankt war und aus diesem Grunde die Ware nicht ausliefern konnte.
So wurde § 279 a.F. von der hM denn auch teleologisch reduziert, wenn das Unvermögen auf persönliche Hinderungsgründe zurückzuführen war, die von der Eigenart der Schuld als Gattungsschuld unabhängig waren. Da kein Anlaß bestand, Gattungsschulden insoweit anders zu behandeln als Stückschulden, war in derartigen Fällen nicht § 279 a.F., sondern die §§ 275 Abs.2, 276 a.F. maßgeblich.[7]
Im Übrigen konnte die Verantwortlichkeit nach § 279 a.F. dann entfallen, wenn dem Schuldner die Beschaffung von Gegenständen der betreffenden Gattung infolge nicht vorhersehbarer Umstände unzumutbar war[8], wobei zum Teil auf § 242[9], zum Teil auf die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage[10] abgestellt wurde.

IV. Rechtsfolge

Als Rechtsfolge ergab sich, daß der Erfüllungsanspruch des Gläubigers so lange bestehen blieb, wie der Schuldner sich Stücke aus der Gattung auf dem Markt beschaffen konnte.


B. Gesetzliche Neukonzeption

I. Streichung des § 279

Der Gesetzgeber hat § 279 im Zuge der Modernisierung des Schuldrechts mit Wirkung zum 1.1.2002 aufgehoben und damit der an dieser Vorschrift geübten Kritik Rechnung getragen. Wie in der Begründung zum Regierungsentwurf deutlich wird[11], war Grund für die Streichung des § 279 vor allem die schon bisher anerkannte Annahme, daß ein Beschaffungsrisiko nicht nur bei Gattungsschulden, sondern vielmehr auch bei Stückschulden übernommen werden kann und § 279 folglich in dieser Hinsicht zu eng formuliert war.[12]
Der dem früheren § 279 zugrundeliegende Gedanke einer Haftung für Beschaffungsrisiken hat allerdings in verallgemeinerter Form in § 276 Abs.1 Satz 1 seinen Niederschlag gefunden: Das Verschuldensprinzip des § 276 Abs.1 S.1 Halbs.1 wird danach bei „Übernahme eines Beschaffungsrisikos“ nach § 276 Abs.1 S.1 Halbs.2 Alt.2 durchbrochen und es besteht in diesem Fall eine verschuldensunabhängige Haftung.
Im Falle eines Gattungkaufs, bei dem es dem Verkäufer überlassen ist, eine im Sinne von § 243 Abs.1 erfüllungstaugliche Sache aus seinem Vorrat oder auf dem Markt auszuwählen, wird der Verkäufer im Kaufvertrag typischerweise die Mangelfreiheit der Gattungssache garantieren, es sei denn, er macht unmißverständlich klar, gerade keine derartige Garantie übernehmen zu wollen.[13]
§ 276 Abs.1 S.1 bringt damit zweierlei zum Ausdruck: Zum einen wird durch die Anknüpfung an die „Übernahme eines Beschaffungsrisikos“ deutlich, daß nicht die begriffliche Einordnung als Gattungsschuld entscheidend ist, sondern es vielmehr auf das Beschaffungselement ankommt, welches auch in einer Stückschuld enthalten sein kann.
Andererseits zeigt die neue Fassung des § 276 Abs.1 S.1, daß die Einstandspflicht nur im Rahmen des übernommenen Beschaffungsrisikos besteht, für sonstige Störungen aber keine Haftung zu begründen vermag.

