Telekanzlei Lindow & Partner:
Erfahrungen mit einer völlig neuen Form der
Kanzleiorganisation
von
Matthias Lindow
Erschienen in: Computerreport, Beilage der
Neuen Juristischen Wochenschrift
Kontakt:
www.telekanzlei.de
Telearbeit ist seit geraumer Zeit eine viel diskutierte
Arbeitsform.
Auch der anwaltliche Rat ist für die Umsetzung von
Telearbeitskonzepten erforderlich.
Wie aber sieht es in der Anwaltschaft selbst
mit Telearbeitskonzepten aus? Die
Telekanzlei Lindow & Partner in Hamburg führt seit mehr als drei Jahren erfolgreich ein
Kanzleikonzept durch, das ausschließlich auf Telearbeit basiert.
Dieses Konzept ist besonders für
Berufseinsteiger interessant.
Anlaß für das neue Konzept
Der ursprüngliche Anlaß für die Überlegung,
Anwaltsarbeitsplätze nach dem Telearbeits-Prinzip zu organisieren, war eher
privater Natur: zwei der drei Partner wohnten zur damaligen Zeit in
Kiel, die
Kanzlei jedoch hatte den Sitz in
Hamburg.
Jeder, der regelmäßig diese Stecke
(es sind eigentlich nur ca. 90 Kilometer) "pendelt", weiß eigentlich
nur Frustrierendes zu berichten. In einem der endlosen Staus nach Hamburg
hinein, in denen der eine Partner einmal wieder morgens stand, war ausreichend
Gelegenheit durchzurechnen, wieviel Zeit allein das "Pendeln" jährlich
kostet.
Zwei Szenarien: Der Anwalt wohnt tatsächlich so weit entfernt:
mindestens 200 Tage sind je mindestens eine Stunde pro Weg zu fahren, ergo
pro Jahr 400 Stunden. Rechnet man einen Anwaltsarbeitstag mit 12Stunden
Arbeitszeit, so gehen hier bereits
mehr als ein Monat Jahresarbeitszeit
verloren. Abgesehen davon, daß die wahre Fahrzeit regelmäßig staubedingt
deutlich über diesen Zeiten liegt. Alternative: der Anwalt wohnt in Hamburg:
hier kommt das Großstadt-Dilemma: die Kanzlei sitzt regelmäßig nicht in
unmittelbarer Nähe der Privatwohnung. Von Tür zu Tür unter einer ¾-Stunde zu
bleiben, dürfte in einer Großstadt kaum gelingen.
Ein anderer Punkt sollte
auch einem Anwalt eine Überlegung wert sein, auch wenn mancher Kollege geneigt
sein könnte, mild zu lächeln: bei dieser Rechnung geht es neben der Zeit auch
um mindestens
36.000 Kilometer PKW-Laufleistung (Kiel-Hamburg) oder
alternativen Verkehrsbedarf pro Anwalt. So ist es auch eine
umweltschutzorientierte Grundüberlegung, wieweit man Personenverkehr durch
Datenverkehr in Zukunft wird ersetzen können.
Die übrigen Vorteile der Telearbeit sind jedem bekannt,
der Unternehmen in diesem Bereich berät: Raumkosten-Reduzierung, Produktivitätssteigerungs-Potential
usw.
Daher stellte sich die Frage,
was spricht eigentlich bei
einem Anwaltsarbeitsplatz dagegen?
Grundüberlegung
Bei näherer Betrachtung ist die anwaltliche Tätigkeit
in der Tat stark auf eine zentrale Büroführung ausgerichtet. Sämtliche
Ressourcen sind zentral im Büro verfügbar; entsprechend sind sämtliche
Zulieferer-Angebote bis hin zum EDV-Bereich auf diese
Zentralisierung
zugeschnitten. Man kann sagen, daß der Anwalt dadurch arbeitsplatzzentriert
ist. Denkt man an Telearbeit, geht es auch darum, daß umgekehrt der
Arbeitsplatz anwaltszentriert sein sollte. Nicht der Anwalt sollte seinem
Arbeitsplatz folgen, sondern der Arbeitsplatz sollte dem Anwalt folgen.
