Thilo
Schulz
In
den letzten Jahren taucht das Stichwort Mediation immer häufiger auf,
sowohl in der öffentlichen Diskussion, als auch in Fachzeitschriften und
Literatur gerade für Juristen (z.B. NJW 1999, S.1238ff; JuS 1997,
S. 352ff, Breidenbach: Mediation für Juristen, Köln, 1997). Was
Mediation überhaupt ist, ihre Zielsetzung, ihre Möglichkeiten,
Anwendungsfelder und Probleme, das ist (und bleibt) dennoch vielen unklar.
Ich möchte mit meinem Beitrag eine kurze Einführung in dieses Thema geben,
das im Studium nicht einmal ansatzweise berücksichtigt wird. Ich bin der
Meinung, daß dies sehr bedauerlich ist, da sich durch eine
Mediatorenausbildung für Juristen ganz neue, sehr interessante
Tätigkeitsfelder öffnen.
Nach einer kurzen Skizzierung der Umrisse
von Mediation möchte ich ihre Entwicklungsgeschichte darstellen, dann
Mediation von anderen Möglichkeiten der Konfliktbewältigung abgrenzen, die
Stellung von Mediation in unserer Rechtsordnung näher beleuchten, und
schließlich verschiedene mögliche Einsatzfelder für Mediation darstellen.
I. Einführung
Ganz
allgemein für alle Anwendungsbereiche kann man Mediation so beschreiben:
"Mediation ist ein außergerichtliches, freiwilliges
Konfliktbearbeitungsverfahren, in dem die Konfliktpartner mit
Unterstützung eines neutralen Dritten ohne inhaltliche
Entscheidungsbefugnis (MediatorIn) gemeinsame, aufeinander bezogene
Entscheidungen treffen"(Mähler/Mähler in: Breidenbach, Mediation für Juristen, S.15).
Soweit wie möglich wird dabei auf die Interessen der Beteiligten Bezug
genommen, es wird versucht, die Lösung für beide zu einem "Gewinn" zu
machen. Es gehört für die Konfliktparteien auch dazu, sich nicht nur über
seinen eigenen Standpunkt klar zu werden, sondern auch zu versuchen, die
Sicht der Realität des anderen zu verstehen. Am Ende steht dann im
Erfolgsfall ein (rechtsverbindlicher) Vertrag zwischen den beiden
Parteien.
1. Entwicklungsgeschichte
"Vermittlung" als eine Möglichkeit, Konflikte friedlich zu lösen,
hat eine lange Tradition, in unterschiedlichen Kulturen und sozialen
Zusammenhängen. So finden sich im christlich-abendländischen Bereich
Anspielungen auf vermittelnde (einvernehmliche) Konfliktregelung schon in
der Bibel (vgl. Matthäus 5,9; 1. Timotheus 2, 5;
1.Korinther 6, 1-4). Auch
in anderen Kulturkreisen gab (und gibt) es Techniken der Vermittlung zur
Konfliktlösung. In China z.B. ergab sich der Vorrang von Vermittlung vor
anderen Methoden aus der konfuzianischen Ethik, die befriedigende Lösungen
durch Einsicht bzw. Vereinbarung zum Ziel hatte. Gegnerschaftliche
Verfahrensstrukturen sah man als störend für eine harmonische Beziehung
an, da diese das genaue Gegenteil der zentralen konfuzianischen Gedanken
von Frieden und Verständigung verkörpern (vgl. Proksch, R.: Geschichte
der Mediation, S.173 in : Krabbe, Scheidung ohne Richter, Hamburg, 1993).
Diese Gedanken wirken selbst heute noch bei der Lösung von (gerichtlichen)
Streitigkeiten in der Volksrepublik China fort. In Japan war (und ist) die
Situation ähnlich. So wurde z.B. vom Vorsitzenden einer Dorfgemeinschaft
erwartet, daß er Dorfmitglieder bei der Regelung von Konflikten
unterstützte. Schon vor dem zweiten Weltkrieg waren im japanischen
Gerichtsverfahren Möglichkeiten zur Schlichtung persönlicher
Streitigkeiten vorhanden (Proksch, aaO, S.174).
