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LG Bielefeld: "Explorer" - Klage abgewiesen
 
Urteil des LG Bielefeld vom 29. Dezember 2000

Az. 3 O 452/00

Verkündet am 29.12.2000

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL


In dem Rechtsstreitder Firma xxxxx, ges. vertreten durch Geschäftsführer xxxxx Prozessbevollmächtigte Rechtsanwälte xxxxx



gegenden Herrn xxxxxhat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeldim schriftlichen Verfahren gern. § 128 II ZPO mit Schriftsatznachlass bis 11.12.2000 durch den Richter xxxxx als Einzelrichter

für R e c h t erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

(...)

I.
Tatbestand


Die Parteien streiten über die Kosten einer markenrechtlichen Abmahnung.

Die Klägerin vermarktet Software. Sie ist Inhaberin der am 17.11.1995 unter der Warengruppe "Datenverarbeitungsgeräte /Datenverarbeitungsprogramme" eingetragenen Marke "Explorer". DerBeklagte betrieb jedenfalls bis März 2000 unter der Adresse

"www..xxxxx.de/xxxxx/kommunikaton.html" eine Internet Domain. Unterjener Domain bot er unter der Zeile "FTP-Explorer 1.00.09" einen sog. Link,d.h. eine Verknüpfung zu der Homepage der amerikanischen Firma FTPXCorporation, von der aus Internet-Nutzer die Möglichkeit hatten, die besagteSoftware zu laden. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom22.3.2000 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einervorgefertigten Unterlassungserklärung auf, in der sich der Beklagteverpflichtete, die Kennzeichnung "FTP-Explorer" zukünftig nicht mehr imgeschäftlichen Verkehr für Software zu verwenden. Zugleich stellte sie demKläger die Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten über insgesamt1895,21 DM in Rechnung. Ohne Anerkennung einer Rechtspflichtunterzeichnete der Beklagte die Unterlassungserklärung am 27.3.2000ohne die Kostenrechnung zu begleichen.

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Zahlung der Abmahnkosten ihrerProzessbevollmächtigten geltend. Sie meint, zwischen der von ihrvertriebenen Marke "Explorer" und dem vom Beklagten mittels Linkvermittelten "FTP-Explorer" bestehe Verwechselungsgefahr. Die Marke"Explorer" sei im EDV-Bereich bekannt. Ihre Bekanntheit ergebe sichinsbesondere aus der Benutzung durch die Fa. Microsoft. Dem vomBeklagten verwendeten Zusatz "FTP" komme allein beschreibendeBedeutung zu, da die Buchstabenkombination für "File Transfer Protocol"und damit lediglich für ein Standard-Übertragungsprotokoll fürInternet-Dateien stehe. Der Beklagte handele auch im geschäftlichenVerkehr, da er mit seinem Link zumindest fremde Geschäftsinteressenfördere.

Sie beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.633,80 DM zuzüglich 7,5 % Zinsen p.a. seit dem 09.05.2000 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er meint, es liege schon keine Verwechselungsgefahr zwischen demBegriff "Explorer" und "FTP-Explorer" vor, da sich die Bezeichnung"Explorer" inzwischen als allgemeiner Gattungsbegriff für Software zumDurchsuchen und Herunterladen von Dateien im Internet durchgesetzt habe.Der Begriff, "Explorer" sei nicht (mehr) unterscheidungskräftig. Die Nutzungdes Begriffes "Explorer" durch die Fa. Microsoft könne sich die Klägerinnicht zurechnen lassen, da Microsoft ein Fremdbenutzungswille fehle. Beiseiner - des Beklagten - Domain habe es sich um eine rein privateHomepage gehandelt, so dass jedenfalls kein Handeln im geschäftlichenVerkehr vorliege. Er beruft sich zudem auf § 23 Nr.2 MarkenG. Jedenfallssei seine Haftung nach § 5 II und III TeledienstG ausgeschlossen.

Der Beklagte erhebt ferner die Einrede des rechtsmissbräuchlichenVerhaltens, da die Klägerin lediglich kleinere Unternehmen und Privateabmahne, nicht jedoch Großunternehmen wie T-Online oder IBM, diegleichfalls den Begriff "Explorer" im Softwarebereich nutzten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf diewechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.
Entscheidungsgründe


Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin stehen keine Ansprüche gegen den Beklagten auf Zahlung von1.633,80 DM aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 683 Satz 1,677, 670 BGB zu.

