Herzlich willkommen auf jurawelt.com

Zur neuen Webseite: jurawelt.com

Zum Forum: forum.jurawelt.com


"Die neuen 'ereignis- und verdachtsunabhängigen' Befugnisse im Polizeirecht" von Stefan Lindig
Stand: 1. Juli 1999

Die neuen "ereignis- und verdachtsunabhängigen" Befugnisse im Polizeirecht Verschleierte Gefahrensuche im grenzenlosen Vorfeld

von stud.iur. Stefan Lindig, Regensburg


Die Landespolizeien in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen sowie der Bundesgrenzschutz als Sonderpolizei des Bundes haben seit 1995 bis heute neue Befugnisse erhalten. In Hessen sollen sie demnächst kommen. Durch sie sollen die durch den Abbau der Grenzkontrollen an den Schengen-Grenzen (Staaten im Schegener Übereinkommen sind Belgien, BRD, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien) entstehenden Sicherheitsdefizite ausgeglichen werden (Beinhofer, BayVBl 95, 193 (ebd.)). In der Öffentlichkeit sind diese Novellierungen unter dem Schlagwort "Schleierfahndung" bekannt geworden.

Die neuen Befugnisse zeichnen sich vor allem durch das Fehlen des Tatbestandsmerkmals "zur Abwehr einer Gefahr" aus (unter Gefahr wird eine Sachlage verstanden, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung polizeilicher Schutzgüter führt, so z.B. Nr. 11.4 Vollzugsbekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, abgedruckt bei Honnacker/Beinhofer, PAG, 17. Auflage 1999, Stuttgart u.a., Art 11 BayPAG; Gallwas/Mössle, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 2. Auflage, Stuttgart, 1996; Knemeyer, Polizei- und Ordnungsrecht, München, 6. Auflage, 1995, Rdn 61). Dies allein ist noch nicht ungewöhnlich, wie die bereits in § 9 MEPolG vorgesehenen Kontrollbefugnisse an "gefährlichen Orten" (z.B. Razzia in einer Disko, wo mutmaßlich Vergehen und Verbrechen nach §§ 29ff BtMG verübt werden), an "gefährdeten Objekten" (z.B. an S-Bahn-Abstellgleisen, wenn Graffitikünstler unterwegs sind), und an Kontrollstellen (z.B. vor Demonstrationen) beweisen, die allesamt keine (konkrete) Gefahr voraussetzen. Die Identitätsfeststellung an "gefährdeten Objekten" verlangt aber wenigstens noch, dass "Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass an oder in Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen, die...", ist also ereignisabhängig (ebenso: Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 2. Auflage, München, 1996, F 218). Die ID-Kontrolle an "gefährlichen Orten" ist demgegenüber schon ereignisunabhängig, verlangt aber immerhin "tatsächliche Anhaltspunkte, dass dort Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben ...", also mit anderen Worten einen wie auch immer gearteten "Verdacht" (Verdacht hier freilich nicht im "technischen" Sinne der StPO). Es handelt sich um eine ereignisunabhängige, aber "verdachts"abhängige Norm.

Die neuen Polizeibefugnisse, die im folgenden Beitrag näher beleuchtet werden sollen, zeichnen sich, und das ist in der Tat eine Innovation, durch völlige Ereignis- und Verdachtsunabhängigkeit aus. Verdachtsunabhängigkeit wird hierbei üblicherweise auch im Sinne eines Fehlens eines einfachen Anfangsverdachts iSd StPO verstanden. Man kann sagen, dass es mit der Einführung dieser neuen Regelungen für Polizeikontrollen keines "probable cause" mehr bedarf. Aus diesem Grunde verdient nicht nur die einfachgesetzliche Rechtslage (unter I.) unser außerordentliches Interesse, sondern ganz speziell auch die Verfassungsmäßigkeit der Novellierungen (unter II.).

I. Einfachgesetzliche Rechtslage

Die gesetzlichen Grundlagen für die Schleierfahndung lassen sich einmal systematisieren nach Grundmaßnahme (Identitätsfeststellung durch Befragung und Verlangen der Ausweispapiere) und Folgemaßnahmen (Sistierung, Durchsuchung der Person und ihrer Sachen sowie erkennungsdienstliche Maßnahmen zur Identitätsfeststellung, Durchsuchung der Person und ihrer Sachen zu weiterer Gefahrensuche und alle anderen Befugnisse, die sich eröffnen, wenn eine konkrete Gefahr gefunden wird/ Die Begriffe sind nicht zu verwechseln mit denen der Primär- und Sekundärmaßnahme). Andererseits muss auch herausgestellt werden, dass die einzelnen Polizeigesetze unterschiedlich weit reichen. Es gibt sozusagen "Schleierfahndung light" (Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) und Niedersächsisches Gefahrenabwehrgesetz (NGefAG)) und "Schleierfahndung intensiv" (Polizeigesetz Baden-Württemberg (PolGBW), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz (BayPAG), Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV), Thüringisches Polizeiaufgabengesetz (ThürPAG)).

1. Schleierfahndung intensiv

a. Überblick
Die Grundmaßnahme besteht nach allen Landespolizeigesetzen in einer Identitätsfeststellung, für die jedermann polizeipflichtig ist, der sich im objektiven Geltungsbereich der Norm, dem sog. Schleier aufhält (§ 26 I Nr. 6 PolGBW, Art 13 I Nr. 5 BayPAG, § 29 I S.2 Nr.5 SOG MV, § 14 I Nr. 5 ThürPAG). Sie erfolgt zunächst durch Befragung und/oder Aufforderung, mitgeführte Ausweise vorzulegen.
Daran können Folgemaßnahmen anknüpfen, für die ebenfalls keine konkrete Gefahr zu bestehen braucht:

· Die Polizei kann die zur Identitätsfeststellung erforderlichen Maßnahmen treffen. Dazu gehört die Durchsuchung von Sachen des Betroffenen (Art 13 II S. 4 Alt.2 BayPAG, § 26 III S.2 SOG MV, § 14 II S.4 ThürPAG, allerdings nicht ausdrücklich im PolGBW) oder der Betroffenen selbst (Art 13 II S.4 Alt.1 BayPAG, § 26 III S.3 SOG MV, § 14 II S.4 ThürPAG, nicht ausdrücklich im PolGBW). Ebenso ist Sistierung (Mitnahme zur Dienststelle) möglich (§ 26 II S. 3 PolGBW, Art 13 II S.3 BayPAG, § 26 III S.2 SOG MV, § 14 II S.3 ThürPAG). Zu beachten ist, dass diese Maßnahmen auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können.
· Wenn die Identitätsfeststellung auf andere Weise oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, kann die Polizei auch erkennungsdienstliche Maßnahmen (Fingerabdrücke, Lichtbilder, Feststellung äußerer körperlicher Merkmale, Messungen) vornehmen (§ 36 I Nr. 1 PolGBW, Art 14 I Nr. 1 BayPAG, § 16 I Nr. 1 ThürPAG, § 31 I S. 1 SOG MV). Zwangsmitteleinsatz ist möglich.
· Nach § 28 I Nr. 3 PolGBW darf der Betroffene in Gewahrsam genommen werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.
· Ist die Identität festgestellt, kann der Betroffene noch nicht aufatmen. Die Polizeibeamten können in Bayern und Thüringen weiter nach Gefahren suchen, und zwar in den Sachen des Betroffenen (Art 22 I Nr. 4 BayPAG, § 24 I Nr.4 ThürPAG), in Baden-Württemberg jedoch nur bei Verdacht auf Waffen und andere gefährliche Werkzeuge, die den Polizeibeamten irgendwie und Dritten für Leib- oder Leben gefährlich sind, §§ 30 Nr. 1, 29 II PolGBW.
· Ebenso darf sogar die Person, obzwar die Identität bereits festgestellt ist und eine konkrete Gefahr nicht besteht, vollständig durchsucht werden (Art 21 I Nr.3 BayPAG, § 23 I Nr. 4 ThürPAG). In Baden-Württemberg aber nur aus den in § 29 II PolGBW genannten Gründen (siehe oben).
· Die gewonnenen Informationen dürfen von der Polizei gespeichert, verändert und genutzt (§ 37 I S. 1 PolGBW, Art 38 I BayPAG, § 40 I ThürPAG, § 36 I S.1 SOG MV) sowie mit dem Inhalt polizeilicher Dateien inklusive Fahndungsdateien (INPOL, KANN, PIOS, SIS u.v.a.m.) abgeglichen werden (§ 39 I PolGBW, Art 43 I S. 2 bis S. 4 BayPAG, § 43 I ThürPAG, § 43 I SOG MV).

b. Voraussetzungen der Grundmaßnahme
Im folgenden sollen die tatbestandlichen Voraussetzungen der Schleierfahndung näher untersucht werden. Dabei wird das BayPAG zugrunde gelegt, die Unterschiede der Landespolizeigesetze sind aber gering. In einer Klausur sind folgende Punkte wichtig (hier geordnet nach dem sog. bayerischen Prüfungsschema):

· Handeln eines Polizeivollzugsbeamten, Art 1 BayPAG, und Einzelmaßnahme (aa.);
· Eröffnung des Aufgabenbereichs, Art 2 BayPAG (bb.);
· formelle Voraussetzungen (cc.);
· Polizeiliche Befugnis, Art 13 I Nr. 5 BayPAG (dd.);
· Maßnahmerichtung (Störerauswahl), Art 7f, 10 BayPAG (ee.);
· Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Art 4 BayPAG (ff.);
· Fehlerfreie Ermessensausübung, Art 5 BayPAG (gg.).

aa. Die Personenkontrolle im Rahmen einer Schleierfahndung ist eine Maßnahme des Einzelfalls und wird von einem Polizeivollzugsbeamten (Art 1 BayPAG, Art 129 ff BayBG) vorgenommen.

