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"Selbsternannte 'Wildhüter' im 'Internetreservat'? - IN SACHEN Münz gegen Symicron GmbH"

IN SACHEN

Münz gegen Symicron GmbH

Mündliche Verhandlung vor dem LG Düsseldorf am 20.09.2000

- ein Prozeßbericht -

I.

Die deutschen Internetprojekte werden gegenwärtig von Abmahnwellen durchgeschüttelt. Doch nicht mehr das UWG steht im Zentrum der Abmahnbemühungen (s. aber etwa den Fall „mitwohnzentrale.de“), wie noch bei den Abmahnwellen der 70er und 80er Jahre, als die „Abmahnvereine“ aktiv waren. Heute geht es in erster Linie um durch Registereintrag beim Deutschen Patent- und Markenamt geschützte Marken, deren „Verletzung“ regelmäßig zu Abmahnwellen führt, die den Widerstand der Netizisens herausgefordert hat und heute (20.09.2000) zu einer bundesweiten Netzdemo führt (http://www.freedomforlinks.de). Gegenüber dem alten Warenzeichenrecht wurde das deutsche Markenrecht (nach europäischen Vorgaben und nach eingehender Rezeption US- amerikanischen Rechts) weitgehend liberalisiert, aber gegenüber dem Warenzeichenrecht auch weiter für Mißbräuche geöffnet. Fast jeder Begriff und jedes Zeichen (§ 3 MarkenG) kann grundsätzlich als Marke registriert werden und wird meist auch eingetragen (http://www.deutsches-patentamt.de). Die Prüfung absoluter Schutzhindernisse nach § 37 I MarkenG i.V. mit §§ 3, 8 und 10 MarkenG scheint nicht sehr intensiv durchgeführt zu werden. Dies gilt besonders bei rein „beschreibenden“ Marken, für die fraglich ist, ob nicht ein absolutes Schutzhindernis nach § 8 II MarkenG besteht oder eine Verwendung nach § 23 Nr.2 MarkenG nicht untersagt werden kann. Im Zentrum steht meist die Frage, ob Unterscheidungskraft besteht und eine Verwechslungsgefahr vorliegt, da die Marke dem Inhaber ausschließlich zusteht, so daß er die Rechte aus § 14 II, IV MarkenG im Wege des Unterlassungsanspruchs nach § 14 V und/oder des Schadensersatzanspruches nach § 14 VI MarkenG geltend machen kann. Besonders kurios wird die Situation, wenn eine Markenverletzung geltend gemacht wird, weil in einem Hyperlink auf eine andere Website „gelinkt“ wird, in dessen Bezeichnung die Marke enthalten sein soll. Damit wird die Funktionsfähigkeit des Internets im Kern bedroht.

Eine derartige - hier nur grob und ungenau umrissene - rechtliche Situation ruft (gewerbsmäßige?) Abmahner auf den Plan, bei denen sich der Verdacht aufdrängt, Marken würden nur registriert, um später qua Abmahnung (die nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag kostenpflichtig ist) gegen „Verletzer“ serienmäßig vorzugehen, wohingegen eine Benutzung im geschäftlichen Verkehr selbst oftmals fraglich ist, die bestenfalls aus einer Verwendung auf einer Website besteht. Ein derartiger Nachweis ist selbstredend schwer zu führen, drängt sich aber insbesondere bei Serienabmahnungen auf. „Serienabmahner“ berufen sich dabei regelmäßig auf den durch § 21 I MarkenG erzeugten „Druck“ einer Verwirkung durch Duldung der Verletzung aktiv entgegenwirken zu müssen. Derartige „Abmahner“ finden in der „virtuellen Welt“ ein reiches Bestätigungsfeld, unter Hinweis auf die gesetzlich ermöglichte Selbstregulierung von Verstößen durch eine rechtsstaatlich kontrollierbare Abmahnpraxis, deren Kontrollinstanzen aber inzwischen „aufgewacht“ sein zu scheinen. In einer „virtuellen Welt“, die nur aus Zeichen besteht, die auf Zeichen verweisen, die aus Kommunikationen besteht, die aus Kommunikationen bestehen, kann die Verletzung von Marken Folgen haben, die bis zur wirtschaftlichen Existenzvernichtung führen können, gleichzeitig aber die Funktionsfähigkeit des Internets bedroht. Würde man diese Abmahnpraxis legitimieren, hätte dies zur Folge, daß der freien Netzkommunikation das Rückgrat gebrochen würde. Durch die Abmahnpraxis hat das „Internetreservat“ seine selbstberufenen „Wildhüter“ gefunden, die für „Ruhe und Ordnung“ im Netz sorgen wollen, durch markenkonforme Regulation der Internetkommunikation. Über die wirtschaftsrechtliche Brisanz der Fälle hinaus, wirft die Abmahnpraxis die Frage nach der Freiheit der Information im Netz und ihrer Zukunft auf:

Wenn etwa internetspezifische „Allerweltsbegriffe“ wie „Webspace“ als Marke geschützt werden. Wenn „Lady Di“ oder „Ballermann“ als Marken geschützt werden, um gegen deren Verletzung vorzugehen. Eine Abmahnwelle, die noch bevorsteht. Oder wenn „Johann Sebastian Bach“ als Marke geschützt wird, um der „Bach-Stadt“ Leipzig Lizenzgebühren abzutrotzen, diesmal sogar in der „realen Welt“. Einem Unsinn, dem das OLG Dresden einen Riegel vorgeschoben hat. Oder aber, wenn - in diversen Varianten - einfach der Begriff „Explorer“ geschützt wird, ob als „Telco-Explorer“, als „Ftp-Explorer“ oder wie auch immer.

Das World-Wide-Web „lebt“ durch den Hyperlink. Am Anfang stand Enthusiamus und es entstanden freiheitliche Kommunikationsformen, und Formen von Solidarität, die ihresgleichen suchen, die aber nach und nach kommerziell überformt oder „kolonialisiert“ zu werden drohen. Durch die ungehemmte Durchsetzung von Markenverletzungsansprüchen droht die Gefahr einer Regulierung des Internets nach Maßgabe eines für die genannten Zwecke mißbrauchten Markenschutzes, der diese Kommunikationsformen zu beeinträchtigen droht. Diese Situation wirft auch die Frage der Geltung - und ihrer Reichweite - der Kommunikationsgrundrechte - nicht zuletzt via Drittwirkung - auf, die weithin ungeklärt ist, hier aber nicht vertieft werden kann. Eigentumsrechte und Kommunikationsfreiheiten geraten dabei in ein Spannungsfeld, dessen Auflösung durch praktische Konkordanz bisher nicht ansatzweise gelungen ist, nicht zuletzt, weil der Markenschutz auf privaten Eigentumsverfügungsrechten beruht, die sich der Teilhabe durch Einbindung in Netze von kommunikativen Freiheiten noch weithin entzieht. Der weite Markenschutz ermöglicht die Bildung von Sprachreservaten, in denen bestimmte Begriffe für die freie Kommunikation - ohne Zahlung von Lizenzgebühren - nicht mehr zur Verfügung stehen. Genau genommen kann es jeden treffen, der sich im Netz bewegt und dort ein Internetprojekt betreibt, weil er bestimmte Begriffe verwendet, die als Marke - für bestimmte Verwendungsarten nach der MarkenVO - geschützt sind und deren Verwendung der Markenrechtsinhaber für sich als ausschließlich reklamiert. Und dies insbesondere dann, wenn ein Hyperlink gesetzt wird, auf eine Site, die eine Marke verletzt, was die interessanten Fragen der Haftung für Hyperlinks aufwirft (s. Köhler/Arndt, Internetrecht, 2. Aufl., 2000, S. 122 ff, S. 128ff).

II.