II. Regelung in § 275 Abs.2

Was das Unvermögen bei der Gattungsschuld anbetrifft, so wird nach der neuen Rechtslage maßgeblich auf § 275 Abs.2 abzustellen sein, der die sogenannte praktische Unmöglichkeit zum Gegenstand hat.
Ist die Leistung aus der Gattung an sich noch möglich, doch stehen dem Schuldner keine Vorräte mehr zur Verfügung[14], muß er versuchen, die Ware auf dem Markt zu beschaffen und auf diese Weise seine Leistungsfähigkeit wiederherstellen.
Etwas anderes gilt indes, wenn der hierfür erforderliche Aufwand in einem groben Mißverhältnis zum Leistungsinteresse des Gläubigers steht: Da das Beharren des Gläubigers auf Erbringung der Leistung einen Rechtsmißbrauch (§ 242) bedeuten würde[15], billigt Gesetz dem Schuldner in § 275 Abs.2 S.1 ein Leistungsverweigerungsrecht (Einrede) zu.
An dieser Stelle erlangt nun über § 275 Abs.2 S.2 auch § 276 Abs.1 S.1 insoweit Bedeutung, als der Schuldner durch Vereinbarung einer Gattungsschuld ein Beschaffungsrisiko übernommen und daher das Leistungshindernis gemäß § 276 Abs.1 S.1 Halbs.2 Alt.2 zu vertreten hat. Dies wiederum wirkt sich im Rahmen der nach § 275 Abs.2 S.1 vorzunehmenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit dergestalt aus, daß diese für den Schuldner negativ ausfällt. In letzter Konsequenz folgt daraus, daß ein Unvermögen bei der Gattungsschuld ein außerhalb des übernommenen Beschaffungsrisikos liegendes Wiederbeschaffungshindernis erfordert.[16]


2. Teil: Sachmängelgewährleistung beim Gattungskauf

A. Bisherige Rechtslage: § 480 a.F.

I. Gattungssache nicht von mittlerer Art und Güte

Nach altem Recht stellte sich zunächst die Frage, welche Gewährleistungsrechte dem Käufer zustanden, wenn die gelieferte Sache nicht mittlerer Art und Güte im Sinne des § 243 Abs.1 entsprach.
Mangels Konkretisierung gemäß § 243 Abs.2 hätte eine derartige Schlechtlieferung an sich zur Folge, daß der ursprüngliche Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs.1 fortbestünde und der Käufer damit keine Gewährleistungsrechte aus §§ 480, 459 ff. a.F. geltend machen könnte. Dies würde bedeuten, daß die §§ 480, 459 ff. a.F. nie anwendbar wären, da sie Konkretisierung voraussetzen und § 480 a.F. daher kaum eine Bedeutung hätte.
Mit Blick darauf ging ein Teil der Literatur davon aus, daß mit Annahme der gelieferten Gattungssache Konkretisierung im Sinne von § 243 Abs.2 eintrete und der Erfüllungsanspruch aus § 433 Abs.1 erlösche, so daß nunmehr gemäß § 480 a.F. die Gewährleistungsregeln anwendbar sind.[17]
Die hM vertrat demgegenüber die Auffassung, dem Käufer stünde ein Wahlrecht zu:
Verlangt der Käufer Nachlieferung, so verhindert er die Konkretisierung und macht den ursprünglichen Erfüllungsanspruch geltend, der mit dem Nacherfüllungsanspruch in § 480 Abs.1 S. 1 a.F. identisch ist.
Begehrt er hingegen Wandelung oder Minderung, bringt er konkludent zum Ausdruck, daß er die gelieferte Sache als Kaufsache akzeptiert und führt somit die Konkretisierung nach § 243 Abs.2 herbei.[18]
Auch nach der hM standen dem Käufer folglich Sachmängelgewährleistungsansprüche aus §§ 480, 459 ff. a.F. zu.

II. Anderslieferung

Schwierigkeiten bereitete vor der Reform zudem die Gewährleistung bei Lieferung einer Sache, die einer anderen als der vereinbarten Gattung angehörte. Bei dieser Fallkonstellation war zu trennen zwischen dem Handelskauf im Sinne des HGB und dem BGB-Kauf.