bb. Für die Aufgabeneröffnung kommt aus Art 2 BayPAG nur Absatz 1 in Betracht, der der Polizei die Abwehr abstrakter und konkreter Gefahren aufgibt. Unter abstrakter Gefahr versteht man eine Vielzahl gedachter Sachverhalte, die für sich betrachtet konkret gefährlich sind (jedesmal, wenn im Hochsommer im Wald geraucht wird, besteht die konkrete Gefahr eines Waldbrandes, Beispiel bei Habermas, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage, Baden-Baden 1993, Rdn 73). Eine abstrakte Gefahr liegt bei einer Kontrolle nach Art 13 I Nr. 5 BayPAG kaum vor. Denn bei weitem nicht jedesmal, wenn eine Grenze überschritten oder eine grenzverkehrserhebliche Strasse benützt wird, besteht die konkrete Gefahr grenzüberschreitender Kriminalität. Vielmehr ist die Redlichkeit der sich so verhaltenden Personen der Normalfall. Allerdings ist einhellig anerkannt, dass der Aufgabenbereich auch dann eröffnet ist, wenn die Polizei eine entsprechende Befugnis hat. In der Klausur schreibt man folgenden Satz: "Der Schluss von der Aufgabe auf die Befugnis ist niemals, der Schluss von der Befugnis auf die Aufgabe hingegen grundsätzlich zulässig". Falls also Art 13 I Nr. 5 BayPAG der Polizei Befugnis verleiht, ist ihr Aufgabenbereich eröffnet.
In Bayern sollte man noch kurz auf die Ansicht von Knemeyer eingehen, der den Ausdruck der allgemeinen Gefahr, so wie er in Art 2 I BayPAG niedergelegt ist, entgegen der ganz h.M. nicht mit dem Begriff der abstrakten Gefahr gleichsetzt, sondern insbesondere auch die Aufgabe zur Vorfeldarbeit außerhalb einer abstrakten Gefahr darunter fassen möchte (Knemeyer, a.a.O. Rdn 63).

cc. Die formellen Voraussetzungen einer Polizeimaßnahme sind selbstverständlich zu beachten. So ist zum Beispiel rechtliches Gehör zu gewähren, Art 28 I BayVwVfG. Ein Absehen davon nach Absatz II scheidet aus, da bei ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen insbesondere keine Gefahr im Verzug bestehen kann. Auch hat der Beamte sich auf Verlangen auszuweisen, Art 6 BayPAG, da hierdurch der Zweck der Identitätskontrolle nicht beeinträchtigt wird. Die Kontrolle ist auf Antrag schriftlich zu bestätigen, Art 37 II S.2 BayVwVfG.

dd. Nun sind die Tatbestandsvoraussetzungen der Befugnisnorm zu prüfen. Art 13 I Nr. 5 BayPAG enthält sowohl objektive als auch, und das ist ungewöhnlich im Polizeirecht, subjektive Begrenzungen.

(1) Objektiv ist die Befugnis zur Identitätsfeststellung ohne Anlass nur örtlich begrenzt. Gemäß Art 13 I Nr. 5 BayPAG sind ID-Feststellungen "im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km sowie auf Durchgangsstrassen (Bundesautobahnen, Europastraßen und andere Strassen von erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr) und in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs" erlaubt. Das Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 km ist der Schleier im engeren Sinne. Eine Definition fehlt bislang. Man hat darunter m.E. ein Gebiet zu verstehen, das von der Bundesgrenze und einer im Hoheitsgebiet liegenden Menge von Punkten umschlossen wird, deren Kreise bei einem Radius von 30 km die Bundesgrenze in ihrer gesamten Länge mindestens einmal berühren, aber niemals schneiden.
Zum "Schleier im weiteren Sinne" gehören zunächst die grenzverkehrsbedeutenden Durchgangsstrassen. Um auf Verlagerung der Verkehrsströme flexibel reagieren zu können, wird nicht auf bestimmte Strassenklassen abgestellt (Beinhofer, BayVBl 95, 193 (196)). Grenzverkehrsbedeutend sind Strassen, die für die grenzüberschreitende Kriminalität eine Bündelungsfunktion ausüben (Beinhofer, a.a.O. (196f)). Diese muss nach dem Gesetzeswortlaut erheblich sein. Der den Polizeibeamten eingeräumte Beurteilungsspielraum (man sollte in diesem Zusammenhang keinesfalls von "Ermessen" sprechen) ist voll gerichtlich nachprüfbar (Beinhofer, a.a.O. (196)).
Öffentliche Einrichtungen des internationalen Verkehrs können Flughäfen, Bahnhöfe und Züge, aber auch Tank und Rastanlagen sein (VollzB BayIM 13.7; zustimmend Berner/Köhler, Bayerisches Polizeigesetz, 14. Auflage, 1995 Art 13 Rdn 8). Der Begriff des internationalen Verkehrs ist enger als der des grenzüberschreitenden, weil er größere Weiträumigkeit zum Ausdruck bringt. Es ist also zum Beispiel nicht jeder Bahnhof erfasst, den Grenzgänger benutzen könnten, sondern nur solche, wo internationale Züge halten.

(2) Subjektive Tatbestandsmerkmale in polizeilichen Befugnisnormen sind ungewöhnlich. Im Falle der Schleierfahndung muss der Polizeibeamte tätig werden wollen "zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts" oder "zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität". Der Wortlaut ist hier übrigens etwas unpräzise, zumindest soweit er von Landesgrenze spricht. Gemeint ist natürlich die Bundesgrenze (dazu Wächter, DÖV 99, 138 (142) und Honnacker/Beinhofer, a.a.O., Art 13 Rdn 8b), weil nicht anzunehmen ist, der Bayerische Gesetzgeber wolle "illegale" Baden-Württemberger, Hessen, Thüringer und Sachsen bekämpfen.
Die subjektive Befugnisbegrenzung erscheint in der Tat problematisch. Wenn die Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität nur Kontrollmotiv im Einzelfall sein muss (so zum Beispiel vorgesehen von VwV IM Bad.-Württ. V. 18.7.97, GABl. S. 406; Passage abgedruckt bei Stephan, DVBl. 98, 81 (82)), kann sich die Polizei somit allein durch ihre Einbildungskraft Befugnisse schaffen (weniger drastisch formuliert bei Stephan, a.a.O.). Fast könnte man von einer Blankoermächtigung für die Polizei sprechen (dies tut Lisken, NVwZ 98, 22 (25)). Daher schlage ich vor, diese Tatbestandsvoraussetzung zu objektivieren. Es muss m.E. verständlich und nachvollziehbar sein, warum die Kontrolle im Einzelfall gerade der Aufrechterhaltung der Schutzgüter des Art 13 I Nr. 5 BayPAG dienen soll. Nicht nachvollziehbar und damit rechtswidrig ist die Maßnahme jedenfalls dann, wenn sie nur der Suche nach irgendwelchen Gefahren, die nicht schutzgutspezifisch sind, diente oder dienen konnte. Das Tatbestandsmerkmal ist in diesem Sinne voll gerichtlich nachprüfbar. Dies ist allein schon deshalb erforderlich, um einen wirksamen Rechtsschutz, den Art 19 IV GG bei Vorliegen eines subjektiven Rechts gewährt, zu ermöglichen (ähnlich für die Parallelproblematik bei § 22 Ia BGSG: Soria, NVwZ 99, 270 (272)).
Freilich muss noch erklärt werden, was eigentlich die Schutzgüter des Art 13 I Nr. 5 BayPAG sind. Unerlaubte Grenzüberschreitung und unerlaubter Aufenthalt meint Verstöße gegen formelles und materielles Ausländerrecht, also zum Beispiel gegen die Paßpflicht, § 4 AuslG, Visumspflicht, § 3 III S.1 AuslG, oder, wichtiger, das Erfordernis einer Aufenthaltsgenehmigung, § 3 AuslG. Grenzüberschreitende Kriminalität sind Verstöße gegen das StGB und andere Nebenstrafgesetze (insbesondere §§ 29ff BtMG), deren Unterbindung oder Verfolgung durch die Überschreitung der Bundesgrenzen durch den Täter erschwert ist.
Zu beachten ist aber, dass die Polizeigesetze der Länder nur den präventiven (gefahrenabwehrenden) Aufgabenbereich der Polizei regeln dürfen. Der Bundesgesetzgeber hat mit der StPO und dem GVG die konkurrierende Kompetenz nach Art 72 I, 74 I Nr.1 5. Alt GG "gerichtliches Verfahren" ausgeschöpft und die repressive (strafverfolgende) Seite des polizeilichen Aufgabenbereichs geregelt (Beinhofer, BayVBl 95, 193 (196); Lisken, NVwZ 98, 21 (23); Müller, StV 95, 602 (603)). Im repressiven Bereich treffen §§ 152 II, 160 I, 163 I StPO die Entscheidung, dass für Ermittlungen gegen eine Person ein (einfacher) Anfangsverdacht gegen ebendiese erforderlich ist (keine Regel ohne Ausnahmen: §§ 98a, 111 StPO). Für ID-Feststellungen schreibt dies § 163b I S.1 StPO vor. In der Literatur tobt nun ein heftiger Streit darüber, ob der sogenannte Vorfeldbereich, zu dem auch die anlassunabhängige Identitätskontrolle gehört, dem präventiven oder dem repressiven Bereich zuzuordnen ist. (dazu näher unter II.2.c.bb). Meiner Ansicht nach gibt es keine pauschale Lösung. Das Vorfeld ist richtigerweise aufzuteilen und dem Bereich zuzuordnen, der jeweils schwerpunktmäßig betroffen ist. Der Landesgesetzgeber hat also nur die Kompetenz aus Art 30, 70 I GG zur Einführung verdachtsunabhängiger Personenkontrollen im präventiven, aber nicht im repressiven (Vorfeld-)Bereich.
Die Verhütung unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts ist immer präventiv, weil die Beendigung eines rechtswidrigen Zustandes im Vordergrund steht. Diese Regelung ist also in Ordnung. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten umfaßt demgegenüber Abwehr und Ahndung gleichermaßen (Stephan, DVBl. 98, 81 (82)). Hier ist eine verfassungskonforme Auslegung angezeigt. Die Kontrolle darf nur zu präventiven Zwecken erfolgen. Schwierigkeiten wird freilich die Abgrenzung bereiten, genau wie bei der Abgrenzung des Rechtsweges für präventive Handlungen (dann § 40 I S.1 VwGO) und repressive Handlungen (Justitzverwaltungsakte iSd § 23 I S. 1 EGGVG). Die h.M. grenzt dort nach dem Schwerpunkt der polizeilichen Maßnahmen aus Sicht des Betroffenen ab (Berner/Köhler, a.a.O. Art 11 Rdn 18; Sicht des Betroffenen BVerwGE 47, 255 (264), U.v. 3.12.74, I C 11.73). Dies ist auf den Vorfeldbereich und also auch auf Art 13 I Nr. 5 BayPAG sinngemäß zu übertragen. Es ist also zu prüfen, ob sich der Polizist ex-ante nachvollziehbar und verständlich vorgestellt hat, eine Maßnahme zu treffen, die bei dem Betroffenen den Anschein erwecken muss, schwerpunktmäßig präventiv zu sein, also der Abwehr einer Gefahr und nicht der Ahndung eines Gesetzesverstoßes zu dienen.