Der Anwaltsarbeitsplatz und die Ausrichtung der
Kanzlei
Der Anwaltsarbeitsplatz muß dafür natürlich weitest möglich
technisiert werden. Aber auch die
betriebsorganisatorische Grundkonzeption muß
überdacht werden:
Der Anwaltsarbeitsplatz kann im Grunde nicht mehr bürozentriert
sein. Im EDV-Bereich nämlich finden wir dort eine
LAN-Client-Server-Architektur. Und diese vollständig auf Telearbeitsplätze
aufzusplitten, sprengt die Möglichkeiten derzeitiger Softwarelösungen. Man benötigt
immer irgendwo einen Server. Und die naheliegende Lösung, das Internet als
Server zu nutzen, ist im anwaltlichen Bereich derzeit nicht bezahlbar
realisiert. So macht die Überlegung Sinn, den Anwaltsarbeitsplatz nicht als
Client in einer Client-Server-Umgebung zu sehen, sondern als
autonome und
kommunizierende Zelle in einem offenen virtuellen Netz. Begreift man jeden
anderen Anwalt der Telekanzlei ebenfalls so und jeden Mandanten auch, so werden
die Anforderungen klar: jede Zelle muß autonom sein können; sie muß aber
jederzeit mit jeder beliebigen anderen Zelle uneingeschränkt kommunizieren können.
Folgerungen: Grundsätzlich sollte sich jede Akte
weitgehend im PC wiederfinden. Weiter müssen ggf. Dinge re-delegiert werden: so
muß man bei der Rechtsprechung zur Überwachung der Mitarbeiter im Fristbereich
möglicherweise dazu kommen, Fristen wieder komplett zurückzudelegieren auf den
Anwalt und dort auf den PC übertragen. Außerdem muß der in einer
"normalen" Kanzlei vorhandene Aktenpool aufgehoben werden: die reale
Akte muß sich immer am Anwaltsarbeitsplatz befinden. Das erfordert natürlich
auch ausschließliche Zuständigkeiten.
Übergreifend stellt sich auch die Frage, welches
Marktsegment man bedienen will. So ist sicher gerade das Privatkundengeschäft
und insbesondere die Prozeßführung eher ein Bereich, an dem die Telearbeit an
ihre Grenzen kommen kann. Denn im Privatkundengeschäft wird der Umsatz meist über
die Masse gemacht. Und im Prozeßbereich sind derart viele Formalitäten pro
Akte zu bearbeiten/abzuheften, daß der Anwalt leicht überschwemmt würde.
Arbeitet die Kanzlei dagegen
mehr unternehmensbezogen
und eher beratend, so fällt pro Akte mehr Umsatz bei weniger Formalien an. Hier
kommt leicht der Punkt, wo die Kosten des Mitarbeiterarbeitsplatzes den
delegierbaren Aufwand zu stark überwiegen und der Anwalt z.B. den eingehenden
Vertragsentwurf, den er gerade lesen muß, auch gleich selbst in die Akte heften
kann.
Ein weiterer Punkt ist ganz zentral: der Mandant darf
nicht überfordert werden. Er soll ja die Telearbeit nicht bestaunen oder als
Entschuldigung für schlechteren Service verstehen. Vielmehr soll er mit seiner
Vorstellung der anwaltlichen Leistung weiterhin ernst genommen werden. Er soll
den Anwalt und seine Leistung mindestens so erleben, wie bei jedem anderen
Anwalt auch. Der Mandant soll eher ein
höheres Maß an Service genießen dürfen.