1. Rechtslage beim Handelskauf

Ein Handelskauf als beiderseitiges Handelsgeschäft[19] setzt voraus, daß beide Parteien Kaufleute sind und der Abschluß des Kaufvertrages zum Handelsgewerbe (§ 1 Abs.2 HGB) gehört.
Bei einem derartigen Handelskauf war umstritten, ob von einem sogenannten erweiterten Fehlerbegriff auszugehen ist, wonach die §§ 480, 459 ff. a.F. auch bei einer im Sinne von § 378 HGB genehmigungsfähigen Falschlieferung Geltung beanspruchen.
Während ein Teil des Schrifttums eine Erweiterung des Fehlerbegriffs im genannten Sinne ablehnte[20], war die hM der Ansicht, die Bedeutung des § 378 HGB erschöpfe sich nicht darin, daß der Käufer beim Handelskauf zur Wahrung seiner Rechte rügen müsse (vgl. § 377 Abs.1 HGB), sondern die vom Anwendungsbereich des § 378 HGB erfaßten Anderslieferungen seien dem Gewährleistungsrecht zu unterstellen, sofern sie genehmigungsfähig seien.[21]
Für die hM sprach vor allem, daß der Zweck des § 378 HGB, im Interesse einer schnellen Geschäftsabwicklung durch die Gleichstellung von Schlecht- und Falschlieferung die schwierige Abgrenzung zu vermeiden, unterlaufen würde, wenn diese Gleichstellung nur für die Rügepflicht und nicht auch für die Rechtsfolgen bei erhobener Rüge gelten würde.

2. Rechtslage beim Zivilkauf

Überdies wurde nach altem Recht kontrovers diskutiert, ob die unter 1. dargestellten Grundsätze des beiderseitigen Handelskaufs über eine Gattungssache für alle Kaufverträge Gültigkeit haben.
Die Literatur ging überwiegend davon aus, der erweiterte Fehlerbegriff sei auch beim bürgerlich-rechtlichen Kauf aus Gründen der Praktikabilität von Bedeutung [22]
Der BGH hingegen stand auf dem Standpunkt, beim BGB-Kauf fehle es an dem Anknüpfungspunkt der §§ 377, 378 HGB und der Verkäufer könne bei diesem nicht darauf hoffen, mit einer einer anderen als der geschuldeten Gattung angehörigen Kaufsache den Kaufvertrag erfüllen zu können.[23]
Folgte man der Ansicht des BGH, so bestand bei einer Falschlieferung der Lieferunganspruch aus § 433 Abs.1 fort und der Käufer konnte vom Vertrag nur unter den Voraussetzungen des § 326 a.F. loskommen, während ihm die Geltendmachung der Rechte aus §§ 480, 459 ff. a.F. verschlossen blieb.

III. Schadensersatz wegen Nichterfüllung, § 326 a.F.

Nach bisherigem Recht ergab sich ferner die Frage, ob die Vorschrift des § 326 a.F. Anwendung finden konnte, wenn der Verkäufer dem Nachlieferungsverlangen des Käufers gemäß § 480 Abs.1 S.1 a.F. nicht innerhalb der gesetzten Nachfrist[24] nachkam.
Wie dargelegt[25] handelt es sich nach hM bei dem Nachlieferungsanspruch um den ursprünglichen Erfüllungsanspruch, so daß konsequenterweise auch § 326 a.F. weiter gilt.[26]
Folgt man dagegen der Literaturansicht, wonach der ursprüngliche Erfüllungsanspruch untergeht[27], ist § 326 a.F. unanwendbar.[28]

IV. Rechtsfolge bei Einverständniserklärung des Verkäufers

Hatte sich der Verkäufer mit der Nachlieferung einverstanden erklärt, war er gemäß §§ 480 Abs.1 a.F., 433 Abs.1 verpflichtet, dem Käufer die im Vertrag vereinbarte Gattungssache in mittlerer Art und Güte im Sinne von § 243 Abs.1 zu verschaffen und der Käufer mußte seinerseits die gelieferte mangelhafte Sache zurückgewähren, §§ 346, 467, 480 Abs.1 S.2 a.F.