ee. Bei der Maßnahmerichtung ist in der Klausur lediglich festzustellen, dass der Betroffene weder Verhaltens- noch Zustandsstörer (Art 7, 8 BayPAG) noch Nicht-Verantwortlicher (Art 10 BayPAG) ist, sondern sich die Maßnahmerichtung aus dem speziellen Art 13 I Nr. 5 BayPAG ergibt (Art 7 IV, 8 IV, 10 III BayPAG).

ff. Unstreitig hat der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine ganz besondere Bedeutung bei der tatbestandlich doch sehr weiten Befugnis zur Schleierfahndung (VollzB Bay IM, a.a.O., 13.7). Legitimes Ziel ist die präventive Bekämpfung von Einreise- und Aufenthaltsrechtswidrigkeit und grenzüberschreitender Kriminalität. Legitimes "Unterziel" ist es dabei, eine möglichst hohe Trefferquote bei der Gesamtzahl der Überprüfungen zu erreichen. Die Kontrolle muss im Einzelfall geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen, Art 4 I BayPAG. Sie muss dem Polizeibeamten geeignet erscheinen für eine erfolgreiche Gefahrensuche. Die Kontrolle von jedermann ist zusätzlich dadurch dem legitimen Ziel förderlich, dass der Kontrollierte abgeschreckt wird, sich in Zukunft grenzüberschreitend kriminell zu betätigen. Folgt man der hier nicht vertretenen Auffassung, dass der Vorfeldbereich gänzlich dem allgemeinen Polizeirecht unterfällt und durch die Länder geregelt werden kann, so genügt es, wenn dem Polizeibeamten die Kontrolle geeignet erscheint, einen gesuchten Straftäter aufzugreifen. Von mehreren geeigneten Maßnahmen ist diejenige zu treffen, die den einzelnen und die Allgemeinheit am wenigsten beeinträchtigt, Art 4 I BayPAG. Die Kontrolle von ersichtlich honorigen, gesetzestreuen Bürgern (etwa eines Teilnehmers einer Senioren-Kaffeefahrt im Reisebus; Beispiel bei Honnacker/Beinhofer, a.a.O. Art 13, 8.c.) ist nicht notwendig, um die Schutzgüter des Art 13 I Nr. 5 BayPAG zu sichern. Auch wenn erkennbar ist, dass bei einer Person nichts zu finden sein wird, ist eine Abschreckung unnötig.
Die Kontrolle muss angemessen sein, Art 4 II BayPAG. Je wahrscheinlicher es ist, dass die Kontrolle eine Erhöhung der Trefferqote mit sich bringt, desto eher ist sie zulässig. Je lästiger und nachteilbringender die Maßnahme für den Betroffenen ist, desto eher ist von ihr abzusehen. Unverhältnismäßig ist es danach zum Beispiel, eine fleißige Studentin mit schweren Koffern auf dem Bahnhof anzuhalten, wenn sie glaubhaft versichert, dass ihr Zug in drei Minuten abfährt.

gg. Zuletzt ist das Ermessen auf Fehler abzuklopfen, Art 5 BayPAG, Art 40 BayVwVfG, § 114 VwGO. Relevant ist hier nur die Frage nach dem Ob des polizeilichen Einschreitens, für die das Opportunitätsprinzip maßgeblich ist. Es ist geradezu aussichtslos, hier echte Ermessensfehler zu finden. Man könnte an einen Verstoß gegen das Willkürverbot denken, weil im Grunde eine "outfitabhängige" Vorselektion der Bürger stattfindet für die Entscheidung, wer mit hinreichenden Erfolgsaussichten kontrolliert werden kann. Allein die Norm zwingt zu einem derartigen Vorgehen, weil es noch unheilvoller und undurchführbarer wäre, einfach jeden ohne jede Vorauswahl zu überprüfen. Das Ermessen ist also fehlerfrei ausgeübt, wenn die Polizei denjenigen kontrolliert, den sie an einer Nicht-Schengen-Grenze auch nicht durchwinken würde.

c. Voraussetzungen der Folgemaßnahmen

aa. Sistierung, Sach- und Personendurchsuchung nach Art 13 III S. 3 u. 4 BayPAG sind zulässig, wenn die Identität an Ort und Stelle nicht festgestellt werden kann, wenn "der Betroffene Angaben über seine Person verweigert oder nicht machen kann und über hinreichende Ausweise nicht verfügt oder wenn Zweifel an deren Echtheit oder Gültigkeit bestehen und wenn vertrauenswürdige Gewährspersonen oder andere zuverlässige Anhaltspunkte nicht vorhanden sind." (VollzB Bay IM, a.a.O., 13.10) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet meiner Ansicht eine sehr restriktive Anwendung dieser Maßnahmen im Rahmen der Schleierfahndung. Immerhin kann es sich um einen völlig unbescholtenen Bürger handeln, der lediglich von seinem durch die allgM anerkannten Recht Gebrauch macht, seinen Paß oder Personalausweis nicht ständig bei sich zu tragen (Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, Band 1 Personalausweisrecht, 2. Auflage, Köln, 1992, § 1 PAuswG Rdn 17; Waechter, DÖV 99, 138 (139); VollzB Bay IM, a.a.O., 13.10.) Jedenfalls schon nach der VollzB BayIM kann eine Durchsuchung auf dieser Grundlage nicht mit der Erwägung erfolgen, die mündlichen Auskünfte seien falsch.

bb. Erkennungsdienstliche Maßnahmen gemäß Art 14 BayPAG dürfen bei Schleierfahndungen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen erfolgen. Es handelt sich um einen massiven Eingriff, vor dem alle anderen Mittel (Erkundungen bei Dritten oder registerführenden Stellen) auszuschöpfen sind (Berner/Köhler, a.a.O., Art 14 Rdn 5). Eigentlich muss man die These aufstellen, dass Art 14 I Nr. 1 BayPAG bei Schleierfahndungen erst anwendbar wird, wenn sich die Tatsachengrundlage zu einer Quasi-Gefahr verdichtet hat.

cc. Besonders heikel ist auch die verdachts- und ereignisunabhängige Durchsuchung von Sachen und insbesondere Personen, Art 21 I Nr. 3 und Art 22 I Nr. 4 BayPAG. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Durchsuchungsbefugnis zur Identitätsfeststellung im Rahmen des Art 13 BayPAG (dazu oben aa.). Honnacker/Beinhofer (a.a.O., Art 21, 7.) weisen auf die denkbare Weite der Vorschriften hin: "Bei einer solchen Auslegung könnte z.B. die gesamte Bevölkerung des Landkreises Garmisch-Partenkirchen jederzeit beliebig durchsucht werden, ein gewiß absurdes Ergebnis, das sich schon aus den Gesichtspunkten der Notwendigkeit und der Verhältnismäßigkeit verbietet." Nr. 21.2.3 der VollzB Bay IM (a.a.O.) stellt dazu lapidar fest, die Durchsuchung müsse sich am Zweck der Maßnahme orientieren. Mit dieser Formel ist freilich wenig gewonnen. Vielmehr muss eine Verdichtung von Tatsachen bis hart an die Grenze zur konkreten Gefahr vorliegen, um derart massive Beeinträchtigungen zu rechtfertigen. Die unterste Grenze für eine Eröffnung der Durchsuchungsbefugnis läßt sich mit folgender Formel umschreiben. Eine Durchsuchung von Sachen darf jedenfalls nur dann erfolgen, wenn der Polizeibeamte die Person an einer Nicht-Schengen-Grenze keinesfalls ohne Durchsuchung der mitgeführten Sachen durchwinken würde.

dd. Nach dem Wortlaut der Art 38 I, 43 I S. 2 u. 3 BayPAG ist die Speicherung, Veränderung und Nutzung sowie der Abgleich mit anderen Dateien (INPOL, KAN, Polis, SIS u.v.a.m., dazu Bäumler in Lisken/Denniger, a.a.O., J 147ff), wenn zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe erforderlich, rechtmäßig. Obwohl Art 2 BayPAG meist nicht erfüllt sein wird, ist der Schluss von der Befugnis auf die Aufgabe bekanntlich zulässig. Es besteht also auch eine völlig anlassunabhängige Befugnis zum Speichern und Abgleichen der durch die Identitätsfeststellung erlangten Daten. Zu beachten ist freilich, dass nach richtiger Ansicht ein Abgleich mit Fahndungsdateien aus Kompetenzgründen grundsätzlich nicht zulässig ist. Dies dient nämlich schwerpunktmäßig der Strafverfolgung und ist Sache des Bundesgesetzgebers.

ee. Zur Illustration des Gesagten mögen folgende Beispielsfälle dienen

Fall 1:
Unter dem Motto "von der Grenze lernen" beschließt die bayerische Landespolizei, in der Stadt und im Landkreis München flächendeckend ab April 1998 Schleierfahndungen durchzuführen. 40 Beamte in Zivil und in Zivilfahrzeugen sollen ständig unterwegs sein, um ein- und durchreisende Straftäter aufzuspüren. Sie führen UV-Lampen, Taschenmikroskope, Fadenzähler und Meßgeräte für Fälschungsmerkmale mit. Über Funk können sie Daten über gestohlene Fahrzeuge und Namen sowie Beschreibung gesuchter Personen abrufen. Der Vizepräsident des Polizeipräsidiums München meint: "Wir müssen etwas tun, denn nun können etwa die Mafiosi aus dem Mezzogiorno unkontrolliert bis nach München reisen". Dabei soll es nach Angaben eines PHK aber verhältnismäßig zugehen, denn es "kann sein, dass ein Afrikaner, der sich ausweisen kann, nicht durchsucht wird" (authentisch, vgl. "Grenzkontrollen werden nach München verlegt - die umstrittene Schleierfahndung jetzt flächendeckend in der Stadt", Süddeutsche Zeitung vom 18.3.1998).
Sind die Kontrollen der Polizei rechtmäßig?