Auch in Afrika, Bereichen der Südsee und Lateinamerika lassen sich lange
historische Erfahrungen mit vermittelnder Streitbeilegung nachweisen ( weiter Nachweise bei Proksch, aaO).
Mediation in dem Sinne, wie sie heute verstanden wird (s.o.),
wurde Anfang der siebziger Jahre in den USA entwickelt. Dabei handelt es
sich nur um einen Aspekt der dort weit verbreiteten Aktivitäten zur
alternativen Streitbeilegung (Alternative Dispute Resolution, kurz: ADR ).
Es setzte sich die Erkenntnis durch, daß vielfach juristische Konflikte
von persönlichen Beziehungskonflikten überschattet und beeinflußt werden,
und eine möglichst für alle Beteiligten interessengerechte Lösung nicht
durch eine richterliche Entscheidung erreichbar ist. Besonders deutlich
zeigte sich dieser Befund in Scheidungs- und Scheidungsfolgeverfahren.
Anwälte begannen, Alternativen zum Rechtsstreit in diesem Bereich zu
entwickeln. Im Jahr 1973 wurde erstmals auch von den Gerichten neue Wege
beschritten: in Los Angeles County, Dane County (Madison), Wisconsin,
Santa Clara County (Kalifornien) und Hennepin County (Minneapolis) wurden
streitige Sorgerechts- und Besuchsrechtssachen an sog. "Concialiation
Courts" abgegeben (Proksch, aaO,
S. 175).
Dort wurde den Eltern die Möglichkeit gegeben, eigenverantwortlich eine
Lösung für ihren Konflikt zu finden. Da dieses Experiment eine sehr hohe
Erfolgsquote aufwies, gingen 1976 die Gerichte in Los Angeles und San
Francisco dazu über, alle streitigen Sorge- und Besuchsrechtssachen an die
"Concialiaton Courts" zu überweisen. 1980 wurde in Kalifornien ein Gesetz
erlassen (Senate Bill 961),
das die Durchführung eines Vermittlungsverfahrens zur Pflicht machte, ehe
man vor Gericht ziehen konnte; gleichzeitig wurde die Finanzierung der
Vermittlungsstellen gesichert (Proksch, aaO, S. 176).
Mediation breitete sich in den folgenden Jahren mehr und mehr aus.
In Deutschland nahm man erst Anfang der 80er Jahre von Mediation
überhaupt Notiz. Auch hierzulande wurde Mediation zuerst als Alternative
zum Rechtsstreit bei Trennung und Scheidung entdeckt, dessen Mängel schon
seit längerer Zeit bekannt waren. Beachtung in Expertenkreisen fand das
Thema aber erst nach einem Vortrag an der Evangelischen Akademie
Arnoldsheim im Jahr 1988, bei dem von Roland Proksch außergerichtliche
Modelle zur Konfliktlösung bei Trennung und Scheidung vorgestellt wurden
(vgl. Mähler/Mähler in:
Mediation: Die andere Scheidung, Stuttgart 1995, S.17).
Es bildeten sich verschiedene Arbeitskreise zu diesem Thema in der ganzen
BRD, ab 1989 gab es Seminare mit amerikanischen Trainern. Im Jahr 1991
fand ein Kongreß zum Thema Mediation in Bonn statt, der von der DAJEB (Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugend- und Eheberatung)
ausgerichtet wurde. Im gleichen Jahr bot der Deutsche Familiengerichtstag
eine Arbeitsgruppe zur Mediation an. Im Jahr 1992 wurde der erste große
Zusammenschluß von Mediatoren, die Bundesarbeitsgemeinschaft für
Familienmediation (BAFM) gegründet. Auch in anderen Bereichen (z.B.
