Alexandra Messerle, Regierungsrätin, Ministerium für Inneres und Sport des Saarlandes
Stephan Weingart, Rechtsanwalt und Dozent, Saarbrücken
Altershöchstgrenze für Bürgermeister
Die Fragestellung gibt Gelegenheit, sich gleichermaßen mit Fragestellungen des Kommunalverfassungsrechts als auch der Grundrechtsprüfung zu beschäftigen. Am Beispiel des Saarländischen Kommunalverfassungsrechts wird die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25.07.1997 (NVwZ 1997, S.1207) dargestellt.
Die Vorschrift des § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG sieht eine Altershöchstgrenze für die Kandidatur zum Bürgermeisteramt vor; danach kann nicht gewählt werden, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat. Die entsprechende Vorschrift des § 61 Abs. 4 GO Niedersachsen, die das BVerfG auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen hatte, eine entsprechende Altershöchstgrenze von 64 Jahren für die Kandidatur zum Bürgermeisteramt vor, die der Kläger bereits überschritten hatte. Er berief sich zur Begründung seiner Verfassungsbeschwerde unter anderem auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Grundrechts der Berufsfreiheit.
1. Ausgangslage
In den Gemeindeverfassungen der Länder finden sich Beschränkungen des passiven Wahlrechts durch die Normierung einer Altershöchstgrenze als formale Voraussetzung der Wählbarkeit hauptamtlicher Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Entsprechend wurde im Saarland durch die Vorschrift des § 54 Abs. 1 KSVG
1 neben einem Mindestalter von 25 Lebensjahren auch eine Höchstgrenze festgesetzt: "Zur Bürgermeisterin oder zum Bürgermeister kann nicht gewählt werden, wer am Tag des Beginns der Amtszeit das 65. Lebensjahr vollendet hat." (§ 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG).
Gegen die entsprechende Regelung der § 61 Abs. 4 GO
2 Nieders., die bei einem Mindestalter von 23 Jahren die Höchstgrenze ebenfalls mit Vollendung des 65. Lebensjahres festlegt, hat im Jahr 1997 ein potenzieller Kandidat für das Bürgermeisteramt Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht eingelegt. Er hatte bereits zum Zeitpunkt der Ausschreibung das 65. Lebensjahr vollendet und war somit nach der Vorschrift des § 61 Abs. 4 GO Nieders. nicht mehr wählbar.
2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Das Bundesverfassungsgericht nahm die Verfassungsbeschwerde unter Hinweis auf § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung an. In dem Nichtannahmebeschluss führt das Gericht insbesondere aus, dass in einer entsprechenden Beschränkung des passiven Wahlrechts durch die Gemeindeordnung eines Landes keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in seiner speziellen Ausprägung als Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl zu sehen ist. Auch eine Verletzung des freien Berufszugangs zu öffentlichen Ämtern, gewährleistet durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG, wird verneint.
2.1. Allgemeiner Gleichheitssatz und Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der Kläger wandte sich gegen die Vorschrift des § 61 Abs. 4 GO Nieders. mit der Behauptung, die hier normierte Festsetzung einer Altershöchstgrenze verletze ihn als potenziellen Kandidaten, der dieses Höchstalter bereits überschritten hat, in seinem Recht auf Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG.
Das BVerfG hat hierzu festgestellt, dass eine Vorschrift zur Einschränkung des passiven Wahlrechts nur dann gegen den allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl verstößt, wenn die einschränkende Regelung
"nicht an einem Ziel orientiert ist, das der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Wahlrechts verfolgen darf, wenn sie zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet ist oder das Maß des zur Erreichung dieses Zieles Erforderlichen überschreitet". Entsprechend verstößt eine Beschränkung des passiven Wahlrechts durch die Normierung einer Altershöchstgrenze nur dann gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wenn der allgemeine Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, an dem alle belastenden Regelungen zu messen sind, verletzt ist.