Die Schleierfahndung beginnt auch in München regelmäßig mit der Standardmaßnahme der Identitätsfeststellung. Es handeln Polizeivollzugsbeamte im Einzelfall, Art 1 BayPAG. Der polizeiliche Aufgabenbereich ist mangels abstrakter Gefahr - es besteht kein abstrakter Sachverhalt, bei dem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit jeweils ein Schaden für die öffentliche Sicherheit und Ordnung droht - nicht gemäß Art 2 I BayPAG eröffnet. Sofern die Voraussetzungen einer Befugnisnorm erfüllt sind, ist der Schluss auf die Aufgabeneröffnung aber gestattet. Als Befugnisnorm kommt Art 13 I in Betracht. Nr. 2 und 3 scheiden aus, weil München weder ein gefährlicher Ort noch ein gefährdetes Objekt iSd Vorschrift ist. Bleibt allein Art 13 I Nr. 5. Zu prüfen sind zunächst dessen objektive Voraussetzungen. München ist an keiner Stelle weniger als 30 km von der Bundesgrenze zu Österreich und Tschechien entfernt. In Betracht kommt also nur der Schleier iwS. München hat zwar einige Einrichtungen des internationalen Verkehrs (Hauptbahnhof, Ostbahnhof, Busbahnhof), ist aber keine solche. Die Kontrollen sind nur dort zulässig. Möglicherweise ist München aber eine Durchgangsstrasse. Bekanntlich kommt es auf bestimmte Strassenklassen nicht an. Die Strasse muss aber aufgrund ihrer Verkehrsbedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr auch für die grenzüberschreitende Kriminalität eine Bündelungsfunktion ausüben (Beinhofer, BayVBl 95, 193 (197)). Dies trifft nur auf ganz wenige große Durchgangsstrassen in München zu. Außerdem gibt es um München herum einen Autobahnring, der den grenzüberschreitenden Verkehr bündelt und um München herum leitet. Keinesfalls hat die Stadt flächendeckend erhebliche Konzentrierungsfunktion für den grenzüberschreitenden Verkehr.
Damit steht fest, dass die Kontrollen rechtswidrig sind, soweit sie nicht Einrichtungen des internationalen Verkehrs oder einige ganz wenige Durchgangsstrassen betreffen.

Soweit in diesem engen Rahmen zulässig, können auch Folgemaßnahmen getroffen werden. Hinzuweisen ist darauf, dass nach hier vertretener, richtiger Ansicht ein Datenabgleich nach Art 43 I S. 2 u. 3 BayPAG nicht zu repressiven Zwecken zulässig ist. Mit Fahndungslisten ist ein Datenabgleich nicht zulässig, weil die Prävention hier durch Repression erfolgt und das Landespolizeigesetz dafür keine Befugnisse geben darf.

Fall 2:
Der zivile Fahndungstrupp "Salome 7" fährt auf der B2 von Garmisch-Partenkirchen nach München. Der beifahrende Polizeibeamte P2 gibt das Kennzeichen des vorausfahrenden Fahrzeuges in einen Computer ein, der online Zugriff auf das ZEVIS-Verkehrsinformationssystem beim Kraftfahrt-Bundesamt hat. So kann er die Identität des Fahrers ermitteln und diese anschließend mit anderen Dateien abgleichen. Rechtmäßig?

P2 ist ein Polizeivollzugsbeamter, Art 1 BayPAG, der eine Maßnahme im Einzelfall getroffen hat. Der Aufgabenbereich müsste nach Art 2 BayPAG eröffnet sein. Weder liegen Aufgaben nach anderen Rechtsvorschriften vor (Art 2 IV BayPAG) noch geht es um Vollzugshilfe (Art 2 III BayPAG). Bleibt nur Art 2 I BayPAG, der mindestens eine abstrakte Gefahr verlangt. Diese läge vor, wenn folgender Satz richtig ist: Immer wenn auf der B2 von Garmisch-Partenkirchen nach München ein Auto unterwegs ist, ist es hinreichend wahrscheinlich, dass bei objektiv ungehindertem Geschehensablauf ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung droht. Verstöße gegen Gesetz und Recht sind im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und auf der B2 zwar möglich, aber nicht hinreichend wahrscheinlich. Eine abstrakte Gefahr und damit Art 2 I BayPAG sind nicht gegeben. Möglicherweise kann jedoch wieder von der Befugnis auf die Aufgabe geschlossen werden.
Das Lesen und Eintippen des Kennzeichens könnte eine Datenerhebung sein. Datenerhebung ist jede Aktivität mit dem Ziel, Daten über den Betroffenen zu gewinnen. (Bäumler in Lisken/Denninger, a.a.O. J 71). P2 hat eine Einzelangabe über persönliche und sachliche Verhältnisse des Vorausfahrenden mit der Absicht ermittelt, sie polizeilich zu verwenden. Eine Datenerhebung lag also vor. Das Kennzeichen ist allerdings ein Datum, welches allgemein zugänglich ist. Es herrscht Streit, ob jede Datenerhebung oder nur die aus nicht öffentlich zugänglichen Informationsquellen einen Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung darstellt und daher einer Rechtsgrundlage bedarf (siehe dazu Honnacker/Beinhofer, a.a.O., Art 31, 1. einerseits und Berner/Köhler, a.a.O., vor Art 30 Rdn 2 andererseits). Das BVerfG hat im Volkszählungsurteil aber festgestellt, dass es heute kein belangloses Datum mehr gibt (BVerfGE 65, 1 (45), U. v. 13.12.83). Eine Befugnis ist daher erforderlich.
Art 31 BayPAG ist die Generalklausel für Datenerhebungen. Art 31 I nach Nr. 4 BayPAG enthält jedoch eine Subsidiaritätsbestimmung, nach der die Befugnisse der Art 11 bis 48 BayPAG vorrangig sind. In Betracht kommt wieder Art 13 I Nr. 5 BayPAG. Entscheidend kommt es auf die Auslegung des Begriffes Identitätsfeststellung iSd BayPAG an. Die h.M. versteht darunter die Vergewisserung, welche Personalien eine Person hat. Erlaubt ist also auch die heimliche Identitätsfeststellung (VollzB BayIM 13.1; Wöhrle/Belz, BWPolG, Kommentar § 20 Rdn 2). Nach a.A. ist Identitätsfeststellung die Erhebung von Personalien bei dem Betroffenen selbst (Habermas, Polizei- und Ordnungsrecht, 2. Auflage Baden-Baden 1993 Rdn 534; Rachor in Lisken/Denninger F 194f). Wenn man das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art 2 I iVm Art 1 I GG, das dem einzelnen gewährleistet, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 (43)), ernst nimmt, muss man der a.A folgen und die Möglichkeit zur heimlichen ID-Feststellung im Rahmen des Art 13 BayPAG ablehnen. Man hat dann zur Prüfung des Art 31 I Nr. 1 BayPAG überzugehen.
Danach ist die Datenerhebung auch zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten möglich. Wenn die Polizei nachvollziehbar darlegt, dass die Gefahrensuche durch irgendwelche Tatsachen, die sich noch nicht zu einer Gefahr verdichtet zu haben brauchen, erfolgversprechend war, ist die Erhebung nach der Befugnis rechtmäßig. Allerdings hat die Datenerhebung grundsätzlich offen zu erfolgen, Art 30 III S.1 BayPAG. Ausnahmen erleidet dieser Grundsatz nur, wenn die Erfüllung der polizeilichen Aufgabe gefährdet würde oder ein überwiegendes Interesse des Betroffenen an der heimlichen Erhebung besteht, Art 30 III S.2 BayPAG. Mich persönlich würde es schon ärgern, grundlos angehalten zu werden; noch weniger ist es aber in meinem Interesse, wenn "hinter meinem Rücken" persönliche Daten über mich gesammelt werden. Ich halte diese Maßnahme daher für rechtswidrig. Bleibt freilich noch die Frage, ob der Abgleich mit dem ZEVIS-Datenbestand rechtmäßig war. Dieses ist schon keine Datenerhebung mehr, sondern ein Datenabgleich, da vielmehr schon gespeicherte Daten abgerufen als neue erfasst werden. Maßgeblich ist also Art 43 I S.2. BayPAG. Der Abgleich von Daten von anderen Personen als Störern ist nur zulässig, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dies zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich ist. Vorauszusetzen ist also ein bestimmter Anlass (Berner/Köhler, a.a.O., Art 43 Rdn 1), der schon in der Überschreitung einer Bundesgrenze liegen soll (Honnacker/Beinhofer, a.a.O.. Art 43, 2.). ME rekurriert Art 43 I S. 2 BayPAG aber auf die Vorschrift des Art 2 BayPAG, wenn er von "bestimmter polizeilicher Aufgabe" spricht. Als Aufgabe der Polizei kommt hier nach Absatz I nur die Abwehr abstrakter und konkreter Gefahren in Betracht. Eine abstrakte Gefahr lag aber nicht vor (siehe oben). Ebenso verlangt die bayerische Vorschrift über die grenzpolizeilichen Aufgaben der Landespolizei, Art 4 III S. 4 BayPOG im Schleier ieS eine Gefahr. Der Datenabgleich ist damit rechtswidrig (a.A. freilich gut vertretbar). Also ist auch der Abgleich mit der Fahndungsdatei rechtswidrig, weil die Daten nicht im Rahmen der Aufgabenerfüllung erlangt wurden, wie Art 43 I S.3 voraussetzt.

Fall 3:
Die Polizei hält einen schwarzen BMW 750 mit getönten Scheiben auf einer Autobahn an. Sie durchsucht die Koffer des Fahrers F. F ist ein honoriger Fondsmanager, der wegen des Zeitverlustes von 20 Minuten seine rapide fallenden Mobilcom-Aktien zu einem wesentlich ungünstigeren Kurs verkaufen muss. Kann er den Schaden vom Träger der Polizei ersetzt verlangen?