Wirtschaftsmediation (z.B. BMWA, Bundesverband für Mediation in
Wirtschaft und Arbeitswelt)
setzte sich Mediation unter Fachleuten immer mehr durch.
Bevor ich
zur Beschreibung des Mediationsverfahrens komme, möchte ich zuerst andere,
schon länger praktizierte Verfahren zur Lösung von Konflikten kurz
beschreiben.
2. Bekannte Verfahren zur
Konfliktlösung
Dabei gibt es herkömmlicherweise
Verfahren außerhalb und innerhalb der Justiz zur Lösung von Konflikten.
Ansätze und Ziele sind dabei verschieden.
a) Außergerichtliche
Verfahren
Zwei Möglichkeiten, die allerdings nur bei Ehe- und
Familiensachen ein Rolle spielen und wegen der überwiegend psychologischen
Ausrichtung hier nur kurz angesprochen werden können, sind Beratung und
Therapie. Die rechtlichen Aspekte des Konflikts werden hier nicht
betrachtet, es stehen vielmehr die persönlichen inneren und die
zwischenmenschlichen Konflikte im Mittelpunkt, die in einschneidenden
Lebenssituationen entstehen können. Beratungen werden in
Erziehungsberatungsstellen, in Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen
sowie in speziellen Trennungs- und Scheidungsberatungstellen angeboten.
Sie können vor, während oder nach Trennung/Scheidung durchgeführt werden,
um den Betroffenen bei der Bewältigung der Probleme, die mit der
Krisensituation entstanden sind, zu helfen. Therapien werden meist von
Psychologen in Einzelpraxen angeboten. Sie behandeln die seelischen
Störungen und Krankheiten, die in Lebenskrisen häufig auftauchen und mit
denen der Betroffene allein nicht zurechtkommt.
b) Verfahren im
Justizbereich
Im Justizbereich gibt es als mögliche Varianten
der Konfliktbehandlung zum einen außergerichtliche Verhandlungen durch
Anwälte, zum anderen das Gerichtsverfahren. Außergerichtliche
Verhandlungen machen heute schon den überwiegenden Teil der anwaltlichen
Tätigkeit aus (nach neueren Studien weit über 70%, Strempel,D. in:
Gottwald/Strempel, Streitbeilegung, Köln, 1995 , S.188 ). Durch
Verhandlungen ist es in vielen Fällen möglich, einen Prozeß schon im
Vorfeld zu vermeiden. Allerdings ist die Situation bei außergerichtlichen
Verhandlungen durch Anwälte anders als bei einem Mediationsverfahren nicht
so flexibel. Die Anwälte beider Seiten müssen immer mit der Möglichkeit
rechnen, daß es doch noch zu einem Prozeß kommt, falls die Verhandlungen
scheitern. Deshalb müssen sie immer darauf achten, die rechtliche Stellung
ihres Mandanten nicht zu gefährden, indem sie etwa (aus ihrer Sicht) zu
große Zugeständnisse machen oder wertvolle Informationen preisgeben.
Oftmals erfolgt beim Verhandeln eine Orientierung am Gesetz mit Blick auf
ein mögliches Urteil, das im Falle des Scheiterns der Verhandlungen
ergehen könnte. Dadurch ist der (Ver-)Handlungsspielraum eingeengt, es
stehen weniger kreative Lösungswege als im Mediationsverfahren offen (vgl. Mähler/Mähler/Duss-von Werdt: Faire Scheidung durch
Mediation, S.29). Die
zweite Variante im Justizbereich ist das Gerichtsverfahren. Erhebt eine
Partei Klage, kommt es zum Prozeß. Das Ziel jedes Prozesses ist eine
Entscheidung des Konflikts durch den Richter. Er wird zwar oft einen
Vergleich der Parteien anregen. Bleibt dieser Versuch aber fruchtlos,
fällt er ein Urteil. Da es (zumindest im Zivilprozeß) um Ansprüche aus
Verträgen oder Gesetz geht (an das der Richter gem. Art.20 III GG gebunden
ist!), ist der Handlungsspielraum für eine Lösung hier am weitesten
eingeschränkt: bei Ansprüchen handelt es sich immer um Positionen (dazu
unten mehr). Die Interessen der Beteiligten bleiben dabei außen vor.