Nach Auffassung des BVerfG berücksichtigt die Regelung des § 61 GO Nieders. die verfassungsrechtlichen Anforderungen und verstößt insbesondere nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die formale Einschränkung der Wählbarkeit durch die Festsetzung einer Altershöchstgrenze soll zunächst eine kontinuierliche und effektive Amtsführung gewährleisten, und zwar voraussichtlich bis zum Ende der regulären Amtszeit. Hierzu ist die Festsetzung einer Altersgrenze auch tatsächlich geeignet. Denn es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass die Wahrscheinlichkeit krankheitsbedingter Ausfälle und sonstiger Beeinträchtigungen der Amtsführung mit zunehmendem Lebensalter ansteigt. Dies schlägt sich beispielsweise in der Regelung des allgemeinen Rentenalters nieder. Die Gewährleistung einer kontinuierlichen und effektiven Amtsführung stellt dabei ein wesentliches Ziel dar, das der Gesetzgeber bei der konkreten Ausgestaltung des Wahlrechts im Interesse der Allgemeinheit zulässigerweise verfolgen darf und dem eine hohe Bedeutung zukommt.
Die Begrenzung durch ein Höchstalter ist auch erforderlich. Denn die allgemeine Altersgrenze für Beamte findet auf die Bürgermeisterin und den Bürgermeister als Beamte auf Zeit gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 KSVG keine Anwendung.
Schließlich bestehen auch an der Angemessenheit einer entsprechenden Beschränkung und somit an der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne keine Bedenken. Zunächst steht dem Gesetzgeber bei der Festsetzung der Höchstgrenze eine Einschätzungsprärogative zur Seite. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 61 Abs. 5 Satz 2 GO Nieders. die Amtszeit des Bürgermeisters unter Zugrundelegung der normierten Altershöchstgrenze von 64 Jahren in der Praxis nahezu bis zur Vollendung des 70. Lebensjahres, in Sonderfällen sogar noch darüber hinaus andauern kann; dem gegenüber beginnt der regelmäßige Ruhestand für (sonstige) Beamte bereits mit Vollendung des 65. Lebensjahres.
Dieses Argument greift im Rahmen der Regelung des § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG um so mehr, als die regelmäßige Amtszeit einer Bürgermeisterin oder eines Bürgermeisters im Saarland sogar 8 Jahre beträgt, im Unterschied zur lediglich fünfjährigen Amtszeit nach § 61 Abs. 5 Satz 2 GO Nieders. Damit kann sich die Amtsführung im Saarland bei Ausschöpfung der bestehenden Altersgrenze des § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG bis in das 73. Lebensjahr erstrecken.
Der nicht unerheblichen Gefahr von Beeinträchtigungen der Amtsführung, die auch weit reichende Verwaltungsaufgaben und umfassende Repräsentationspflichten beinhaltet, steht damit eine verhältnismäßig geringfügige Beschränkung des passiven Wahlrechts des Einzelnen gegenüber, die hinter den überwiegenden Gründen des Allgemeinwohls an einer kontinuierlichen Amtsführung zurücktritt. Die Festsetzung einer Altershöchstgrenze von 65 Jahren istverhältnismäßig und stellt keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner besonderen Ausprägung als Grundsatz der Allgemeinheit der Wahl dar.
2.2. Ungleichbehandlung von Bürgermeistern und Ministern
Auch einen von Seiten des Klägers behaupteten Verstoß der Regelung in § 61 Abs. 4 GO Nieders. gegen den allgemeinen Gleichheitssatz auf Grund der diesbezüglichen Ungleichbehandlung von Ministern und Bürgermeistern sah das Bundesverfassungsgericht nicht als gegeben.
Zwar steht der für Bürgermeister geltenden Regelung des § 61 Abs. 4 GO Nieders. keine entsprechende Altershöchstgrenze für Bundesminister und Minister des Landes Niedersachsen gegenüber, so dass für Ministerinnen und Minister keine vergleichbaren Beschränkungen bestehen. Entsprechendes gilt nach saarländischem Recht. Auch verbietet Art. 3 Abs. 1 GG die sachliche Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Dennoch ist die Regelung auch insoweit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Das Bundesverfassungsgericht wies zunächst zutreffend darauf hin, dass Art. 3 Abs. 1 GG "eine Gleichbehandlung nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs des jeweiligen Gesetzgebers verlangt" so dass jedenfalls das Fehlen einer entsprechenden Regelung auf Bundesebene im Hinblick auf § 61 Abs. 4 GO Nieders. und § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG für die Frage nach einem Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu berücksichtigen ist.