In Betracht kommt ein Anspruch aus Aufopferung. Im bayerischen Polizeirecht ist dieser in Art 70 BayPAG geregelt. Nach Abs. II können andere Personen also Störer und Nicht-Störer für den durch eine rechtmäßige oder rechtswidrige Maßnahme entstandenen nicht zumutbaren sonstigen Schaden Entschädigung in Geld verlangen. F war weder Störer noch Nicht-Störer, sondern eine andere Person. Weiterhin hat die Polizei in das immaterielle Rechtsgut der Freiheit durch Beschränkung, also hoheitlichen Zwang eingegriffen zum Wohle der Allgemeinheit und dem F dadurch eine ungleiche Belastung und damit ein Sonderopfer abverlangt. Bei rechtmäßigen Maßnahmen im Vorfeldbereich wird teilweise noch eine Überschreitung der vom Gesetzgeber vorgestellten Normalfallsituation gefordert (Nachweis statt aller bei Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Auflage, München, 1998, S. 400f). Dieser anhand von Razzia-Fällen entwickelte Grundsatz ist hier nicht anzuwenden, da im Schleier keine gleichmäßige Behandlung aller dort befindlichen Personen möglich ist. Soweit andere Landespolizeigesetze nur Entschädigungsvorschriften für Nicht-Störer vorsehen, ist durch Erst-Recht-Schluss eine Analogie zugunsten der anderen Personen angebracht (siehe zum Problem Waechter, DÖV 99, 138 (147)). Dogmatisch ebenso vertretbar erscheint ein Rückgriff auf den ungeschriebenen staatshaftungsrechtlichen Anspruch aus Aufopferung oder aus aufoperungsgleichem Eingriff (dazu allgemein Ossenbühl, a.a.O., S. 134ff).

2. Schleierfahndung "light"

a. Überblick
Gemäß § 12 VI NGefAG kann die Polizei zur Vorsorge für die Verfolgung oder Verhütung von Straftaten von erheblicher Bedeutung mit internationalem Bezug jede im öffentlichen Verkehrsraum angetroffene Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweispapiere zur Prüfung ausgehändigt werden, sowie mitgeführte Sachen in Augenschein nehmen.

Die Schleierfahndungsbefugnisse des Bundesgrenzschutzes (BGS) variieren je nach gegebener Örtlichkeit. Im Schleier ieS (30 km-Gebiet) kann der BGS gemäß § 23 I Nr. 3 BGSG (Sartorius Nr. 90) Identitätsfeststellungen vornehmen zur Verhinderung oder Unterbindung unerlaubter Einreise oder zur Verhinderung von grenzbezogenen Straftaten iSd § 12 I S. 1 Nr. 1 bis 4 BGSG. Sistierung, Durchsuchung von Person und Sachen zur Identitätsfeststellung sind nach § 23 III S. 4 und 5 BGSG möglich. Unter den gleichen Voraussetzungen wie bei § 23 I Nr. 3 BGSG ist gemäß § 44 II BGSG auch eine Durchsuchung von Sachen möglich. Die Durchsuchung der Person ist aber, wie bei § 29 II BWPolG, auf Waffen, Explosionsmittel und andere gefährliche Gegenstände zulässig.

Auf dem vom unerlaubten Grenzverkehr genutzten Gebiet der Bahnanlagen des Bundes kann der BGS gemäß § 22 Ia BGSG jede Person kurzzeitig anhalten, befragen und verlangen, dass mitgeführte Ausweis- oder Grenzübertrittspapiere zur Prüfung ausgehändigt werden. Außerdem können mitgeführte Sachen in Augenschein genommen werden. b. Die Voraussetzungen von § 22 Ia BGSG im einzelnen Folgend sollen die Voraussetzungen des § 22 Ia BGSG näher beleuchtet werden. §§ 23 I Nr. 3, 44 II BGSG entspricht ja in weiten Teilen den Regelungen der "Schleierfahndung intensiv".

aa. Objektiv tatbestandseinschränkend sind die Regelungen über die örtlichen Grenzen der verdachtsunabhängigen Kontrolle. Sie ist jedenfalls nur auf den Bahnanlagen des Bundes zulässig und in den dem Luftverkehr dienenden Anlagen oder Verkehrsflughäfen. Zu den Bahnanlagen gehören traditionell auch die Bahnhofsvorplätze (schon Finger, Eisenbahngesetze, München 1970, § 55 EBO Rdn 1a). Nicht erfasst sind freilich Strecken, die Privatbahnen gehören (z.B. städtische U-Bahnen).

bb. Lageerkenntnisse oder grenzpolizeiliche Erfahrung müssen die Annahme rechtfertigen , dass die Bahnanlagen zur unerlaubten Einreise genutzt werden. Lageerkenntnis meint die Feststellung und Analyse von gegenwärtigen Situationen und Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass unerlaubte Einreise gerade hier stattfinden könnte. Grenzpolizeiliche Erfahrung ist eine Menge von historischen Tatsachen, die, wenn sie von einem verständigen Polizeibeamten in intellektuelle Beziehung zueinander gesetzt werden, die Annahme rechtfertigen, dass unerlaubte Einreise gerade hier stattfinden könnte. Diese Tatsachen muss die Polizei bei Gericht beweisen. Soria (NVwZ 99, 270, 272) fordert darüberhinaus das Vorliegen von Tatsachen, die im konkreten Fall einen Gefahrenverdacht zu begründen in der Lage sind. Immerhin ermächtige § 22 Ia BGSG die Polizei zu einer Prognose, die derjenigen bei einem Gefahrenverdacht ähnlich sei. Allerdings ist zu beachten, dass der Wortlaut eindeutig auf die "allgemeine" Gefährlichkeit der Örtlichkeit abstellt und nur darüber die Prognose anzustellen ist. Die konkrete Gefährlichkeit spielt gar keine Rolle. Ich meine, der BGS muss einen abstrakten Gefahrenverdacht vorweisen, also Tatsachen oder Anhaltspunkte haben, die für das Vorhandensein eines Sachverhalts sprechen, in dem regelmäßig mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schäden für die Schutzgüter des § 22 Ia BGSG drohen. Die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit sind um so höher, je geringer die zu erwartenden Rechtsverstöße sind. Maßgeblich sind dabei die Strafdrohungen. So müsste der BGS darlegen, dass anzunehmen war, dass etwa 40% aller Kontrollierten an einer bestimmten Örtlichkeit gegen § 92 I AuslG verstoßen würden, oder 30 % gegen § 92 II AuslG. Hegt der BGS einen abstrakten Gefahrenverdacht, dass an einer Örtlichkeit Verstöße gegen § 92b AuslG (Verbrechen) verübt werden, genügt es, wenn dies voraussichtlich auf jeden zehnten Kontrollierten zutreffen wird.

cc. Kurzzeitig anhalten bedeutet ein bis zwei Minuten (Soria, NVwZ 99, 270 (272))

dd. Die befragte Person muss Namen, Vornamen, Tag und Ort der Geburt, Wohnanschrift und Staatsangehörigkeit angeben, mehr nicht, § 22 II S. 1 BGSG. Insbesondere die Frage nach dem Zweck der Reise ist unzulässig. Ebenso die dämliche Frage, ob man müde sei.

c. Abschließender Beispielsfall

Fall 4:
A macht mit seiner Freundin B einen Einkaufsbummel im neugestalteten Hauptbahnhof Leipzig. A ist Deutscher (2. Einwanderergeneration), B Ausländerin mit Aufenthaltsberechtigung, § 27 AuslG. Zwei Beamte des BGS halten sie an und verlangen die Ausweise. A, der seinen dabei hat, leugnet dies. Er gibt keine Auskünfte. B hat keinen Ausweis dabei, antwortet aber wahrheitsgemäß iSd § 22 II S. 1 BGSG. Die Beamten fordern die beiden auf, sie auf die Wache zu begleiten. Rechtmäßigkeit der Maßnahmen (anhand des herkömmlichen Prüfungsaufbaus).

Zunächst zum Verlangen, den Ausweis auszuhändigen.
Als Rechtsgrundlage kommt die Standardbefugnis aus § 21 Ia BGSG in Betracht. Diese müsste formell wie materiell rechtmäßig angewendet worden sein.
Bei der formellen Rechtmäßigkeit ist die Zuständigkeit problematisch. Die sachliche Zuständigkeit folgt aus §§ 2ff BGSG. § 2 II Nr. 1 und 3 BGSG scheiden aus, weil Leipzig nicht im Grenzgebiet liegt. § 2 I Nr. 2 a, b und c BGSG beschränken sich ebenfalls nur auf den Grenzraum (Riegel, Bundesgrenzschutzneuregelungsgesetz, Kommentar, Köln u.a., 1996, § 2 Rdn 6-13). § 3 BGSG setzt eine abstrakte Gefahr für die Anlagen oder den Betrieb der Bahn voraus. Einkaufsbummeln ist abstrakt völlig ungefährlich, was jeder Polizeibeamte weiß.
Möglicherweise ergibt sich die Aufgabe aber aus der Befugnis. Die Frage nach der formellen Rechtmäßigkeit muss damit zunächst offen bleiben.
Zu prüfen ist weiterhin die materielle Rechtmäßigkeit. Der Hauptbahnhof von Leipzig ist eine Bahnanlage, § 3 BGSG. Nach richtiger Ansicht muss an der jeweiligen zur Kontrolle ausgesuchten Örtlichkeit der abstrakte Gefahrenverdacht bestehen, dass gerade hier unerlaubt eingereist wird. Die neue Shoppingmeile im Leipziger Hauptbahnhof wird zum Großteil von Nicht-Reisenden besucht. Sie hat die Funktion eines Einkaufszentrums. Keinesfalls wird dort jede dritte, ja nicht einmal jede zehnte Kontrolle ein Treffer sein. Jedenfalls liefert der Sachverhalt hierfür keine Anhaltspunkte. § 22 Ia BGSG ist also nicht erfüllt. Das Ausweisverlangen war materiell und damit auch formell rechtswidrig.
Möglicherweise war aber die Aufforderung an A, auf die Wache mitzukommen, rechtmäßig. Rechtsgrundlage könnte § 23 I Nr. 1 BGSG gewesen sein.
Die sachliche Zuständigkeit kann hier ebenfalls nur aus der Befugnis folgen.
§ 23 I Nr. 1 BGSG erfordert eine konkrete Gefahr. A hat seinen mitgeführten Ausweis nicht zur Prüfung ausgehändigt. Fraglich ist, ob dies eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ist. Dies wäre jedenfalls der Fall, wenn es ordnungswidrig wäre. Das OLG Düsseldorf hat ein Urteil bestätigt, das einen Autofahrer wegen einer Ordnungswidrigkeit aus § 5 I Nr. 2 PAuswG verurteilte, weil er seinen Ausweis nicht vor Ort, sondern erst auf der Wache gezeigt hatte. Voraussetzung sei nur, so das OLG, dass das Ausweisverlangen rechtmäßig ist (OLG Düsseldorf, B.v. 28.03.85 - 5 Ss (Owi) 14/85 - 48/85 I, NVwZ 86, 247f). Es war vorliegend rechtswidrig, so dass A die öffentliche Sicherheit und Ordnung insoweit nicht gestört hat. Ebenso begründet die Weigerung, die Personalien mündlich anzugeben, nicht den Tatbestand des § 111 I OWiG, da dieser ebenfalls eine rechtmäßige Grundmaßnahme verlangt (BVerfG, NJW 95, 3110). Eine Störung der öffentlichen Sicherheit lag nicht vor. Die Aufforderung, mit zur Wache zu kommen, war rechtswidrig.