Daraus folgt, daß das Urteil eine Entweder-Oder-Entscheidung zwischen
Positionen ist, d.h. nur einer kann "gewinnen"(wenn der Anspruch besteht),
der andere "verliert" den Prozeß (wenn der Anspruch nicht besteht, Mähler/Mähler/Duss-von Werdt,
aaO, S.28).
Es handelt sich um ein sog. Nullsummenspiel, da der Gewinn des Einen
zugleich der Verlust des Anderen ist. Auch ist durch das Denken in
Positionen eine Eskalation des Konflikts "vorprogrammiert".
II. Mediation
Mediation geht dem
gegenüber einen anderen Weg. Es geht nicht um "Ansprüche" (Positionen),
die man mit der Macht des Gesetzes durchsetzen will, sondern um möglichst
optimale Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten bei dem
Versuch, den Konflikt einvernehmlich zu lösen.
1. Positionen und Interessen
Um die
Vorgehensweise im Mediationsverfahren zu verstehen und die Unterschiede zu
den oben genannten Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung herauszuarbeiten,
ist es wichtig, sich über den grundlegenden Unterschied von Positionen und
Interessen klar zu werden. An dem berühmten Beispiel mit der Apfelsine
(vgl. Haft: Verhandeln, München 1992, S.107)
läßt sich dies leicht anschaulich machen: zwei Schwester streiten sich um
eine Apfelsine. Nach außen hin beansprucht jede der beiden die ganze
Apfelsine für sich. Dies ist die Ebene der Positionen, die auch dem
externen Betrachter der Situation sofort ins Auge fällt. Ist das
Kräfteverhältnis zwischen den Schwestern einigermaßen ausgewogen oder
verlangen sie von ihren Eltern eine Entscheidung, werden sie wohl
letztendlich die Apfelsine in zwei Hälften aufteilen (müssen). Begibt man
sich von der Ebene der Positionen auf die (innerpersonale) Ebene der
Interessen, fragt man nach den wirklichen Beweggründen der beiden, zeigt
sich ein ganz anderes Bild: der einen Schwester geht es gar nicht um das
Fruchtfleisch, sie möchte nur die Schale zum Backen, während es der
anderen gerade auf den Saft und nicht auf den Rest der Frucht ankam. Der
Wechsel der Ebenen ermöglicht den Weg zu einer Lösung, die beide
zufriedenstellt, ja mehr noch, zu einer Lösung, die die jeweiligen
Interessen optimal bedient.
2. Grundprinzipien
der Mediation
Das Denken in Interessen statt Positionen
wird bei der Mediation mit verschiedenen Prinzipien verbunden, die es den
Parteien ermöglichen, die Bearbeitung des Konflikts selbst in der Hand zu
behalten und nicht an Dritte (z.B. Anwälte, Richter) abzugeben. Diese
Prinzipien sind
- Freiwilligkeit - Eigenverantwortlichkeit -
Informiertheit - Vertraulichkeit - Neutralität des Mediators.
a) Freiwilligkeit
Das Ziel eines
Mediationsverfahrens ist eine einvernehmliche Beilegung des Konflikts der
Parteien, die in einem rechtsverbindlichen Vertrag festgehalten wird.