B. Rechtslage nach der Reform

I. Allgemeiner Nacherfüllungsanspruch, §§ 437 Nr.1, 439

Während nach bisherigen Recht ein Nachlieferungsanspruch des Käufers bei Lieferung einer mangelhaften Sache nur beim Gattungskauf, nicht jedoch beim Stückkauf bestand, hat der Gesetzgeber Stück- und Gattungskauf in dieser Hinsicht nunmehr kodifikatorisch gleichgestellt und einen generellen verschuldensunabhängigen Nacherfüllungsanspruch in §§ 437 Nr.1, 439 eingeführt, so daß die Sonderregel in § 480 a.F. überflüssig wurde.
Dies ist deshalb möglich, weil die Sachmängelfreiheit gemäß § 433 Abs.1 S.2 Gegenstand der Leistungspflicht ist und damit die in der Literatur vor der Reform überwiegend vertretene „Gewährleistungstheorie“[29] in das Gesetz übernommen wurde.

1. Der Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr.1, 439, dem der Vorrang vor den sonstigen in § 437 erwähnten Rechten des Käufers einzuräumen ist[30], ist vom Bestehen eines Mangels der gelieferten Sache abhängig, gleichviel, ob es sich um einen Sach- oder einen diesem gleichgestellten Rechtsmangel (vgl. § 433 Abs.1 S.2 ) handelt.
Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist aber lediglich die Sachmängelhaftung, so daß Rechtsmängel ausgeklammert bleiben.

a. Der Begriff des Sachmangels wird in § 434 näher konkretisiert. Ausgangspunkt ist auch nach der Neuregelung die Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit, wobei der von der ganz hM schon dem bisherigen Recht zugrundeliegende subjektive Fehlerbegriff nun in § 434 Abs.1 S.1 kodifiziert ist.
Ob ein Sachmangel gegeben ist, richtet sich daher primär nach der Vereinbarung der Parteien beziehungsweise nach dem vertraglich vorausgesetzten Gebrauch, § 434 Abs.1 S.2 Nr.1. Lediglich bei Fehlen einer Parteivereinbarung und wenn keine spezielle Verwendung im Vertrag geregelt ist, kann gemäß § 434 Abs.1 S.2 Nr.2 auf objektive Kriterien zurückgegriffen werden.

b. Besondere Bedeutung im Zusammenhang mit dem Gattungskauf kommt nun § 434 Abs.3 Alt.1 zu. Nach dieser Vorschrift steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine „andere Sache“, ein aliud, liefert.
Kosequenz dieser Regelung ist mithin, daß jetzt auch beim Zivilkauf ein erweiterter Fehlerbegriff im Sinne der oben dargestellten Literaturmeinung[31] gilt und die bislang oftmals schwierige Abgrenzung zwischen Falsch- und Schlechtlieferung entfällt.
Zu beachten ist, daß es auf die Genehmigungsfähigkeit des aliuds nach der Neuregelung nicht ankommt, anders als bisher im HGB vor dem Hintergrund des § 378 HGB.[32] Da nun schon das BGB-Kaufrecht von einem erweiterten Fehlerbegriff ausgeht, verlor § 378 HGB jede Berechtigung und wurde demzufolge aufgehoben. Die in § 377 HGB normierte Rügepflicht gilt somit auch für die aliud-Lieferung, da sie jeden Sachmangel erfaßt.