Hilfsgutachten für den Fall der Rechtmäßigkeit der Aushändigungsaufforderung:
Nach OLG Düsseldorf läge bei rechtmäßigem Ausweisverlangen eine Ordnungswidrigkeit und damit eine Störung vor. Das Urteil verkennt freilich, dass § 5 I Nr. 2 PAuswG keine über § 1 PAuswG hinausgehende Verpflichtung begründen möchte. Nach dieser Vorschrift ist kein Deutscher verpflichtet, seinen Personalausweis ständig mit sich zu führen (Medert/Süßmuth, Paß- und Personalausweisrecht, Band 1 Personalausweisrecht, 2. Auflage, Köln, 1992, § 1 PAuswG Rdn 17; Waechter, DÖV 99, 138 (139); VollzB Bay IM, a.a.O.., 13.10.). § 5 I Nr. 2 PAuswG erfasst nur die Fälle, in denen der Täter den Ausweis nicht in einer angemessenen Frist bei der auffordernden Behörde vorbeibringt. A hat allerdings § 111 I OWiG verwirklicht, in dem er auf eine rechtmäßige Personalienabfrage die Auskunft verweigerte. Die Aufforderung an A, auf die Wache mitzukommen, war damit rechtmäßig.
Die Aufforderung an B, auf die Wache mitzukommen, war aber rechtswidrig, da für Ausländer nicht die Pflicht besteht, Paß, Paßersatz, Ausweisersatz, Aufenthaltsgenehmigungen oder Duldungen ständig mit sich zu führen (Gemeinschaftskommentar AuslR, § 40 AuslG Rdn 4) und keine Anhaltspunkte gegeben waren, dass die Auskünfte der B falsch gewesen sein könnten.

II. Vereinbarkeit der neuen Befugnisse mit dem Grundgesetz

1. Freizügigkeit, Art 11 I GG

Der Schutzbereich des Art 11 erfasst neben der Möglichkeit, an jedem Ort innerhalb des Bundesgebietes Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, auch die Möglichkeit zur Fortbewegung zwecks Ortswechsels (Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Grundrechte, 12, Auflage Heidelberg, 1996, Rdn 856). Allerdings wird nur die Erreichbarkeit des gewünschten Aufenthaltsorts überhaupt geschützt (Pieroth/Schlink, a.a.O.). Die Schleierfahndung führt zwar möglicherweise zu einer Verlängerung von Reisezeiten, macht die Erreichung des Ziels aber im Regelfall nicht unmöglich. Der Schutzbereich des Art 11 ist also schon gar nicht eröffnet (im Ergebnis auch Waechter, DÖV 99, 138 (141)).

2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art 2 I GG iVm Art 1 I GG

a. Eröffnung des Schutzbereiches
Im Volkszählungsurteil (E 65, 1 (41ff)) hat das BVerfG aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art 2 I iVm. Art 1 I GG) das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet, weil die bisherigen Konkretisierungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht abschließend waren und die Befugnis des einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und in welchen Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden, "unter den heutigen und künftigen Bedingungen der automatisierten Datenverarbeitung in besonderem Maße des Schutzes bedürfe" (E 65, 1 (41f)). Jedermann ist damit gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten geschützt. Das Grundrecht gewährleistet ebenfalls die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (BVerfGE 65, 1 (43)). Mit dem Instrumenten der Schleierfahndung ist der Polizei nicht nur das Erheben persönlicher Daten gestattet, sondern auch deren Abgleich mit anderen Dateien, und zwar heutzutage fast ausschließlich mit den Mitteln der EDV. Der Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist also eröffnet.

b. Eingriff in den Schutzbereich
Eingriff ist jedes staatliche Handeln, das dem einzelnen ein Verhalten das in den Schutzbereich eines Grundrechtes fällt, unmöglich macht, gleichgültig ob diese Wirkung final oder unbeabsichtigt, unmittelbar oder mittelbar, rechtlich oder tatsächlich, mit oder ohne Zwang und Befehl erfolgt (Pieroth/Schlink, a.a.O., Rdn 259). Mit Hilfe der Befugnisse der Schleierfahndung kann die Polizei den Einzelnen zur Preisgabe seiner persönlichen Daten zwingen und diese weiterverwenden. Der Einzelne kann nicht einmal grundsätzlich über deren Preisgabe bestimmen. Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt damit vor.

c. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Der Eingriff könnte aber verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.

aa. Gesetzesvorbehalt
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist nicht schrankenlos gewährleistet (BVerfGE 65, 1 (43); Murswiek in Sachs, Grundgesetz, Kommentar, 2. Auflage, München, 1999, Art 2 Rdn 107). Vielmehr gilt auch hier die Schrankentrias des Art 2 I GG (Pieroth/Schlink, a.a.O., Rdn 419). Erforderlich ist demnach eine verfassungsmäßige gesetzliche Grundlage.

bb. Formelle Rechtmäßigkeit der Befugnisse
Die Befugnisnormen müssten formell rechtmäßig sein. Problematisch ist, ob die Länder die Kompetenz zum Erlass der fraglichen Befugnisnormen besaßen oder nicht.
Unstreitig haben die Länder gemäß Art 30, 70 I GG die Befugnis, in den Polizeigesetzen die Abwehr von Gefahren (präventive Tätigkeit) zu regeln. Der Bundesgesetzgeber hat aus Art 72 I, 74 I Nr. 1 5. Alt GG nur die Kompetenz zur Regelung der Strafverfolgung (repressive Tätigkeit). Umstritten ist aber, ob die Vorfeldtätigkeit, also die Tätigkeit vor dem Bestehen einer Gefahr bzw. eines Anfangsverdachtes, dem präventiven oder dem repressiven Bereich zuzuordnen ist. Danach kommen die Befürworter der "präventiven Theorie" (z.B. Beinhofer, BayVBl 95, 193 (196); Berner/Köhler, a.a.O. Art 2 Rdn 17; Götz, NVwZ 87, 858 (860); Honnacker/Beinhofer, Art 31 Rdn; Kniesel/Vahle, DÖV 87, 953 (955); Kniesel, ZRP 89, 329 (332); Schäfer, GA 86, 49) zum Ergebnis, dass der Landesgesetzgeber kompetent sei, die Vertreter der "repressiven Theorie" (Merten, ZRP 88, 172 (173f); Merten/Merten, ZRP 91, 213 (218); Rachor in Lisken/Denninger, a.a.O., F 93; Schoreit, DRiZ 91, 320 (322f); ders in Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung, hrsg. von Gerd Pfeiffer, 4. Auflage, München, 1999, § 152 StPO Rdn 18c; Waechter, DÖV 99, 138 (140); Wolter, GA 88, 49 (62f)), dass er es nicht ist. Zu beachten ist freilich, dass dieser Streit vor allem im Zusammenhang mit den Neuregelungen zur Datenerhebung und -verarbeitung ausgetragen wurde, so dass die ausgetauschten Argumente auf die Thematik der Schleierfahndung nur begrenzt übertragbar sind. Die Vertreter der präventiven Theorie meinen, dass eine Vorstufe zum Anfangsverdacht die StPO sprengen würde (Kniesel/Vahle, a.a.O.), Außerdem sei die Polizei besser ausgestattet als die Staatsanwaltschaften, woran auch die Hilfsbeamteneigenschaft nichts ändere (Kniesel/Vahle, a.a.O., ähnlich Berner/Köhler, a.a.O. Art 2 Rdn 17). Ferner sei die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten begrifflich wie gesetzlich eine originäre Aufgabe der Polizei (Berner/Köhler, a.a.O.). Die Vertreter der repressiven Theorie führen ist Feld, dass es auch im Vorfeld keine staatsanwaltsfreien Räume geben dürfe, weil die StA Wächterin über die Einhaltung rechtsstaatlicher Grundsätze im Ermittlungsverfahren sei (Schoreit in Karlsruher Kommentar, a.a.O.).
Ich schlage für die Identitätskontrollen im Vorfeld einen Mittelweg vor (ähnlich auch Lisken, NVwZ 98, 21 (23); Müller, StV 95, 602 (604)) Der Landesgesetzgeber kann derartige Befugnisse schaffen, wenn er im Tatbestand sicherstellt, dass die dadurch legitimierte Einzelmaßnahme schwerpunktmäßig der Gefahrenabwehr dient. Im Gegenzug kann der Bundesgesetzgeber Befugnisse erlassen, wenn gewährleistet ist, dass die Maßnahmen schwerpunktmäßig der Strafverfolgung dienen. Bestes Beispiel dafür ist Art 13 I Nr. 4 BayPAG einerseits und § 111 StPO andererseits für Kontrollstellen auf Straßen und Plätzen. Der Landesgesetzgeber will mit seiner Kontrollstelle die Begehung von Straftaten iSd § 100a StPO verhindern, der Bundesgesetzgeber Straftäter iSd § 111 StPO fassen. Es geht nicht an, der Einfachheit halber das Vorfeld einem Bereich zuzuschlagen und alle bisher gültigen Differenzierungen einzuebnen. Auch im Vorfeld befindet man sich schwerpunktmäßig entweder vor einer Gefahr oder vor einem Verdacht. Wer erklärt, Verbrechensbekämpfung sei mit der in Ehren ergrauten StPO langfristig erfolglos (Kniesel/Vahle, a.a.O.), offenbart, dass er sich bei seiner Zuordnungsentscheidung weniger von dogmatischen als von faktisch-praktischen Erwägungen leiten läßt. Waechter (DÖV 99, 138 (140)) spricht sogar davon, dass man die hohen politischen Hürden für eine Änderung der StPO auf dem Umweg über das Präventionsrecht umgehen wolle. Zu erwähnen ist auch noch eine Entscheidung des BayVerfGH zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen des BayPAG über Datenerhebung und -verarbeitung (BayVBl 95, 143ff, E. v. 19.10.94, Vf 12 VII 92, Vf 13 VIII 92). In Art 31 I Nr. 1 BayPAG heißt es, dass Datenerhebung, soweit erforderlich, "zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten" erlaubt ist. Der BayVerfGH hat diese Norm nicht für verfassungswidrig gehalten. Beinhofer (BayVBl 95, 193 (196) folgert aus der Entscheidung, dass "auch die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten (im Sinn einer Datenerhebung und -verarbeitung für Zwecke künftiger Strafverfahren) Teil des allgemeinen Polizeirechts ist, für das die Länder Gesetzgebungskompetenz besitzen." So hat der BayVerfGH das aber nicht gesagt. Er hat vielmehr dargetan: "Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten ist ... ein Teil der Gefahrenabwehr und durch deren Präzisierung bestimmt und nach außen abgegrenzt." Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten ist also am Begriff der Gefahrenabwehr, so wie er herkömmlich verstanden wurde, zu messen und auszulegen. Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten kann also nicht weitergehen als es der Begriff der Gefahrenabwehr erlaubt. Gefahrenabwehr hieß ursprünglich Abwehr von bevorstehenden und nicht Ahndung von eingetretenen Störungen. Die Länderbefugnisse zur Schleierfahndung sind also verfassungskonform so auszulegen, dass die Maßnahmen schwerpunktmäßig nur präventiv erfolgen können (dazu bereits oben I.1.b.dd. (2)).
Bei verfassungskonformer Auslegung sind die Normen formell verfassungsmäßig.