"Vertrag" kommt von "sich vertragen". Deshalb ist eines der wichtigsten
Prinzipien der Mediation die Freiwilligkeit. Nur wenn sich alle
Beteiligten (einschließlich des Mediators!) freiwillig, ohne Zwang zur
Aufnahme und Durchführung des Mediationsverfahrens entschließen, besteht
die Chance, daß überhaupt die Voraussetzungen für eine konstruktive Lösung
entstehen (daß sie sich wieder "vertragen") und daß im Erfolgsfall der
Vertrag tatsächlich von den Parteien mitgetragen wird und so letztendlich
von Dauer sein kann. Ein "Vertrag", der unter Zwang geschlossen wird, wird
schnell als ungerecht empfunden und kaum von langer Dauer sein. Zum
Merkmal der Freiwilligkeit gehört auch, daß der Prozeß von jedem
Beteiligten jederzeit abgebrochen werden kann (v. Hoyningen-Huene, JuS 1997, 352).
b) Eigenverantwortlichkeit
Wie oben dargestellt,
stehen bei der Mediation die Interessen der Beteiligten im Mittelpunkt,
nicht die Positionen. Da nur die Parteien selbst wissen, was ihre wahren
Interessen hinter den Positionen sind, ist es nur folgerichtig, daß sie
ihre Interessen auch selbst wahrnehmen (Diez/Krabbe, FRP 1996, 5).
Anders als im Jusitzbereich halten hier die Parteien bildlich gesprochen
die Zügel selbst in der Hand, da der Mediator nicht die Rolle des
Interessenvertreters hat, sondern nur Ausgleich und Verständnis zu fördern
sucht. D.h. es findet keine Übertragung des Konflikts auf einen anderen
statt, jeder muß seinen Standpunkt selbst verdeutlichen, dem anderen
nahebringen und auch das Ergebnis verantworten. Der Mediator gibt dabei
beiden nur Unterstützung.
c) Informiertheit
Damit
die Parteien nun tatsächlich die "Herren des Verfahrens" sein und eine
eigenverantwortliche Entscheidung treffen können, muß neben Freiwilligkeit
und Eigenverantwortlichkeit ein weiterer Faktor vorhanden sein: volle
Informiertheit der Parteien. Es müssen alle für die Entscheidung
relevanten Fakten aufgedeckt werden. Dazu gehören neben reinen
Sachinformationen gerade auch die Interessen, von denen die jeweilige
Partei geleitet wird, da durch sie der Weg zu einer möglichst optimalen
Lösung eröffnet wird. Ist der Mediator Jurist, kann er bei Bedarf auch
sein Rechtswissen in den Prozeß einbringen und den Parteien zur Verfügung
stellen (v.Hoyningen-Huene, JuS 1997, 353).
d) Vertraulichkeit
Um volle Informiertheit der
Parteien zu gewährleisten, müssen alle Informationen, die in den
Mediationsprozeß eingebracht werden, streng vertraulich behandelt werden.
Es muß gleich zu Beginn der Verhandlungen eine Regelung getroffen werden,
nach der sich die Konfliktparteien verpflichten, ihre Kenntnisse aus dem
Mediationsverfahren nicht in einem Gerichtsprozeß gegen den anderen zu
verwenden, falls die Mediation scheitert. Hierin liegt auch ein gewisser
Schwachpunkt des Verfahrens, da Vertraulichkeit der Parteien nie restlos
sichergestellt werden kann. Allerdings zeigen die Ergebnisse aus den USA,
daß diese Vereinbarungen meistens eingehalten werden; ein Grund dafür
könnte eventuell das Prinzip der Gegenseitigkeit sein nach dem Motto:
Schadest Du mir, schade ich Dir (Mähler/Mähler, Mediation in der Praxis, in: Mediation:
Die andere Scheidung, Stuttgart 1995, S.132).