Die EDV-Grundstruktur
Leider wird das gesamte geschilderte Profil mit der
heutigen Software nicht in einem Softwareprodukt abgebildet. Bisweilen fehlt es
in der Tat sicher auch noch an der Nachfrage im Softwaremarkt. Gerade die
Entwicklungen im Internet-Bereich lassen jedoch für die Zukunft hoffen. Heute
allerdings muß versucht werden, diese Vorstellung mit Standard-Software
baukastenmäßig zu lösen. So ist jedes
Client-Server-System, das anwaltlich
eingesetzt wird, heute Datenbankorientiert. Man kann sagen, daß man einen
"Datenbankrücken" hat. Löst man die Arbeitsplätze in Richtung
Telearbeit auf, so muß man den Verlust eines solchen "Rückens"
auffangen. Dies geht durch die Nutzung der
Möglichkeiten des Betriebssystems
recht ordentlich: man kann mit der Ordner-/Dateistruktur die
Ordner-/Schriftsatz-Realität der Akten abbilden. Und mit den Suchfunktionen
findet man auch ohne Datenbank die richtigen Dateien. Allerdings ist natürlich
auch dieser Ansatz wie jede Arbeit mit EDV von einer hohen
Datendisziplin der
Beteiligten abhängig. Ansonsten bekommt man mit den Standard-Büroanwendungen
heute fast jede Anforderung realisiert, die ein Anwaltsprogramm zum anwaltlichen
Alltag beitragen kann, manche sogar besser. Denn man unterliegt ja nicht den Zwängen
eines monolithischen Systems.
In der Hardware führen die Anforderungen im
Wesentlichen zum Einsatz von Hochleistungsnotebooks.
Datensicherheit und Datenschutz
Datensicherheit und Datenschutz sind sensible Bereiche.
Gerade eine Kanzlei, die auch in diesem Bereich berät, sollte natürlich größte
Sorgfalt hierauf verwenden. Allerdings weiß auch jeder auf diesem Gebiet:
Sicherheit ist immer relativ. So kann man
Firewallösungen im Internet sicher
entgegenhalten, man könne sie als Hacker umgehen. Doch hat es ja auch schon Fälle
gegeben, in denen die Daten vermeintlich sicher auf einem LAN-Server lagen, dann
jedoch eines Tages der komplette Rechner entwendet wurde. Entsprechend sollte
man immer suchen, welcher Schutz mit gerade noch vertretbarem Aufwand das
relativ sicherste Ergebnis bringt. Bei der Telekanzlei führt dies zu einem
Maßnahmenmix:
die Kommunikation und der Datenversand per E-Mail und Internet z.B. ist verschlüsselt,
es sein denn, der Mandant beherrscht diese Technik nicht und verzichtet ausdrücklich
darauf. Die mobilen Rechner haben BIOS- und Festplattenpaßworte. Leider haben
derzeit die Programme, mit denen man auf der Festplatte selbst verschlüsselt
arbeiten kann, noch zu viele Probleme insbesondere beim Datenaustausch. Deshalb
werden wichtigste Daten separat verschlüsselt und liegen also nur verschlüsselt
vor.
Vor Datenverlust z.B. schützt der Ablauf, daß alle
Arbeitsplätze routinemäßig gegeneinander
abgeglichen werden. Dies geschieht
noch durch Umlauf von Wechselfestplatten, da die Datenmengen für ISDN-Abgleiche
immer noch zu groß sind oder besser ISDN immer noch zu langsam ist. Zudem
finden natürlich Backups normal wie in allen anderen Unternehmen statt.