Stefan Münz ist einer der Pioniere des deutschen Internet. Sein Buch „Self-Html“ (http://www.teamone.de) hat so ziemlich jeder gelesen, der sich mit dem Netz näher beschäftigt hat. Es ist als Buch erschienen, steht aber Netizisens auch umsonst zur Verfügung. Auch er wurde abgemahnt, weil seine Website einen Link aufwies, der nichts außergewöhnliches an sich hat:http://www.ftpx.com. Dieser Link wies aber auf die Site eines Markenverletzers, dem in Deutschland nicht entgegengetreten werden kann, so daß der Linksetzer haften sollte, der wissen müssen soll, ob ein Link eine geschützte Marke beinhaltet. Hier soll ein Verstoß gegen die Marke „Ftp-Explorer“ vorliegen, die zugunsten der „Symicron GmbH“, Ratingen bei Düsseldorf geschützt ist. Der wohl bekannteste Abmahnspezialist der „Branche“, Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuth (http://www.gravenreuth.de) übernahm ein entsprechendes Mandat - wie zuvor viele andere in ähnlichen Sachen, an „Webspace“ sei erinnert - und mahnte Stefan Münz ab (eingehend zur Vorgeschichte: http://www.freedomforlinks.de/Pages/forsch.html. Diesmal ging ein Ruck durch das Netz, der die Reaktionen auf die Abmahnungen in Sachen „Webspace“ und „Telco-Explorer“ noch übertraf. Die Internet-Bürgerinitiative „freedomforlinks“ (http://www.freedomforlinks.de) unterstützte die ablehnende Haltung des Abgemahnten (s. seine eigene Sicht unter: http://www.teamone.de/selfaktuell/talk/rechtundlinks.htm) und leitete eine erfolgreiche Spendenaktion ein, um dem Abgemahnten ein angemessenes Vorgehen zu ermöglichen, ohne die unmittelbare Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz durch einen negativ verlaufenden Prozeß befürchten zu müssen. Die Selbstorganisationsfähigkeit der Zivilgesellschaft lebt und sie lebt im Netz! Münz beauftragte zunächst RA Thomas Stadler aus Landshut mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (http://www.jurathek.de/stadler), dem wenig später einer der bedeutstenden anwaltlichen Spezialisten auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland, RA am OLG Dssd, Dr. Hans Jochen Krieger (http://www.transpatent.com) hilfreich als Beistand zur Site sprang, um die negative Feststellungsklage gerichtlich durchzusetzen, mit der festgestellt werden soll, daß ein gesetzliches Rechtsverhältnis zwischen dem Markenrechtsinhaber und dem Kläger nicht besteht. Es kam wie es kommen mußte: die mündliche Verhandlung wurde auf den 20.09.2000, 10.00 h, LG Düsseldorf, R 157 terminiert (http://www.freedomforlinks.de/Pages/verfahren.html). Anläßlich dieses Termins wurde dann gleich noch ein anderer „Abmahnfall“ verhandelt, der für den Abmahner wohl ähnlich ausgehen wird, wie dieser Fall, jedenfalls in erster Instanz!

III.

Der Prozeß fand in einer entspannten Atmosphäre vor voll besetzten Reihen statt. Bei Zivilprozessen ist dies eher selten. Es zeigte sich, daß Düsseldorf nicht München ist, jedenfalls in dieser Hinsicht wenig Ähnlichkeiten bestehen. Gleich eingangs während der knappen Einführung in den Sach- und Streitstand wies die vorsitzende Richterin der 2a-Kammer des LG Düsseldorf darauf hin, daß die Kammer dazu neige eine Verwechslungsgefahr nicht anzunehmen, sehr zur Enttäuschung des Freiherrn von Gravenreuth, der sich wohl bessere Aussichten ausmalte und zur Freude des Publikums. In letzter Zeit scheint das „Glück“ den „Freiherrn“ zu verlassen. Der Kläger erschien persönlich mit RA Stadler. Es wurde erwartungsgemäß streitig verhandelt, so daß die Sachanträge aus dem Schriftsatz gestellt wurden. Da seitens des Gerichts ein Schriftsatz an Herrn von Gravenreuth übergeben wurde, der ihm kollegialiter vorab bereits per Fax übersandt wurde, beantragte er eine Schriftsatzfrist, auch wenn scheinbar bereits alles gesagt worden ist. Bis auf den letzten Schriftsatz trug RA Stadler die Schriftsatzarbeit allein, der sich von RA Gravenreuth ersichtlich nicht beeindrucken ließ. RA Krieger als Beistand für RA Stadler gab seiner Freude über die Neigungen des Gerichts dadurch Ausdruck, daß er der Vorsitzenden Richterin entgegnete, er würde diese Neigung gern verstärken. Gravenreuth versuchte mit der Kammer zu argumentieren und wies auf erfolgreiche Verfahren hin, die Abmahnungen als rechtmäßig bestätigt hatten. Das anderweitig geäußerte Argument von RA Krieger, gegen Abmahnungen seien nur negative Feststellungsklagen erfolgreich, bestätigte sich auch diesmal, zumal es dazu führt, den Gerichtsstand selbst zu bestimmen und anzugreifen, statt angegriffen zu werden. (s. die Ausführungen unter http://www.juramail.de/aufsatz). Die Vorsitzende Richterin bedeutete dem Beklagtenvertreter jedoch, daß sie diese unterschiedliche Rechtsprechung sehr wohl kenne und referierte kurz die unterschiedlichen Gewichtungen, sah aber keine Veranlassung, von der geäußerten „Neigung“ abzugehen. Nunmehr führte Gravenreuth die Berufung vor dem OLG Düsseldorf ins Feld, worauf ihm seitens des Gerichts erwidert wurde, daß man davon ausgehe, daß dies nicht die letzte Instanz sei, dies aber an der Tendenz nichts ändere. Die Berichterstatterin in diesem Verfahren führte im Verlauf der recht kurzen Verhandlung sehr fundiert aus, warum das Gericht dazu neige, eine Verwechslungsgefahr nicht anzunehmen und ging auch kurz auf das Problem beschreibender Marken ein. Wenn die Marke „Explorer“ nicht beschreibend ist, dürfte es kaum noch beschreibende Marken geben. Das Gesetz des Dschungels würden dann das Internet beherrschen und Raubritter würde gegen Raubritter kämpfen. Ein Sinn, den das Netz ursprünglich unter keinem Aspekt hatte.