Der Mediator leistet seinen Beitrag zur Vertraulichkeit, indem er sich
verpflichtet, im Falle des Scheiterns weder als Zeuge noch als Vertreter
einer der Parteien noch als Gutachter in einem späteren Gerichtsprozeß
aufzutreten (Mähler/Mähler, aaO, S.133).
e) Neutralität des Mediators
Neutralität des
Mediators bedeutet Wahrnehmung seiner Rolle als Vermittler zwischen den
Parteien. Um diese Rolle wahrnehmen zu können, muß der Mediator sich auf
die Parteien einlassen. Es ist seine Aufgabe, den Parteien bei der exakten
Formulierung ihrer Interessen zu helfen, die Akzeptanz für die Sichtweisen
des jeweils anderen zu fördern, auf dieser Basis verschiedene mögliche
Lösungsoptionen zu entwickeln und (als Anwalt) diese in die juristische
Terminologie zu übersetzen, ohne dabei dem einen oder dem anderen eine
mögliche Lösung als vermeintlich beste zu verkaufen (Mähler/Mähler, aaO,
S.133).
Durch die vielfältigen psychodynamischen Prozesse, die während des
Mediationsverfahren zwischen allen Beteiligten auftreten, ist der Mediator
auch an diesem Punkt ständig gefordert. So etwa, wenn ihn die Parteien auf
ihre Seite ziehen oder ihn in die Richterrolle drängen wollen, oder wenn
dem Mediator eine Partei sympathischer ist als die andere ( Mähler/Mähler, aaO).
3. Verlauf des Mediationsverfahrens
Das Mediationsverfahren ist immer ein mehrstufiger Prozeß. Bei der
Einteilung der Phasen sind verschiedene Möglichkeiten denkbar (vgl. v. Hoyningen-Huene, JuS 1997, 353f.).
Ich möchte mich hier der gebräuchlichen und anerkannten Unterscheidung von
fünf Abschnitten (Diez/Krabbe: Was ist Mediation? - Praktische
Gebrauchsanleitung für ein außergerichtliches Vermittlungsverfahren, in:
Krabbe (Hg.): Scheidung ohne Richter, Reinbeck 1991;
Mähler/Mähler/Duss-von Werdt: Faire Scheidung durch Mediation, 1994, S.)
anschließen, da sie der inneren Logik des Prozesses entsprechen und für
jedes Anwendungsgebiet der Mediation (siehe unten) gut verwendbar sind.
Die Stufen haben folgenden Inhalt (Mähler/Mähler: Mediation in der Praxis, in:
Mähler/Mähler/Duss-von Werdt, Mediation: Die andere Scheidung, Stuttgart
1995, S. 134):
- Stufe 1: Aushandeln des Mediationsvertrags als Grundlage für das
weitere Vorgehen - Stufe 2: Erarbeitung der Themenbereiche,
Bestandsaufnahme - Stufe 3: Bearbeitung der Konfliktfelder - Stufe
4: Einigung, Abschluß einer Vereinbarung - Stufe 5: Juristische
Gestaltung, Beendigung des Prozesses
a) Der
Mediationsvertrag
Der erste Schritt in Richtung Erfolg beginnt
mit dem Aushandeln des Mediationsvertrages. Da die Vereinbarungen, die in
diesem frühen Stadium getroffen werden den weiteren Ablauf bestimmen, ist
gleich zu Anfang ein äußerst sorgfältiges Vorgehen geboten. Viele Menschen
haben nur eine ungefähre Ahnung, was Mediation ist und häufig fehlen
konkrete Vorstellungen über den Verlauf der Sitzungen. Deshalb wird der
Mediator mit einer Klärung diesbezüglicher Fragen beginnen, z.B. über
Kosten, Ort und Dauer des Mediationsverfahrens mit den Parteien reden. Um
die Grundlagen der Mediation zu erläutern, aber auch um Alternativen zu
schildern, kann eine Abgrenzung zu den oben beschriebenen Möglichkeiten
der Konfliktlösung sinnvoll sein. Schon (oder gerade) in dieser Phase muß
der Mediator für sich prüfen, ob Mediation für die Parteien überhaupt der
richtige Weg sein kann. Ist er selbst nicht davon überzeugt, wird er dies
den Parteien mitteilen und sie auf die anderen Möglichkeiten verweisen,
bzw. einen späteren Zeitpunkt für einen neuen Versuch vorschlagen. Kommt
er zu der Überzeugung, daß die Mediation Erfolg haben kann, müssen
Grundregeln für das Verhalten während der Sitzungen vereinbart werden
(z.B. der Hinweis, daß Gegenbeschuldigungen und dauernde Unterbrechungen
nicht erlaubt sind, Diez/Krabbe, aaO, S.114).