Die Kommunikationsanbindungen
Die Kommunikationsanbindungen sollten ebenfalls dem
Anwalt folgen können. Gleichzeitig sollte die Performance so sein, daß der
Mandant seine Kommunikationsgewohnheiten nicht abhängig vom Aufenthaltsort des
Anwalts verändern muß. Hier muß zunächst analysiert werden,
wie der Mandant
mit dem Anwalt kommuniziert. Dies ist abhängig von der Mandatsstruktur: ein
Anwalt mit einem Schwerpunkt im örtlichen Privatkundengeschäft wird eher den
Mandanten direkt in seinen Kanzleiräumen empfangen und das persönliche Gespräch
haben. Ein bundesweit tätiges Büro mit Schwerpunkt im Unternehmensbereich wird
dagegen den ganz überwiegenden Teil der Kommunikation über Leitungen
abwickeln: insbesondere
per Telefon, Fax, E-Mail. Ist ein
persönliches Gespräch
gewünscht, wird sich der wirtschaftsberatende Anwalt immer mehr den Vorgaben
der Konkurrenz der Unternehmensberatungen stellen müssen:
man begibt sich zum
Mandanten, nicht mehr umgekehrt. Hinzu kommen Detailaspekte der einzelnen
Kommunikationsmittel. Z.B. sind viele Anwälte heute faktisch nicht mehr
unmittelbar erreichbar; vielmehr wird der Mandant "abgefangen" vom
Sekretariat und auf später vertröstet oder aber der Anwalt ruft später zurück.
Dabei muß jeweils überlegt werden, ob ausgehend von der eigenen
Mandatsstruktur das Sekretariat als
Filter gegen einen Anruf-Overflow an den
Anwaltsarbeitsplätzen benötigt wird oder die Wahrscheinlichkeit überwiegt, daß
Anrufer grundsätzlich nicht mit "unwichtigen" Dingen hereinkommen. Je
mehr der Schwerpunkt außerhalb des Privatkundengeschäfts liegt, desto mehr
wird man auf den Filter Sekretariat verzichten können. Durch die direkte
Annahme durch einen Anwalt kann dann die Verteilgenauigkeit an den
"richtigen" Kollegen erhöht und insgesamt der Serviceeindruck des
Hauses erheblich gestärkt werden.
Ausgehend von einem durchschnittlichen
Anwaltsarbeitsplatz in der Praxis kommt man dann in etwa zu folgendem
Anforderungsprofil: der Neumandant benötigt einen kanzleieinheitlichen
Telekommunikationszugang. Der Bestandsmandant dagegen möchte schnellstmöglich
direkt auf "seinen" Anwalt zugreifen können. Dies führt bei der
Telekanzlei zum Teil zum Einsatz von Servicenummern mit speziellen Funktionalitäten:
Es gibt eine
Zentralnummer. Diese sucht zunächst einen
Anwalt an einem Arbeitsplatz, mag dies in Hamburg selbst oder irgendwo anders in
Deutschland sein. Erst wenn kein Anwalt das Gespräch entgegennehmen kann,
schaltet sie ins zentrale Sekretariat. Dort wird der Wunsch des Anrufers
aufgenommen und dann an die Anwaltsarbeitsplätze intern weitergeleitet.
Jeder Anwaltsarbeitsplatz ist direkt durch Durchwahl-
oder Servicenummern erreichbar. Undzwar sowohl telefonisch als auch per Fax.
Diese Nummern sind jeweils so geschaltet, daß sie dem Anwalt weltweit folgen können.
Als Minimum hat der Anwalt die Möglichkeit der T-Net-Boxen der Telekom: beim
Verlassen des Arbeitsplatzes wird die Nummer zurückgeschaltet und kann
entsprechend
weltweit ausgelesen werden. Dadurch kann potentiell von jedem
Telefon/Fax der Welt die eingehende Kommunikation zur Kenntnis genommen werden.
Zudem kann durch
Vertretungsregeln festgelegt werden, daß der Arbeitsplatz
nicht vom Anwalt selbst, sondern von einem Kollegen ausgelesen wird.
Ein
Szenario soll die Folge der sinnvollen Kombination
von Technik und ablauforganisatorischen Maßnahmen verdeutlichen: Der Anwalt
reist in eine asiatische Stadt; sei es im Urlaub, sei es aus Mandatsgründen.