Für die von der Klägerin per Anwaltsschreiben geforderteUnterlassungserklärung bestand kein Rechtsgrund; die Aufwendungen derKlägerin waren mithin nicht erforderlich. Es kann dahinstehen, ob derBeklagte durch das Setzen eines Links auf seiner Homepage imgeschäftlichen Verkehr gehandelt hat und eine markenmäßige Benutzungdieses Zeichens vorliegt.

Der Beklagte hat jedenfalls mit der Setzung des "FTP-Explorer"-Links aufseiner Domain kein Markenrecht der Klägerin verletzt. Zwischen dem vonder Klägerin verwendeten Begriff "Explorer" und dem vom Beklagtengebrauchten "FTP-Explorer" besteht keine Verwechselungsgefahr im Sinnevon § 14 II Nr.2 MarkenG.

a) Bei der Prüfung der Verwechselungsgefahr zweier Marken kommt esdarauf an, wie die sich gegenübertretenden Begriffe auf denDurchschnittsverbraucher jener Art von Waren wirken. DieVerwechselungsgefahr wird dabei maßgeblich nicht allein durch denÄhnlichkeitsgrad der sich gegenübertretenden Bezeichnungen, sondernauch durch deren Kennzeichnungskraft und durch den Grad der Warennähebestimmt. Zwischen diesen drei Bestimmungsfaktoren besteht eineWechselwirkung dahingehend, dass ein höherer Ähnlichkeitsgraderforderlich ist, wenn die Kennzeichnungskraft nur schwach ist undumgekehrt (BGH NJW-RR 1993, S.553).

Der vom Beklagten in dem Link verwendete Begriff "FTP- Explorer" setztsich gleichermaßen zusammen aus der in Großbuchstaben erfolgendenAbkürzung "FTP" wie dem Begriff "Explorer". Keiner der beidenBestandteile wirkt dabei für sich allein prägend.

Dem Begriff"Explorer" kommt allenfalls schwache Kennzeichnungskraftzu. "Explorer" stammt aus der englischen Sprache und hat imwesentlichen beschreibenden Inhalt. übersetzt bedeutet der Begriff"Entdecker" oder "Forscher". Jedoch ändert auch die Benutzung einesBegriffes aus der englischen Sprache nichts an seiner im wesentlichenbeschreibenden Funktion, denn auch fremdsprachigen Wörtern kommtprimär beschreibende Bedeutung zu, wenn sie für den maßgeblicheninländischen Verkehrskreis zum allgemeinen Sprachgebrauch gehören odereine im Verkehr übliche Bezeichnung für konkrete Produkte darstellen (vgl.Fezer, MarkenG, 2. Aufl., § 8 Rn.104). Gerade für die angesprochenenVerkehrskreise - namentlich die Nutzer des Internet - sind aufgrund derweltweiten Zugänglichkeit des Netzes englischsprachige Begriffe vertrautund üblich. Dies gilt gerade auch für den hier streitgegenständlichen Begriff"Explorer". Die Bezeichnung "Explorer" ist im Internetverkehr inzwischen imVerbund mit Software für die Suche und Organisation von Dateien in fastjedem Bereich vorhanden, in dem solche Software für das Durchsuchen desNetzes gewerblich wie nicht-gewerblich bereitgehalten wird Der Beklagteweist zu Recht darauf hin, dass etwa Anbieter wie T-Online auf ihrerHomepage Shareware, d.h. frei zugängliche Software mit dem Zusatz"Explorer" in erheblicher Zahl zum Download bereithalten (im Dezember2000: 357 Angebote). Soweit die Klägerin diesen Umstand mit Nichtwissenbestreitet, ist dies unerheblich, da diese Tatsache unschwer im allgemeinzugänglichen Internet nachgeprüft werden kann und daher allgemeinbekannt ist. Darüberhinaus wird der Begriff "Explorer" auch von zahlreichenanderen Anbietern verwendet; mit ihm wird regelmäßig Software für dasDurchsuchen von Dateien im Internet bezeichnet.