Grundregeln und Rahmenbedingungen sollten schriftlich fixiert und der
Vertrag dann von allen Beteiligten unterzeichnet werden (vgl. Mähler/Mähler,aaO S. 135).
b) Erarbeitung der Themenbereiche
Ist die erste
Phase erfolgreich abgeschlossen worden, müssen die Inhalte
zusammengestellt werden, um die es im Mediationsprozeß gehen soll. Es
handelt sich hier um eine Standortbestimmung der Parteien, jeder ist dazu
angehalten, sich über seine Ausgangsposition Klarheit zu schaffen (Mähler/Mähler/Duss-von Werdt, Faire Scheidung durch
Mediaton, 1994, S. 52f).
Dabei spielt Offenheit der Parteien eine große Rolle, da alle erheblichen
Informationen bekanntgemacht werden müssen (Grundsatz der Informiertheit,
s.o.). Der Mediator muß in diesem Stadium sein Augenmerk vor allem darauf
richten, daß sich die Fronten nicht so verhärten, daß keine weiteren
Verhandlungen mehr möglich sind, da durch das Denken in Positionen der
Streit leicht eskalieren kann (Haft aaO).
Um dem vorzubeugen und den weiteren Verlauf der Verhandlung
vorzustrukturieren empfiehlt es sich, gleich die Punkte hervorzuheben und
abzuschließen, in denen bei den Parteien Einigkeit besteht (Haft aaO).
Die offenen Punkte können nach ihrer Priorität für die Parteien geordnet
werden. In dieser Phase der Bestandsaufnahme finden noch keine
Verhandlungen über die Konfliktfelder statt.
c) Bearbeitung der
Konfliktfelder
Die dritte Phase ist ein sehr schwieriger
Abschnitt des Mediationsprozesses: nun müssen die Konfliktfelder behandelt
werden. In der zweiten Phase fand die Klärung der Position der jeweiligen
Parteien statt. Nun muß der schwierige Schritt von der Ebene der
Positionen zur Ebene der Interessen unternommen werden, um die
Voraussetzungen für eine einvernehmliche Lösung zu schaffen. Um diesen
Schritt vollziehen zu können, müssen die Parteien die jeweils
unterschiedliche Sichtweise des Anderen (an)erkennen und nach den für sie
gültigen Entscheidungsmaßstäben suchen (Mähler/Mähler,
Mediation in der Praxis, S. 136ff.; in: Mähler/Mähler/Duss-von Werdt,
Mediation: die andere Scheidung, Stuttgart 1995). Schon
der erste Punkt bereitet erhebliche Schwierigkeiten, da viele Menschen im
Glauben an eine objektive Wahrheit ihre Sicht der Dinge für die "richtige"
und die des anderen für "falsch" halten. Es ist deshalb die (schwierige)
Aufgabe des Mediators, sich selbst über die unterschiedlichen Sichtweisen
klar zu werden und dann zu versuchen, bei den Parteien Verständnis für die
Sichtweise des anderen zu wecken, ohne dabei den Eindruck hervorzurufen,
eine Ansicht zu bevorzugen. Gelingt dies, ist der Weg zur Ebene der
Interessen offen. Es geht dann um die "wirklichen" Beweggründe der
Parteien, die hinter den Positionen stehen (vgl. oben das Beispiel mit der
Apfelsine!) und von diesen verdeckt werden. Wie oben schon gesagt fördern
Positionen eine Eskalation des Konflikts, da es zwischen ihnen nur eine
"Entweder-Oder"-Entscheidung gibt. Da die Interessen oft sehr
unterschiedlich sind und gerade deshalb in einen optimalen Ausgleich
gebracht werden können, ist auf dieser Ebene eine "sowohl-als-auch" Lösung
möglich. Um die Interessen richtig gewichten und darauf aufbauend
Entscheidungen treffen zu können, müssen sich die Parteien über die
jeweiligen für sie ausschlaggebenden Entscheidungsmaßstäbe im klaren sein.