Durch die Schaltungen ist es nicht notwendig, daß alle möglichen Mandanten,
Geschäftspartner usw. die Handy-Nummer des Anwalts haben. Denn die gesamte
Tele-Kommunikation geht ja über seine Arbeitsplatznummer. Er hat nun
diverse
Möglichkeiten:
er schaltet seinen Arbeitsplatz auf das Handy und ist immer erreichbar. Oder: er
beläßt den Telekommunikationszugang in der T-Net-Box. Dann hat der das Handy für
den dringensten internen Bereich. Hat er Gelegenheit, ruft der die T-Net-Box von
irgendeinem Telefon oder seinem Handy aus ab. Oder: er wird vertreten durch
einen Kollegen, auf den die Nummer aufgeschaltet ist oder der seine T-Net-Box
ausliest.
Parallel zu dieser Struktur sollte dann auch die
E-Mail-Architektur eingerichtet sein.
Vorteil dieser Architekturen:
der Mandant erreicht den
Anwalt ohne den Umweg über das Büro. Allerdings kann der Anwalt selbst
bestimmen, in welchem Grad der zeitlichen Direktheit. Der Mandant hat immer den
identischen Zugangsweg. Kann der Anwalt den Mandanten gerade aktuell nicht
bedienen, so reagiert der Anwalt schnellstmöglich; kann der Anwalt nicht
reagieren, reagiert die übrige Kanzlei.
Nebenprodukt: die Anwaltshotline
Bei der Schaltung der Zentralnummer wird deutlich, daß
Anwaltsarbeitsplätze regelmäßig im Zugriff eines Servicenummernzugangs
liegen. Diese Tatsache läßt sich separat als Produkt begreifen: eine
juristische Hotline. Aus diesem Zusammenhang ist die
JUCALL-Rechtsberatungshotline der Telekanzlei entstanden. Denn es macht Sinn, für
kurze Anfragen zu trennen, ob sie Teil eines Mandats sind oder eine
Erstberatung. Auf der anderen Seite macht es aber auch beim "normalen"
Beratungsmandat heute Sinn, eher zeitabhängig als nach Tabelle abzurechnen. So
können Mandanten dann ggf. wählen, ob sie eher nach dem einen oder nach dem
anderen
BRAGO-Modus bepreist werden möchten. Dadurch, daß nicht mit 190-er
Nummern, sondern mit anderen Servicenummern gearbeitet wird, ist es zugleich möglich,
den Mandanten zunächst entsprechend der BRAGO und der BRAO zu belehren sowie
die weiteren Grenzen des Standes- und des Gebührenrechts zu beachten.
Nebenprodukt: Knowledgemanagement
Wenn technisiert gearbeitet wird, hat dies erhebliche
Vorteile auch für die Sicherung des Know-Hows in der Kanzlei.
In der Telekanzlei gilt die Regel, daß jede Arbeit zwei
Aspekte hat: zum einen dient sie der Erzielung von Einnahmen, also dem
finanziellen Ergebnis. Zum anderen generiert sie internes Know-How. Dieses
Know-How hat immer so zu entstehen, daß es unverzüglich, überall und für
immer mit einer Zugriffszeit gegen Null jedem anderen Arbeitsplatz zur Verfügung
steht.
Diese Grundregel führt zum einen dazu, daß
grundsätzlich
papierlos und direkt am PC gearbeitet wird. Das gilt noch nicht für den Eingang
von Schriftsätzen, da das Scannen und archivieren heute noch jeden sinnvollen
Personal- und Speicher-Ressourceneinsatz sprengt. Es bedeutet aber z.B. auch, daß
der Posteingang wenn irgend möglich in den E-Mail-Bereich verlagert wird. Die
Grundregel führt zum anderen dazu, daß eine ständig wachsende
Bibliothek von
Checklisten existiert. Dort kann jeder wesentliche Ablauf unterstützt werden,
von EDV-Fragen bis hin z.B. zum Ablauf eines Arrestes im Hamburger Freihafen. Fällt
ein Kollege aus, z.B. wegen Krankheit oder Urlaubs, so sind große Teile seines
Know-Hows für den Vertreter sofort verfügbar.
