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"Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer" von Alexander Otto
Alexander Otto


Die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer
§ 74c GVG – Eine Norm mit Unklarheiten


A. Einleitung

Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) regelt u.a. die Zuständigkeit der Strafgerichte. Hierbei werden den Landgerichten neben den allgemeinen Strafkammern bestimmte Spezialkammern zugeordnet, die nur für einen ganz eng abgegrenzten Bereich der Kriminalität zuständig sind. Der Gesetzgeber hat dies in vier großen Bereichen für notwendig erachtet und die Schwurgerichtskammer, eine Staatsschutzkammer, eine Kammer in Jugendschutzsachen und die Wirtschaftsstrafkammer eingerichtet. Damit soll den in diesen Kriminalitätsbereichen erforderlichen Spezialkenntnissen Rechnung getragen werden. Die Mitglieder dieser Spezialkammern werden speziell geschult und sollen die Strafbarkeit dann mit dem erforderlichen Spezialwissen und Sachverstand begutachten.

Insbesondere die Entwicklung der Wirtschaftskriminalität hat den Gesetzgeber bereits vor Jahren veranlasst die Wirtschaftsstrafkammer als Spezialkammer im GVG vorzusehen. § 74c GVG regelt, in welchen Fällen die Wirtschaftsstrafkammer ausschließlich zuständig sein soll. Leider verwirrt diese Norm in einigen Teilen und führt zu Unklarheiten bei der Prüfung der Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer. Kommentare, Literatur, Rechtsprechung und Gesetzgebungsmaterialien tragen zur Klärung nur unbefriedigend oder nicht bei. Dies fällt insbesondere im Bereich der Nummer 6a des § 74c I GVG auf.

B. Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer im Allgemeinen

§ 74c I GVG zählt katalogartig Straftaten auf, die in Gesetzen mit wirtschaftlichem Bezug enthalten sind, sowie Wirtschaftsstraftaten aus dem StGB.

Die Nummern 1-4 und 6b betreffen ausschließlich Straftaten, die nicht im StGB mit Strafe bedroht sind, sondern in anderen Gesetzen. Dabei handelt es sich ausnahmslos um Gesetze bei denen zur Beurteilung einer Straftat Spezialwissen erforderlich ist. § 74c I Nrn. 5, 5a und 6a GVG betreffen solche Straftaten des StGB.

Nummer 6 dieses Absatzes enthält gegenüber den anderen Ziffern eine Besonderheit: Für die in a) und b) benannten Straftaten soll die Wirtschaftsstrafkammer nur dann zuständig sein, wenn zur Beurteilung des Falls besondere Kenntnisse des Wirtschaftslebens erforderlich sind. Hier kommt es darauf an, dass solche besonderen Fachkenntnisse erforderlich sind, die außerhalb allgemeiner Erfahrung liegen, sich auf besonderen Wirtschaftskreisen eigenen oder geläufigen Verfahrensweisen beziehen oder auf schwer zu durchschauende Mechanismen des modernen Wirtschaftslebens.1

C. Bestechung und Bestechlichkeit – die Ungereimtheiten des § 74c I Nr. 6a GVG

Bei der Aufzählung der Taten mit wirtschaftlichem Hintergrund, die im StGB mit Strafe bedroht sind, orientiert sich § 74c I GVG an den amtlichen Überschriften der entsprechenden Normen. So erklärt sich auch, dass die Wirtschaftsstrafkammer nach § 74c I Nr. 5a GVG sowohl für Bestechung, als auch für Bestechlichkeit im Geschäftsverkehr zuständig ist. Hingegen wird in § 74 c I Nr. 6a GVG nur die Straftat der Bestechung und der Vorteilsgewährung aufgeführt. Vorteilsannahme nach § 331 StGB und Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB werden aus unerklärlichen Gründen nicht vom Wortlaut der Norm umfasst. Mit dem Charakter dieser Strafnormen lässt sich das nicht ohne weiteres erklären. Alle Straftaten im Sinne der §§ 331-334 StGB – also auch die Bestechung – sind keine Wirtschaftsstraftaten im engeren Sinne, sondern gemäß der Einordnung im 30. Abschnitt des Strafgesetzbuches Straftaten im Amt. Allerdings wirft diese Einordnung Fragen auf. Denn derjenige, der einen Vorteil gewährt bzw. besticht, ist in der Regel kein Amtsträger. So lässt sich unter Umständen auch erklären, warum nur die Bestechung, nicht aber die Bestechlichkeit in § 74c I Nr. 6a GVG aufgezählt ist. Bei der Bestechlichkeit ist zwangsläufig ein Amtsträger Täter, so dass die Bestechlichkeit als reines Amtsdelikt einzustufen ist.

Bestechungstäter ist jedoch häufig eine Person aus dem Bereich des Wirtschaftslebens, die sich durch Gewährung eines Vorteils z.B. eine bevorzugte Behandlung durch den Amtsträger verspricht. Die Bestechung ist damit nicht ein Amtsdelikt im engeren Sinne, sondern kann durchaus als Wirtschaftstraftat im weiteren Sinne verstanden werden. Somit wird auch die Aufnahme in § 74c I Nr. 6a GVG mit dem bereits dargelegten Sondererfordernis zu rechtfertigen sein.

Die Bestechlichkeit als Amtsdelikt kann auf Grund ihres Deliktstyps nach dem derzeitigen Rechtszustand nicht die Zuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer begründen.

Diese Konzeption des § 74c I Nr. 6a GVG unter Ausschluss der Bestechlichkeit ist fragwürdig. Zwar ist ein Amtsträger Täter dieses Delikts. Bei der Beurteilung und Klärung eines möglichen Vorteils wird es aber häufig trotzdem in größerem Umfang auf wirtschaftliches Hintergrundwissen der Kammer ankommen. Denn bei der Klärung dieser Fragen muss ja zwangsläufig auch spiegelbildlich die Seite des "Bestechers" beleuchtet werden, was wiederum besondere wirtschaftliche Kenntnisse erfordern kann. Im Ergebnis wäre es wünschenswert, wenn das Delikt der Bestechlichkeit gemäß § 332 StGB in den Katalog der Taten des § 74 c I Nr. 6a GVG aufzunehmen.



[1] Rieß, in: JR 1980, 79; OLG München JR 1980, 77.

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