cc. Bestimmtheitsgrundsatz
Ein das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einschränkendes Gesetz muss selbstverständlich dem Bestimmtheitsgrundsatz genügen, also die Voraussetzungen und den Umfang der Einschränkung klar und für den Bürger erkennbar ergeben (BVerfGE 65, 1 (43)). Ob die Schleierfahndungsbefugnisse dem genügen, ist umstritten. Beinhofer (BayVBl 95, 193 (197)), weil der Gesetzgeber die Tatbestände bekanntlich nur so bestimmt zu fassen habe, wie die Eigenart des zu regelnden Lebenssachverhaltes es erlaube. Soria (NVwZ 99, 270 (272)) vertritt dieselbe Meinung für § 22 Ia BGSG, allerdings erst nachdem er ihn sehr restriktiv ausgelegt hat.
A.A. ist Stephan (DVBl 98, 81 (82)). Er meint, die Örtlichkeiten, an denen nach den Landespolizeigesetzen eine verdachtsunabhängige ID-Kontrolle zulässig sein soll, seien so unscharf beschrieben, dass der Bürger ihre Grenzen nicht bestimmen oder erkennen und ihnen nicht fernbleiben kann, um der Kontrolle zu entgehen. Damit hat Stephan Recht. Kein Bürger muss oder kann wissen, welche Strasse Bündelungsfunktion für den grenzüberschreitenden Verkehr aufweist, außer bei Strassen von oder zur Grenze bis zur ersten Gabelung. Fraglich ist nur, ob die Gesetze hier genauer hätten formuliert werden können. Dies ist zu bejahen: möglich wäre ein Behördenleitervorbehalt oder eine Veröffentlichungspflicht; auch lassen sich die Kontrollen auf bestimmte Strassenklassen festlegen. Wenn schon die bayerische Polizei auf Grund des Wortlautes des Art. 13 I Nr. 5 BayPAG glaubt, in München und Umgebung flächendeckend schleierfahnden zu dürfen (s.o. Fall 1), muss in der Tat die Frage erlaubt sein, ob dann der Bürger eine reelle Chance hat, die Grenzen der Schleierfahndung zu erkennen.
Der Bestimmtheitsgrundsatz ist folglich nicht gewahrt.

dd. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der Eingriff ist verhältnismäßig, wenn er ein legitimes Ziel verfolgt und zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen ist.

(1) Legitimes Ziel des Gesetzgebers ist die Verhinderung der grenzüberschreitenden Kriminalität, und für den Bundesgesetzgeber auch die Verfolgung derselben.
(2) Zur Erreichung dieses Ziels müsste der Eingriff geeignet sein. Dabei ist die Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers zu beachten. Die Schleierfahndung kann folgendermaßen dem Ziel der Eindämmung der grenzüberschreitenden Kriminalität förderlich sein:
· Aufgriff von gesuchten Personen
· Aufgriff von "Illegalen"
· Erfolge bei der Gefahrensuche
· Abschreckung
Betrachten wir zunächst nur die Grundmaßnahme, also die Identitätsfeststellung ohne Durchsuchung und Datenabgleich. Kaum wird es mit der Kenntnis der Personalien alleine ohne Datenabgleich gelingen, eine gesuchte Person aufzugreifen. "Illegale" gehen schon eher ins Netz, vor allem, wenn Fälschungsmerkmale am Ausweispapier festgestellt werden können. Die allgemeine Gefahrensuche wird bei der isolierten Identitätsfeststellung erfolglos bleiben. Zu berücksichtigen ist ferner, dass "Illegale" der Grundmaßnahme einfach dadurch entgehen können, indem sie ihre Papiere zu hause lassen, ja nach richtiger Ansicht sogar, wenn sie die Mitführung ableugnen (siehe oben Fall 4). Insoweit entfällt dann auch der Abschreckungseffekt. Die isolierte Grundmaßnahme ist also ungeeignet, ihre Ziele zu erreichen.
Nimmt man die Folgemaßnahmen mit in die Betrachtung auf, so ergibt sich ein ganz anderes Bild. Vor allem die Durchsuchungsbefugnisse sorgen für die gewünschten Erfolge bei der Suche nach Gefahren (Waechter, DÖV 99, 138 (143)). Ebenso ist der Abgleich mit der Fahndungsliste oft effektiv. Abschreckung wird in hohem Maße erreicht. Festzuhalten bleibt, dass die Grundmaßnahme alleine zur Erreichung ihrer Ziele ungeeignet ist und zwar dermaßen, dass der Gesetzgeber dies erkennen musste, die Folgemaßnahmen hingegen hinreichend geeignet zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität sind.
(3) Desweiteren müsste der Eingriff erforderlich sein. Von mehreren gleich wirksamen Mitteln muss danach dasjenige gewählt werden, welches das Grundrecht nicht oder weniger stark belastet (Manssen, Staatsrecht I, Grundrechtsdogmatik, München, 1995, Rdn 629). Gleich wirksame Mittel sind nicht erkennbar. Die Eingriffsbefugnisse sind danach, soweit geeignet, auch notwendig.
(4) Der Eingriff muss ferner angemessen sein. Dies ist der Fall, wenn eine Abwägung der für und gegen ihn sprechenden Gründe ergibt, dass dieser zumutbar ist. (Manssen, a.a.O., Rdn 632). Bei der Prüfung ist nicht mehr von der isolierten Grundmaßnahme auszugehen, weil diese ja, wie oben gezeigt, ungeeignet ist, sondern nur noch von der Grundmaßnahme iVm Folgemaßnahmen.
Folgende Fragen erscheinen abwägungserheblich:
· Ist die Zweck-Mittel-Relation gewahrt hinsichtlich der Erfolge der Schleierfahndung und ihrer Bedeutung für die innere Sicherheit im Vergleich zu den damit für jedermann verbundenen Grundrechtsbeeinträchtigungen?
· Ist das legitime Ziel der Abschreckung noch proportional zur pauschalen Umkehrung der Redlichkeitsvermutung für jedermann in eine Unredlichkeitsvermutung?
· Gebietet die Schutzpflicht des Staates für die grundrechtlichen Schutzgüter die Einführung anlassunabhängiger Personenkontrollen?

Zunächst zur ersten Frage. Auf der einen Seite steht das Interesse der Öffentlichkeit an effektiver Polizeiarbeit. Diese wird vorliegend dadurch ermöglicht, dass jedermann polizeipflichtig gemacht wird, ganz unabhängig davon, ob er Verhaltens-, Zustands- oder Nichtstörer ist oder nicht. Es handelt sich auch nicht um eine geringfügige Polizeipflichtigkeit, wenn man sich die Folgemaßnahmen und deren Tragweite einmal vor Augen hält (ähnlich Stephan, DVBl 98, 81 (83)). Die Befugnis, jedermanns Koffer jederzeit durchsuchen (bzw. in Augenschein nehmen) zu dürfen, müsste also schon eine überdurchschnittlich hohe Effektivität aufweisen, um nicht vor dem Interesse der redlichen Bürger, in Ruhe gelassen zu werden, in die Knie gehen zu müssen. Im ersten Jahr nach Inkrafttreten des neuen BayPAG wurden 23.000 Personen überprüft und dabei 625 Straftaten entdeckt (Maurer, Bürgerrechte & Polizei/CILIP 59 (1/98), http://www.infolinks.de/medien/cilip/ausgabe/59/schleier.htm#fnB12). Eine weitergehende Evaluation der Schleierfahndung fehlt bislang, da eine Zuordnung von Erfolgen zur Befugnisgrundlage aus praktischen Gründen nicht möglich ist (dazu Waechter, DÖV 99, 138 (144)). Bei dem aus Bayern bekannten Erfolgsergebnis von knapp 3% wurden also bei 97 % der Kontrollierten umsonst in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen. In 97 % der Fälle wurden die Betroffenen umsonst stigmatisiert (immer noch gelten Reste der Haltung: Der anständige Bürger hat mit der Polizei nichts zu tun/ dazu Waechter, DÖV 99, 138 (147)). 97 % der Betroffenen haben das entgegengebrachte Mißtrauen nicht verdient. Im Ergebnis kann man daher nur Stephan (DVBl 98, 81 (84)) zustimmen, wenn er sagt: "Eine vernünftige Relation zwischen dem mit der Einführung der anlassunabhängigen ID-Feststellung verfolgten Anliegen und dem Wert des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einer Vielzahl völlig unverdächtiger Bürger, die von der Kontrolle betroffen würden, ist bisher nicht nachgewiesen."