Logische Konsequenz ist auch, daß in der Telekanzlei
immer mehr mit CD-ROM-Produkten und mit
Internetrecherchen gearbeitet wird. Auch
hier wird das Know-How "geklont": die Favoritenverwaltung des
Internetexplorers ermöglicht es, kanzleieinheitliche
Favoritenbibliotheken zu
generieren, die dadurch wachsen, daß jeder Arbeitsplatz wichtige Favoriten in
diese Bibliotheken einstellt und so für die anderen Arbeitsplätze ebenfalls
verfügbar macht.
Mitarbeit und Outsourcing
Bei jeder Funktion, die in einer Kanzlei ausgeübt wird,
kann man sich die Frage stellen, ob sie wirklich im eigenen Haus erledigt werden
muß. So wie in der Industrie über die sog. Fertigungstiefe nachgedacht wird,
kann der beratende Anwalt auch sein eigenes Haus nach diesen Grundgedanken unter
die Lupe nehmen. Es fängt -als ein Beispiel- an beim Kopierer: wozu
benötigt man ein Gerät der Mittelklasse mit
Wartungsproblemen und
Ausfallzeiten, wenn um die Ecke ein Copyshop Hochleistungsgeräte vorhält und
an jedem Arbeitsplatz Kleinkapazitäten für die "schnelle Kopie
zwischendurch" zur Verfügung stehen. Es geht bis zur Frage: wozu benötigt
man eine Schreibkraft? Nehmen wir den Arbeitsplatz eines Partners der
Telekanzlei: er ist ausgebildeter Journalist und schreibt entsprechend schnell.
Selbst wenn eine
Schreibkraft noch einen Bruchteil schneller wäre: durch die
Korrekturabläufe wird der Zeitvorteil wieder mehr als aufgezehrt. Routinen
werden durch Textbausteine automatisiert und Diktierzeiten in der Entwurfsphase
durch direkte Eingaben in die EDV ersetzt. Hier kann erheblich an Personalbedarf
eingespart werden. Doch selbst bei vorhandenem Diktierbedarf stellt sich meist
die Frage, ob für die Tätigkeit eigene Personalressourcen vorgehalten werden müssen
oder auch hier ein outsourcing möglich ist.
Bei der Telekanzlei führten diese Überlegungen dazu,
daß nahezu jede Funktion, die nicht der Anwalt selbst erledigt, nur noch als
Dienstleistung eingekauft wird. Der Mitarbeiterbestand ist daher
nicht fest,
sondern variabel und die Zusammensetzung der Mitarbeiter richtet sich nach dem
konkreten Bedarf. Es ist selbstverständlich, daß die Anbindung der Mitarbeiter
"über die Telefonleitung" erfolgt. Und es ist auch selbstverständlich,
daß Mittel und Wege gefunden werden mußten, um das typische Diskretions- und
Datenschutzinteresse in einer Kanzlei zu wahren.