Diese können je nach Situation ganz unterschiedlich sein, z.B. materielle
Sicherheit, individuelle Freiheit, persönliche Beziehungen. In diesem
Zusammenhang ist es natürlich auch möglich, das geltende Recht oder ihm
zugrundeliegende Prinzipien zum Entscheidungsmaßstab zu machen, zwingend
ist dies aber im Gegensatz zu den justitiellen Verfahren gerade nicht.
d) Einigung
Nachdem die Konfliktfelder bearbeitet
wurden und die Parteien sich so weit wie möglich über ihre eigenen
Interessen, die Interessen des Anderen und die für sie gültigen
Entscheidungsmaßstäbe klargeworden sind, geht es nun darum, eine
einvernehmliche Lösung für den Konflikt zu finden. Ein wichtiger Aspekt
dabei ist die Vergrößerung des zu verteilenden "Kuchens" (vgl. Haft, Verhandeln, S.100ff.).
Das bedeutet, mögliche Alternativen für eine Beedigung des Konflikts zu
bestimmen, die beiden Partnern (aus ihrer Sicht) einen Vorteil bringen und
deshalb auch eine tragfähige Grundlage für eine einvernehmliche Regelung
sein können. Es ist wichtig, sich dabei von den bisherigen Positionen
freizumachen, da diese ja gerade keine Lösung ermöglichen, die für beide
ein Vorteil ist. Nun müssen, ausgehend von den herausgearbeiteten
Interessen der Parteien in einem ersten Schritt verschiedene denkbare
Varianten gesammelt werden (etwa durch Brainstorming) und diese
anschließend in einem zweiten Schritt ausgewertet werden. Bei der
Auswertung kommt es nun darauf an, die Lösung zu finden, die sich mit den
Interessen beider Parteien möglichst optimal deckt, da nach dem Grundsatz
der Eigenverantwortlichkeit jede Partei für das gefundene Ergebnis
einstehen und es vor sich selbst verantworten muß. Können die Parteien
keine der Lösungsvariaten wirklich akzeptieren und verantworten, ist es
möglich, daß der Mediator noch in dieser Phase die Verhandlungen beendet.
Kommt es zu einer Eingung, geht das Verfahren in seine letzte Phase.
e) Juristische Gestaltung der Einigung, Beendigung
Ist eine Einigung zustande gekommen, muß diese noch in die
juristische Terminologie übersetzt werden. Der Mediator wechselt hier
zurück in einen spezifisch juristischen Bereich, der für Anwälte auch
außerhalb der Mediation eine große Rolle spielt: die Vertragsgestaltung.
Ausgehend von der gefundenen Einigung erstellt er einen für beide Parteien
rechtsverbindlichen Vertrag. Ein Vertrag hat gegenüber einem Urteil den
Vorteil, daß er eine flexible Regelung ermöglicht. Ein Urteil entscheidet
im Normalfall den zu beurteilenden Sachverhalt ein für alle mal. Im
Vertrag kann dagegen eine Klausel aufgenommen werden, die eine regelmäßige
Überprüfung der Einigung vorsieht und Neuverhandlungen über bestimmte
Punkte ermöglicht, wenn sich die Sachlage mit der Zeit ändert und die
Regelung überholt ist (Mähler/Mähler: Mediation in der Praxis, aaO, S. 138). Ist
der Vertrag von den Parteien überprüft und akzeptiert worden, kann das
Mediationsverfahren beendet werden.
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