Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


"Die kommunale Selbstverwaltung im Nationalsozialismus" von Jörn Wommelsdorff
Jörn Wommelsdorf, www.jura-site.de


Die kommunale Selbstverwaltung im Nationalsozialismus


Nach der "Machtergreifung", der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30.01.1933, verlief die Phase der Machtsicherung auf kommunaler Ebene sehr rasch ab. Neben lokalem Terror durch die SS und SA wurde die Opposition auch mit rechtlichen Mitteln ausgeschaltet: Abgeordnete von KPD und SPD wurden aus den kommunalen Vertretungskörperschaften ausgeschlossen und deren Parteivermögen eingezogen. Eine Verordnung sah die Sitzverteilung entsprechend dem "Volkswillen nach Überwindung des Parteienstaates" vor. Unliebsame Kommunalbeamte wurden entlassen oder unter Androhung von "Schutzhaft" unter Druck gesetzt.

Kennzeichnend für das Dritte Reich war die nationalsozialistische Ideologie, die in allen Bereichen des Staates Einzug fand. Für den Bereich der kommunalen Selbstverwaltung waren vor allem das Führerprinzip und der Antiparlamentarismus von großer Bedeutung. In "Mein Kampf" schreibt Hitler, daß der völkische Staat, angefangen bei der Gemeinde keinen Vertretungskörper, der etwas durch Majorität beschließt, hat, sondern nur Beratungskörper, die dem jeweiligen Führer zur Seite stehen". Die Entscheidungen sollte "ein Mann" treffen. Hierauf begründet, konnten die Bürgermeister ihre Macht vom "Führer" Adolf Hitler ableiten und sich "Führer der Gemeinde" nennen. Folglich hatte jede Person ihrem "Führer" blinden Gehorsam und bedingungslose Treue entgegenzubringen.

Das Führerprinzip spiegelte sich ebenfalls in der im Januar 1935 reichseinheitlich erlassenen Deutschen Gemeindeordnung (DGO) nieder: Oberste Aufsichtsbehörde der Gemeinden war der Reichsminister des Inneren, gefolgt von dem Reichsstatthalter und der Kommunalaufsicht.

Der Gemeinde stand der Bürgermeister vor, der mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet war. Vertreten wurde er durch seine Beigeordneten. Diese wurden, ebenso wie der Bürgermeister, nicht gewählt, sondern berufen. Eine weitere Kontroll- und Machtposition nahm der Beauftragte der NSDAP ein, der vom Stellvertreter des "Führers" ernannt wurde. Er hatte das Vorschlagsrecht bei der Besetzung der Stellen des Bürgermeisters und der Beigeordneten und hatte den "Einklang von Gemeindeverwaltung mit der Partei" sicherzustellen.

Die kommunalen Vertretungskörperschaften bildeten die sog. Gemeinderäte, die jedoch nur eine beratende Stimme hatten, womit dem Bürgermeister eine besonders hervorgehobene Machtposition zukam. Ihre Aufgabe war lediglich die Beratung des Bürgermeisters und die "dauernde Fühlung der Verwaltung der Gemeinde mit allen Schichten der Bürgerschaft zu sichern". Die Gemeinderäte wurden nicht von den Bürgern gewählt, sondern im Einvernehmen mit dem Bürgermeister von dem Beauftragten der NSDAP berufen. Eine Abberufung der Gemeinderäte war jederzeit möglich.

---


Nur wenige, unter ihnen Carl Goerdeler und Karl Strölin - beide dem Nationalsozialismus lange Zeit nahestehend - versuchten vergeblich Widerstand gegen die nationalsozialistische Kommunalpolitik zu leisten.

Es erscheint geradezu paradox, wenn einer der führenden Kommentatoren zur Weimarer Reichsverfassung, G. Anschütz, 1930 schreibt, daß "kein deutscher Gesetzgeber daran denkt, noch jemals daran denken wird, die Selbstverwaltung als solche aufzugeben". Dieser Prozeß begann jedoch bereits drei Jahre später und wurde mit der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 abgeschlossen.

Die bereits 125 Jahre zuvor unter Freiherr vom Stein entstandenen Gedanken zur kommunalen Selbstverwaltung waren im nationalsozialistischen Kommunalrecht nur in Ansätzen enthalten.

Das Führerprinzip sowie das antiparlamentarische Denken im zentralistisch geführten Dritten Reich, der nationalsozialistische Terror sowie der sehr starke Einfluß der NSDAP führten zur politischen wie administrativen Gleichschaltung der Gemeinden und somit zur faktischen Zerstörung der kommunalen Selbstverwaltung.

Impressum | Datenschutz