Der Name
Bereits der Name der Telekanzlei war für die
Anwaltskammer in Hamburg problematisch: man verstand nicht, was der Namenszusatz
"Tele" eigentlich sollte. Immerhin sei die telefonische Erreichbarkeit
im anwaltlichen Bereich normal. Die Argumentation zeigt einmal mehr,
wie
schwer sich Juristen mit dem Einsatz moderner Technolgien auch heute noch
tun. Es erforderte einigen Aufwand, der Kammer verständlich zu machen, was
Telearbeit eigentlich ist. Glücklicherweise ist die anwaltsgerichtliche
Auseinandersetzung mittlerweile
zu Gunsten der Telekanzlei beendet. Allerdings
stellt sich in diesem Zusammenhang in der Tat die Frage der berufsrechtlichen
Zulässigkeit von Marken-ähnlichen Namen oder Namensteilen. In einem aktuellen
Urteil hat das OLG Nürnberg für sog. Phantasienamen die Standeswidrigkeit
bejaht (OLG Nürnberg, Urt. v. 4.5.1999 - 3U4374/98,
BRAK-Mitteilungen 4/1999, S.196). Nach unserer Auffassung ist die Berufsordnung
in diesem Bereich jedoch - wie vieles im Anwaltsrecht - zu Lasten von
"Newcomern" ausschließlich auf sog. alt-eingesessene Kanzleien
zugeschnitten: wenn ausgeschiedene oder verstorbene Partner im Briefkopf
weitergeführt werden oder der Kanzleibezeichnung dienen dürfen, so reduziert
sich dieser Name auf ein bloßes markenähnliches Kennzeichnungselement. Warum
dann Beschränkungen bei anderen Markennamen?
Die Schwierigkeiten
Eine Telekanzlei hat ganz erhebliche Vorteile. Denen
stehen aber auch Nachteile gegenüber:
Das Mitarbeiterproblem
Unabhängig von der Frage, wie Mitarbeiter angebunden
werden, ob als feste, freie oder als Subunternehmer: auch eine Telekanzlei
braucht sie natürlich letztendlich. Geeignete zu finden, ist nicht einfach,
denn in der schulischen und in der juristischen Ausbildung werden nach unserer
Auffassung heute
Heerscharen von Analphabeten "herangezogen". Immer
mehr Kinder beherrschen zwar heute schon die Spiel-Seite des
Multimediazeitalters. Juristischem Nachwuchs fehlt heute aber meist noch jedes
Grundverständnis in diesem Bereich. Geht es um die Anwendungen von EDV im
Bereich jenseits der Spiele, so fehlt beiden Gruppen weitgehend bereits das
Grundverständnis. Man muß einen Nachwuchsjuristen bereits
"Spezialisten" im Bereich EDV nennen, wenn er in der Textverarbeitung
mehr beherrscht als die bloße Texteingabe. Und es gibt noch immer den Bewerber,
der sich mit dem Spezialgebiet Datenschutzrecht bewirbt und die Frage nach einem
eigenen PC mit nein beantwortet. Entsprechend frustrierend verläuft bisweilen
die
Mitarbeiterakquise. So muß man heute als Kanzlei nur irgendwo einen Aushang
machen, daß man Mitarbeiter sucht, und wird auch schon mit Bewerbungen völlig
überflutet. Nimmt man Bewerbungen aber grundsätzlich nur per Fax entgegen,
reduziert sich die Zahl schon erheblich. Nimmt man sie nur per E-Mail entgegen,
so versiegt der Strom fast vollends. Hier muß sich in den nächsten Jahren
unbedingt etwas bewegen: die Schulen sind gefragt. Aber gerade auch die
Anwaltsorganisationen in der Ausbildungsdiskussion. Und natürlich auch die
Hochschulen. Unsere Bitte auch in diesem Zusammenhang: bildet den Nachwuchs
endlich einigermaßen praxisbrauchbar aus! Unsere Mandanten wollen nicht die römisch-rechtlichen
Grundlagen des Zivilrechts mit besonderem Bezug zur germanischen Tradition erläutert
bekommen. Sie wollen von unserem Mitarbeiter die Risiken eines LKW-Transports
zwischen Schweden und Deutschland erläutert haben und das ggf. per E-Mail!