2. Beim Gattungskauf hat der Käufer gemäß § 439 Abs.1 die Wahl zwischen der Lieferung eines mangelfreien Stücks aus der Gattung (§ 243 Abs.1) und der Beseitigung des Mangels (Reparatur).
Hat der Verkäufer ein aliud im Sinne von § 434 Abs.3 geliefert, kommt Nacherfüllung regelmäßig nur durch Lieferung einer Sache von mittlerer Art und Güte aus der geschuldeten Gattung in Betracht. Allerdings kann es auch Fälle geben, in denen eine Nacherfüllung durch „Mängelbeseitigung“ möglich ist.[33]

3. Der Käufer kann Nacherfüllung aber dann nicht verlangen, wenn der Verkäufer insoweit im Sinne des § 275 Abs.1 von der Leistungspflicht befreit ist. Darüber hinaus hat der Verkäufer das Recht, die vom Käufer gewählte und mögliche Art der Nacherfüllung unter den in § 439 Abs.3 genannten Voraussetzungen zu verweigern. Ebenso kann sich ein Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers aus §§ 275 Abs.2, 3 ergeben.

4. Als Rechtsfolge bei Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache bestimmt § 439 Abs.4, daß der Verkäufer die Rückgewähr der zunächst gelieferten mangelhaften Sache gemäß §§ 346-348 verlangen kann und hierfür nach § 439 Abs.2 die Kosten zu tragen hat.

II. Schadensersatz bei Nichtvornahme der Nacherfüllung, §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1, 3, 281 Abs.1 S.1 Alt.2

1. Nimmt der Verkäufer die mögliche Nacherfüllung innerhalb der vom Käufer gesetzten angemessenen Frist – eine Ablehnungsandrohung ist im Unterschied zur früheren Rechtslage (vgl. § 326 Abs.1 S.1 a.F. am Ende) nicht erforderlich – nicht vor, so kann der Käufer nach §§ 437 Nr.3, 280 Abs.1, 3, 281 Abs.1 S.1 Alt.2 Schadensersatz statt der Leistung[34] verlangen.
Einer Fristsetzung bedarf es jedoch nicht, wenn die in § 440 genannten Gründe vorliegen oder ein Fall des § 281 Abs.2 gegeben ist.

2. Aufgrund der Verweisung des § 281 Abs.1 S.1 auf § 280 Abs.1 S.1 ist zudem eine Pflichtverletzung des Verkäufers Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch, die in einem Verstoß gegen die in § 433 Abs.1 S.2 zum Ausdruck kommende Pflicht zur mangelfreien Lieferung besteht.[35]

3. Des weiteren verlangt die Schadensersatzhaftung ein Vertretenmüssen des Verkäufers (§ 276) oder seines Erfüllungsgehilfen (§ 278), das gemäß § 280 Abs.1 S.2 widerlegbar vermutet wird. Bezugspunkt des Vertretenmüssens ist dabei die Nichtvornahme der Nacherfüllung innerhalb der Nacherfüllungsfrist[36]. Relevant wird an dieser Stelle, daß der Verkäufer beim Gattungskauf angesichts der im Kaufvertrag regelmäßig übernommenen Garantie für die Mangelfreiheit der gelieferten Sache einzustehen hat[37] und demzufolge verschuldensunabhängig nach § 276 Abs.1 S.1 Halbs.2 Alt.2 haftet.

4. Schließlich sei noch darauf hingewiesen, daß der Anspruch auf die Leistung nach der Regelung des § 281 Abs.4 ausgeschlossen ist, sobald der Käufer statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat.


3. Teil: Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzustellen, daß der Gesetzgeber mit der Einführung eines allgemeinen Nacherfüllungsanspruchs in §§ 437 Nr.1, 439 als Konsequenz der in § 433 Abs.1 S.2 normierten Verkäuferpflicht zur mangelfreien Leistung die bisher im Bereich der dem Käufer zustehenden Gewährleistungsrechte bestehende kodifikatorische Unterscheidung zwischen Stück- und Gattungskauf wenn auch nicht völlig beseitigt, so doch aber erheblich verringert hat: Der Unterschied zwischen Stück- und Gattungskauf zeigt sich nunmehr vor allem bei der Frage der Übernahme eines Beschaffungsrisikos (§ 276 Abs.1) und der Möglichkeit und Zumutbarkeit der Nacherfüllung.