Es war ohnehin kein guter Tag für Herrn von Gravenreuth, erst wurde ihm das Auto von den hiesigen Ordnungsbehörden wegen Falschparkens („Knöllchen“ auch noch obendrein, das ist fies!) abgeschleppt, so daß er ohne Robe erscheinen mußte und dann noch dies. Kurzum: er drang mit keinem Argument durch, zumal Dr. Krieger stets postwendend „konterte“. Zur oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, die Gravenreuth ins Spiel brachte, führte RA Dr. Krieger noch überzeugende Gegenargumente ins Feld, der sich auch rhetorisch dem Beklagtenvertreter weit überlegen zeigte. Der Hinweis des Herrn von Gravenreuth auf den BGH, schien Dr. Krieger eher zu noch mehr Widerspruch herauszufordern, der sich ersichtlich zurückhalten mußte, um nicht noch schärfer zu erwidern. Die positionalen Differenzen waren für den Zuschauer zum Greifen spürbar. Für die Klägerseite hat sich Hinzuziehung dieses grandiosen Juristen in jeder Hinsicht gelohnt, auch wenn er als OLG-Anwalt beim Landgericht nicht postulationsfähig ist und nur als Beistand für RA Stadler erscheinen. Es bleibt zu wünschen, daß er dieses Mandat beim OLG Düsseldorf weiterführt, da die Berufung nach den Worten Gravenreuths unausweichlich ist, ebenso wie in dem ebenfalls für ihn erfolglos verlaufenden Fall Strieder (s. nur: http://www.freedomforlinks.de), der hinsichtlich der Feststellungsklage zur beiderseitigen Erledigung führte. Die Zuhörer hatten sich auf eine längere Verhandlung eingestellt, konnten aber angesichts dieses Verlaufes kaum enttäuscht sein. Die Sympathien waren ohnehin sehr einseitig verteilt - in Richtung Klägerseite.

Dem Kläger war es anzusehen, wie sehr er über die “Neigungen“ des Gerichts erleichtert war. Diese Erleichterung wird wohl nur einer im Saal nicht geteilt haben, da derartige Neigungen bei anhaltender Tendenz der Abmahnpraxis den Garaus machen dürften. Natürlich war diese Verhandlung nur ein Zwischenschritt auf dem Weg in die nächste Instanz, aber ein wichtiger, sofern das erkennende Gericht seine Neigungen beim Verkündigungstermin am 25.10.2000 vertieft - was zu hoffen, aber auch zu erwarten ist.

Die Rechtsprechung ist in der Lage - und wie es scheint insgesamt auch immer mehr willens (s. die Dokumentation unter: http://www.online-recht.de) - dem grassierenden „Abmahnunfug“ ein Ende zu bereiten, so daß der Ruf nach dem Gesetzgeber, der vielerorts erhoben wurde, möglicherweise schon bald wieder verstummen wird. Es ist durchaus offen, ob der Gesetzgeber, der hier nur im europäischen Konzert handeln könnte, taugliche Normen implementieren könnte, diese Praxis einzuschränken, wenn die bisherigen gesetzlichen Mittel allem Anschein nach nicht ausreichen, um die Eintragung von Marken zu verhindern, denen deutlich absolute Schutzhindernisse entgegenstehen, etwa weil sie beschreibend sind oder sonst gegen § 8 II MarkenG verstoßen. Mit seiner negativen Feststellungsklage hat der Kläger den gangbarsten Weg beschritten, um die Situation zu bereinigen und aus der Welt zuschaffen. Nichtigkeitsklagen nach § 50 I MarkenG gegen Marken, die unter Verstoß gegen absolute Eintragungshindernisse dennoch eingetragen wurden, sind indessen langwierig, wie der Fall „Webspace“ zeigt. Die von Dr. Krieger bereits frühzeitig im Netz angeratene Strategie der Wahl der negativen Feststellungsklage scheint aufzugehen.

Redaktion Jurawelt, 20.09.2000

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