Wenn auch die unmittelbare Erfolgsquote nicht für die Schleierfahndung streitet, könnte dies aber die durch sie erzielte Abschreckungswirkung. Waechter (DÖV 99, 138 (144)) hat aufgezeigt, dass "wenn bei einem derartigen Piksen mit der Stecknadel im Heuhaufen überhaupt Gefahrenabwehr erreicht wird, dann durch Abschreckung". Es leuchtet ein, dass eine Polizei, die durch hohe Kontrolltätigkeit eine hohe Präsenz erreicht, bei potentiellen Störern die Einsicht fördert: "Verbrechen lohnt sich nicht (mehr)". Um aber den beschriebenen Abschreckungseffekt zu erreichen, wird die bisher gültige Redlichkeitsvermutung für jedermann aufgelöst und in eine pauschale Unredlichkeitsvermutung umgewandelt. Denn das Gesetz kann schlechterdings nicht den Redlichen polizeipflichtig machen, sondern muss seine Unredlichkeit voraussetzen. Es ist das Verdienst Liskens (NVwZ 98, 22 (24)), aufgezeigt zu haben, dass die Redlichkeitsvermutung für jedermann auch außerhalb des Strafverfahrensrechtes gilt. Ob es sich hierbei aber um ein Konstitutionsprinzip des Grundgesetzes handelt, wird bestritten (Schwabe, NVwZ 98, 709 (710), teilweise mit freilich unjuristischer Polemik). Dies wäre hier aber irrelevant, wenn das Interesse des einzelnen, vom Staat grundsätzlich als redlich geachtet zu werden, ein abwägungserheblicher Belang wäre. Schwabe (NVwZ 98, 709 (710)) führt an, dass Vertrauen zwar gut sei, in vielen Fällen Recht und Praxis aber Kontrollen auch ohne Verdacht oder Gefahr vorsähen und benötigten, zum Beispiel bei der Verkehrskontrolle nach § 36 V StVO, bei der Steuerprüfung, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Prüfungsarbeiten. In der Tat kontrolliert der Staat laufend ohne Anlass: täglich sind beispielsweise Tausende von Verbraucherschützern und Baukontrolleuren unterwegs. Und an gefährlichen oder gefährdeten Orten oder Kontrollstellen ist ebenfalls jeder polizeipflichtig. Bei genauerem Hinsehen fällt jedoch auf, dass diese Kontrollen jeweils an ein bestimmtes Verhalten der Betroffenen anknüpfen, dass gerade diese Kontrolle rechtfertigt: (bereits Waechter, DÖV 99, 138 (146)) Ingerenz, persönliche Gefährlichkeit, Eröffnung einer Gefahrenquelle, Aufenthalt an bestimmten Orten zu einer bestimmten Zeit. Die Inanspruchnahme von jedermann kann hingegen keiner dieser Gruppen ernsthaft zugeordnet werden; es sei denn man wollte das ganze Land als gefährlichen Ort einstufen. Aber weder Bayern noch gar die ganze Bundesrepublik oder auch ein Grenzschleier mit einer Tiefe von 30 km haben das Gefährdungspotential eines Bordells! Es leuchtet ein, das der Bauherr eines Kaufhauses eine Überprüfung seiner Brandschutzanlage hinnehmen muss, weil ein Versagen derselben viele Menschen unmittelbar in Lebensgefahr bringen kann. Der Fahrgast in der Strassenbahn nimmt eine Leistung in Anspruch, und daher ist die Kontrolle seines Fahrscheins in Ordnung, nicht aber die Feststellung seiner Personalien. Für die Kontrolle von jedermann, der sich auf einer Durchgangsstrasse oder einer Eisenbahn befindet, gibt es keinen vergleichbar vernünftigen Grund. Weder eröffnet er eine Gefahr, noch befindet er sich in einer örtlich-zeitlichen Sondersituation, noch hat er Ingerenz zu vertreten. Damit steht also fest, dass die Redlichkeit von jedermann, der den beschriebenen Gruppen nicht unterfällt, ein schutzwürdiger und damit abwägungserheblicher Belang ist.
Zu beachten ist, dass Abschreckung nur soweit erzielt wird, als sich Folgemaßnahmen anschließen dürfen. Diese bedeuten mehr als nur eine Belästigung. Die Durchsuchung von Person und Sachen, gleichwohl durchaus abschreckend, stellen einen massiven Grundrechtseingriff dar. Hinzu kommt das Element der Willkürlichkeit. Derjenige, den die unangenehme Kontrolle trifft, fühlt sich gegenüber den Nicht-Betroffenen überdurchschnittlich stigmatisiert. Darüberhinaus können alle Maßnahmen mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Wegen dieser starken Betonung des Subordinationsverhältnisses wird kaum je ein Redlicher wagen, im Rahmen einer Anhörung Bedenken gegen die Maßnahmen zu äußern oder sich gar, möglicherweise zu Recht, zu wehren. Entscheidend ist aber, dass durch die Eingriffe gegenüber einzelnen exemplarisch für alle breite Abschreckungswirkung erzeugt werden soll, und diese Generalprävention halte ich für disproportional zum erstrebten Zweck.
Möglicherweise ergibt sich ein anderes aus der Schutzpflicht des Staates. Schutzpflichten wurden aus dem objektiven Gehalt der Verfassung (objektive Wertordnung der Grundrechte, erstmals BVerfGE 7, 198 (205)) abgeleitet (Manssen, a.a.O. Rdn 49; Pieroth/Schlink, a.a.O. Rdn 92; anders Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Band V allgemeine Grundrechtslehren, § 111 Rdn 84). Schutzfähiges Gut ist das Leben und die körperliche Unversehrtheit, Art 2 II S. 1GG. Ebenso Art 14 I GG (z.B. Schutz vor Dieben) kommt in Betracht. (Isensee, a.a.O. § 111 Rdn 93, auch 86)). Auch ist ganz allgemein ein Grundrecht auf Sicherheit behauptet worden (Isensee, GR auf Sicherheit - zu der Schutzpflicht des freiheitlichen Verfassungsstaates, Berlin 1983, 33f.; abl z.B. Kniesel, ZRP 96, 482 (486)). Für die Abwägungserheblichkeit kommt es nicht auf einen Verstoß gegen das Untermaßverbot an, weil dann schon zwingend, feststeht, dass der Staat Schutzmaßnahmen ergreifen muss. Vielmehr kann allgemein gefragt werden, wieviel abwägungserhebliches Interesse an Schutz bestehen kann. Mit den derzeit bestehenden Polizeigesetzen hat der Staat der Sicherheit auch ohne Schleierfahndung einen sehr hohen Stellenwert eingeräumt. Man wird kaum davon sprechen können, dass die Bundesländer ohne Schleierfahndung - und das ist immer noch die Mehrzahl - die Bürger nicht ausreichend schützen würden. Außerdem wäre das Ergebnis grotesk: Wollte man mit der Schutzpflicht die Angemessenheit der Schleierfahndung begründen, so würde man mit der objektiven Wertordnung, die die Grundrechte errichten, wiederum deren freiheitliche Funktion außer Kraft setzen können: Die Grundrechte würden sich gegenseitig aufheben, wenn man die Schutzpflichten nicht behutsam berücksichtigt! (ähnlich allgemein zum GR auf Sicherheit Kniesel, a.a.O.) Daher begründet auch die Schutzpflicht des Staates keine Angemessenheit der Schleierfahndung.
(5) Damit steht fest, dass der Eingriff vollständig unverhältnismäßig ist. Soweit die Regelungen der Schleierfahndung isolierte Grundmaßnahmen vorsehen, sind sie ungeeignet, soweit sie Folgemaßnahmen zulassen, zwar notwendig, aber nicht angemessen.

ee. Vereinbarkeit mit sonstigem Verfassungsrecht
Die Befugnisnormen müssten auch sonstigem Verfassungsrecht genügen.
(1) Ansprechen könnte man den Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung, den das BVerfG in den Entscheidungen zur Abfallabgabe und zur kommunalen Verpackungssteuer (BVerfGE 98, 83ff; BVerfGE 98, 106ff) aufgestellt hat; denn die Länderregelungen könnten die bundesrechtliche Entscheidung, dass man seinen Ausweis nicht ständig mitführen muss, faktisch unterlaufen. Soweit man diesen Grundsatz überhaupt anerkennt, ist er hier wegen der bloß faktischen und mittelbaren Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen des Bundes und der Länder nicht verletzt (im Ergebnis auch Waechter, DVBl 99, 138 (143))
(2) Inwieweit man der Redlichkeitsvermutung gegenüber jedermann Verfassungsrang zusprechen muss oder nicht, kann offenbleiben, da dieser Belang in der Abwägung Berücksichtigung findet (siehe dort, II.2.c.dd.(4)).
(3) Last but not least ist Art 20 III GG zu beachten. Immerhin ist die Bindung der Polizei an Gesetz und Recht in Frage gestellt, wenn ihr weitgehend tatbestandslose Befugnisse eingeräumt werden (Lisken, NVwZ 98, 22 (24)). Es ist überhaupt nicht absehbar, in welchem Ausmaß die Polizei diese Befugnisse einsetzen kann. Man betrachte nur die "Kontrollhysterie auf Flughäfen" (Schwabe NVwZ 98, 709 (711)). Diese zeigt eindringlich, wie gefährlich es ist, der Polizei "Blankettvollmachten" (Lisken, NVwZ 98, 22 (25)) zu erteilen im Vertrauen auf den guten Willen der Amtswalter. Polizeirecht ist und muss auch weiterhin Polizeibegrenzungsrecht bleiben, um die Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz, die Art 20 III GG beinhaltet, nicht leerlaufen zu lassen.

III. Ausblick

Soweit ersichtlich, gibt es noch keine gerichtlichen Entscheidungen zu den Befugnissen der Schleierfahndung. Dies ist bedauerlich. Es wird aber, wie ich meine, in nächster Zukunft die Gerichte beschäftigen, wie sie mit diesen Normen umzugehen haben. Wird auch nicht die Feststellung deren Verfassungswidrigkeit nach Art 100 GG beantragt, so wird es doch auf einfachrechtlicher Ebene zu erheblichen Präzisierungen und Einschränkungen der Tatbestände kommen, die die Rechtssicherheit wiederherstellen und ein Stück weit die Freiheit der Redlichen von dunklen Schleiern befreien werden.

Impressum | Datenschutz