Die Konkurrenzfrage
Aus unserer Sicht beschäftigt sich die Anwaltschaft zu
sehr mit sich selbst. So werden wir bisweilen trotz erfolgreichem Abschluß der
Auseinandersetzung mit der Kammer immer noch gern von Kollegen angegangen, die
bereits den Namen für unzulässig halten. Verhindert werden sollen Anflüge
unlauteren Wettbewerbs in der Anwaltslandschaft. Nur: steht man denn wirklich im
Wettbewerb miteinander? Die Telekanzlei konkurriert z.B. in erster Linie mit
Unternehmensberatungen. Das jene
ganze Bereiche der Rechtsberatung heute
faktisch der Anwaltschaft entzogen haben, scheint gerade uns Anwälte weniger zu
stören, als die sprichwörtlich problematische
Größe des Kanzleischildes.
Oder wie soll man als Unternehmensberatung im Personalbereich nicht arbeits-,
sozial- und steuerrechtlich beraten oder bei Nachfolgeregelungen nicht erb- und
steuerrechtlich? Wir müssen ja nicht gleich standesrechtlich an die
Unternehmensberatungen herantreten; nur hindern wir uns durch unser eigenes
Standesrecht gerade auch daran, den Konkurrenzkampf am Markt mit gleichen
Mitteln auszutragen.
Das führt dazu, daß es heute eigentlich immer verdrießlich
ist, im anwaltlichen Bereich
Innovationen zu entwickeln und an den Markt zu
stellen. Irgendjemand findet sich immer, der mit Abmahnungen usw. kostbare
Zeitressourcen anderer vergeudet. Hier sollte die Anwaltschaft insgesamt intern
gelassener und zukunftsfreudiger werden. Und vor allem sollte sie die wirklichen
Konkurrenten sehen, insbesondere Unternehmensberater, Personalberater und
Steuerberater. Allerdings sei uns Anwälten zugegeben, daß wir (mit Ausnahme
vielleicht der Steuerberatung) den anderen Berufen in der Innovationsfreudigkeit
und Serviceorientierung derart
hinterherhinken, daß ein Konkurrieren schwer
sein wird.
Die "üblichen" Nachteile der Telearbeit
Von den "üblichen" Nachteilen der Telearbeit
ist natürlich auch der Anwalt betroffen: mit den Kollegen wird meist über
Telefon gesprochen; man hat
weniger "Familiengefühl" in der Kanzlei
usw. Dem stehen aber meist komplementär die Vorteile gegenüber: die
Zeitvorteile lassen z.B. erheblich mehr Möglichkeit, sich seinem privaten
Freundeskreis statt der Autobahn oder dem Zug zu widmen.
Es verbleiben aber Nachteile, die durch
telearbeitsspezifische Mechanismen aufgefangen werden müssen: So muß es, um
ein Beispiel zu nennen, im Mitarbeiterbereich andere Lenkungsinstrumentarien
geben als die Zeitliste.
Die Zukunft
Die Telekanzlei ist bedingt durch den Grundaufbau ein
offenes System. Es kann potentiell unbegrenzt wachsen und es kann potentiell
unbegrenzt restrukturiert werden. Die Telekanzlei kann also z.B. intern wachsen.
Sie kann aber auch modular wachsen. Von daher ist es konsequent, daß
Interessierten eine
Franchiselösung offen steht, die eine abgestufte Teilnahme
am Modell ermöglicht und so den einzelnen Beteiligten ein
Höchstmaß an
individueller Freiheit und Unabhängigkeit garantiert. Dies ist besonders für
Berufseinsteiger interessant, die Miete, Fahrtkosten und Zeit sparen wollen und
sich kostengünstig an einem bundesweiten
Netzwerk von Teleworkern beteiligen
möchten.
Die Telekanzlei wird der Zukunft unserer Dienstleistungsgesellschaft im mittelständischen
Bereich folgen: weg von großen Einheiten, hin zu
kleinen,
hochspezialisierten, teamfähigen und kommunizierenden Einheiten, die beweglich
auf jede Veränderung im Markt schnell reagieren können.
Kontakt:
www.telekanzlei.de