[1] die §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB
[2] vgl. Palandt/Heinrichts, BGB, 61.Aufl. (2002), § 279 RN.1
[3] Larenz, Schuldrecht I, § 21 I d
[4] so schon RGZ 108, 420
[5] Palandt aaO, § 279 RN.2
[6] RGZ 75, 335
[7] Erman/Battes, BGB, Bd.1, 10.Aufl. (2000), § 279 RN.6; RGZ 99, 1
[8] allgemeine Ansicht, vgl. auch BGH NJW 1994, 516
[9] so zum Beispiel Erman aaO RN. 5
[10] Palandt/Heinrichs aaO, § 242 RN. 140; BGH aaO
[11] Begr. BT-Drucks. 14/6040, 300 f.
[12] Mü/Ko-Emmerich, BGB, Bd.2, 4.Aufl. (2001), § 275 RN.78 ff.
[13] Canaris, JZ 2001, 518
[14] wichtig ist in diesem Zusammenhang, daß keine Vorratsschuld vereinbart wurde, da dann § 275 Abs.1 einschlägig wäre !
[15] von Wilmowsky, Beilage JuS 1/2002, S.8
[16] ebenso Lorenz/Riehm, Lehrbuch zum neuen Schuldrecht RN.313
[17] vgl. Köhler, JuS 1979, 499; Bletz, Jura 1987, 139
[18] Reinicke/Tiedke, KaufR, RN.516; Palandt/Putzo aaO, § 480 RN.2-4
[19] zum Begriff des Handelsgeschäfts siehe § 343 HGB
[20] vgl. nur Knöpfle, JZ 1979, 11 ff.; Schulz, NJW 1980, 2172
[21] BGHZ 115, 295; Hübner, JZ 1992, 591; Staudinger/Honsell, BGB, 13.Aufl. (1995), § 480 RN.4, 8
[22] Singer, ZIP 1992, 1058; Reinicke/Tiedke aaO RN.539
[23] BGH NJW 1992, 568; ebenso Teile der Lit., z.B. Jauernig/Vollkommer, BGB, 9.Aufl. (1999), § 480 RN.12; Schreiber, Jura 1986, 445
[24] diese Nachfrist war gemäß § 326 Abs.1 S.1 a.F. mit einer Ablehnungsandrohung zu verbinden
[25] siehe oben unter 2. Teil A.I.
[26] Mü/Ko-Westermann aaO, § 480 RN.6; Staudinger/Honsell aaO, RN.10; Petersen, Jura 1998, 294; BGH NJW 1985, 2526
[27] vgl. FN.17
[28] so Köhler aaO
[29] siehe nur Esser/Weyers, SchuldR II, § 5 I 1a
[30] dies zeigt sich darin, daß sämtliche anderen Rechtsbehelfe grundsätzlich den erfolglosen Ablauf einer vom Käufer gesetzten Frist voraussetzen, vgl. §§ 323, 441, 280 Abs.1,3, 281
[31] vgl. insoweit die Ausführungen unter 2. Teil A. II.1.
[32] siehe oben unter 2. Teil A. II.1
[33] als Beispiel sei der Fall angeführt, daß eine Maschine durch den Einbau eines zusätzlichen Aggregates zu einer Sache umgerüstet werden kann, die einer anderen Gattung zuzuordnen ist, so Begr. BT-Drucks. 14/6040, 216
[34] Ersatz des Erfüllungsschadens
[35] so bereits im 2.Teil unter B.I.
[36] ob der Verkäufer den Mangel kannte oder kennen mußte oder ob er ihn schuldhaft verursacht hat ist damit nicht ausschlaggebend !
[37] vgl. oben unter 1.Teil B.I.

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