Aber auch das Fehlen einer entsprechenden Altershöchstgrenze für Landesminister in Niedersachsen bzw. im Saarland und somit innerhalb der Zuständigkeit des selben Gesetzgebers, der auch die Altershöchstgrenze für Bürgermeister festgelegt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn für die gesetzlich normierte Ungleichbehandlung von Bürgermeistern und Ministern hinsichtlich eines Höchstalters bestehen gewichtige Gründe: Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Gruppen liegt nämlich in der Kontrolle der individuellen Geeignetheit des künftigen Ministers durch die hierzu berufenen obersten Verfassungsorgane. So wird sich der Ministerpräsident eines Bundeslandes regelmäßig zunächst von der persönlichen Eignung eines Kandidaten überzeugen, auch unter Berücksichtigung seines Lebensalters, bevor er ihn zum Minister ernennt.
3 Demgegenüber fehlt es an einem vergleichbarer Kontrollmechanismus bei den gemäß § 54 Abs. 1 KSVG unmittelbar vom Volk gewählten Bürgermeistern. Hierin liegt ein hinreichender Grund für die rechtliche Ungleichbehandlung von Bürgermeistern und Ministern, so dass die unterschiedliche Behandlung beider Gruppen auch im Hinblick auf den allgemeinen Gleichheitssatz nicht zu beanstanden ist.
2.3. Berufsfreiheit nach Art. 12 GG
Der Kläger machte weiterhin eine Verletzung seines Grundrechts nach Art. 12 GG auf freie Berufsausübung geltend, gegen das die Regelung des § 61 Abs. 4 GO Nieders. als eine unzulässige subjektive Zulassungsbeschränkung verstoße, und daher verfassungswidrig sei. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass nach neueren Erkenntnissen der Altersforschung die Einschätzung, ab dem 65. Lebensjahr lasse der Beamte in seiner Leistungsfähigkeit nach, nicht mehr aufrechterhalten werden könne und insbesondere erfahrungsgebundene und praktische Intelligenz im Alter weitgehend erhalten blieben.
Zwar findet das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG auch im Bereich des öffentlichen Dienstes Anwendung; jedoch ermöglicht die Vorschrift des Art. 33 GG hier Sonderregelungen. Die Festsetzung einer Höchstaltersgrenze stellt eine subjektive Zulassungsvoraussetzung dar, die im Hinblick auf das Interesse der Allgemeinheit an einer kontinuierlichen und effektiven Amtsführung bis zum Ende der Amtszeit und damit aus Gründen des Allgemeinwohls unter besonderer Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit das Grundrecht aus Art. 12 GG zulässigerweise einschränkt.
3. Ergebnis
Die Festsetzung einer Altershöchstgrenze für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister nach § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG ist nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts somit verfassungsgemäß. Insbesondere hat das Gericht zu Recht darauf hingewiesen, dass auch die neuere Altersforschung keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung gebe, wenn eine Altershöchstgrenze eine (reguläre) Amtsführung bis in das 70. Lebensjahr hinein, nach § 54 Abs. 1 Satz 2 KSVG sogar bis in das 73. Lebensjahr, zulässt. Ungeachtet der fortschreitenden medizinischen Entwicklung und der ansteigenden mittleren Lebenserwartung entspricht es doch noch immer der allgemeinen Lebenserfahrung, dass die Belastbarkeit mit zunehmendem Lebensalter zurückgeht, ein Grundsatz, dem auch beispielsweise die allgemeinen Renten- und Ruhestandsregelungen für Rechnung tragen. Dies gilt um so mehr, als das Bürgermeisteramt in hohem Maße auch eine ständigen persönlichen Einsatz erfordert.
1 Kommunalselbstverwaltungsgesetz
2 Gemeindeordnung
3 vgl. Art. 87 Abs. 1 Satz 2 Saarl. Verfassung