Durch diese anderweitige, von der Klägerin unabhängige Benutzung desBegriffes "Explorer" ergibt sich eine erhebliche Verwässerung des"Explorer"-Begriffes und damit Schwächung seiner Kennzeichnungskraft.



b) Die Klägerin kann sich auch nicht den von ihr behauptetenBekanntheitsgrad der Marke "Explorer" aufgrund deren Benutzung durchdie Fa. Microsoft zurechnen lassen gem. § 26 II MarkenG. Das Gerichtschließt sich insoweit der von Fezer (MarkenG. 1997, § 26 Rn.86) und vomLG Düsseldorf (Urt. v. 25.10.2000, Az. 2a O 106/00) vertretenen Auffassungan, nach der die Zurechnung einer Drittbenutzung der Marke ausscheidet,wenn dem Dritten nach außen erkennbar ein Fremdbenutzungswille fehltoder wenn es sich um eine "aufgedrängte Zustimmung des Markeninhabershandelt (so Ingerl/Rohnke MarkenG, 1998, § 26 Rn.69). So liegt der Fallhier: Der von der Fa. Microsoft vor dem OLG München geschlosseneVergleich erfolgte ausweislich des von der Klägerin vorgelegtenSitzungsprotokolls ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht.Microsoft hat damit zu erkennen gegeben, dass sie den Begriff "Explorer"gerade nicht (quasi abgeleitet) mit der Zustimmung der Klägerin verwendenwill. Auch eine konkludente Zustimmung kann aufgrund der explizitfestgehaltenen Ablehnung einer rechtlichen Verpflichtung gerade nichthergeleitet werden. Die Klägerin hat das Vorbringen des Beklagten auchnicht bestritten, nach dem die Fa. Microsoft in ihrer Explorer Softwareregelmäßig auf Urheberrechte Dritter verweist, hierunter zwar auf dritteFirmen, jedoch nicht auf die Klägerin. Die Klägerin hat ihrerseits keineAnhaltspunkte dafür vorgetragen, die auf einen Fremdbenutzungswillen derFa. Microsoft schließen lassen würden. Eine Zurechnung nach § 26 IIMarkenG kommt daher nicht in Betracht.

c) Aufgrund sämtlicher vorgenannter Umstände kommt dem von derKlägerin verwendeten Begriff "Explorer" eine so schwacheKennzeichnungskraft zu, dass fast jedweder Zusatz geeignet ist, dieVerwechselungsgefahr im Sinne von § 14 II MarkenG zu beseitigen.

Der Bestandteil "FTP" prägt den vom Beklagten verwendeten Begriff,,FTP-Explorer" in gleichem Maße; eine schwächere Kennzeichnungskraftdieser Buchstabenkombination gegenüber dem "Begriff "Explorer" vermagdas Gericht nicht zu erkennen. Zwar mag die Buchstabenfolge "FTP" alsAbkürzung für "File Transfer Protocol" und mithin für das Protokoll zurDateiübertragung stehen. Gleichwohl hat die Buchstabenfolge "FTP" nichtnur beschreibende Wirkung da sie als Abkürzung für den durchschnittlichenInternet-Benutzer nicht sofort erkennbar ist (vgl. LG Düsseldorf, Urt.v.25.10.2000, Az. 2a O 106/00). Hinzukommt, dass mit der Kennzeichnung"FTP" gerade die vom Beklagten mittels Link vermittelteDateidurchsuchungs- Software für den durchschnittlichen Benutzerkreisdes Internet näher gekennzeichnet wird.

Aufgrund dieser Umstände ist nicht ersichtlich, dass dem Element"Explorer" eine höhere Kennzeichnungskraft als dem Element "FTP"zukommt. Die hier vorliegende Übereinstimmung der Kollisionsmarke miteinem von zwei in ihrer Kennzeichnungskraft gleichwertigenZeichenbestandteilen begründet noch keine Verwechselungsgefahr (vgl.BGH GRUR 1991, S.319,320 - HURRICANE). Dies gilt im vorliegenden Fallerst recht, da der vom Beklagten verwendete Begriff mit dem Bestandteil"FTP" beginnt und Wortanfängen regelmäßig stärker beachtet werden alsnachfolgende Wortteile (Ingerl/Rohnke a.a.O., § 14 MarkenG Rn.328m.w.N.). Ein Hervortreten des Bestandteils "Explorer" gegenüber demElement "FTP" kann jedenfalls nicht festgestellt werden.

Lag folglich mangels Verwechselungsgefahr kein Rechtsgrund für die vomBeklagten geforderte Unterlassungserklärung vor, so besteht kein Anspruchder Klägerin auf Erstattung der Abmahnkosten aus einer Geschäftsführungohne Auftrag.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 I ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 lNr.11, 713 ZPO.

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