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"Strieder gegen Symicron" - Eine Gerichtsreportage Zur Berufungsverhandlung in dem Rechtsstreit vor dem 20. Senat des OLG Düsseldorf am 20. Februar 2001
Ralf Hansen
Bungle in the Jungle

Markenschutz im Web: ein "Fortsetzungszusammenhang"

Eine Gerichtsreportage zur Berufungsverhandlung in dem Rechtsstreit Strieder gegen Symicron
vor dem 20. Senat des OLG Düsseldorf
am 20. Februar 2001


Das OLG Düsseldorf hat heute in dem Rechtsstreit Strieder gegen Symicron GmbH als Berufungsinstanz mündlich verhandelt und bereits in der Sitzung ein sog. "Stuhlurteil" mit folgenden Tenor verkündet: "Die Berufung wird zurückgewiesen". Auf eine markenrechtliche Argumentation ließ sich das OLG erst gar nicht ein, sondern wies die Berufung aufgrund einer unrechtmäßigen Serienabmahnung wegen Fehlens der gesetzlichen Voraussetzungen zurück. Damit spielte der markenrechtliche Kern dieses Rechtsstreits, der im Trubel um "Münz gegen Symicron" (http://www.jurawelt.com/anwaelte/gerichtsreportagen/402) weitgehend in der Öffentlichkeit unterging, diesmal keine Rolle. Bei den "Explorer-Streitigkeiten" geht es im Kern um die Bejahung oder Verneinung der Verwechslungsfähigkeit der noch für Symicron eingetragenen Marke Explorer, deren Verletzung durch Hyperlinksetzung oder Bereitstellung eines Ftp-Programmes zum Download im Wege der Abmahnung geltend gemacht worden war, gegen die seitens der Betroffenen mehrere negative Feststellungsklagen erhoben wurden. Mit einem sofortigen Urteil ohne Bestimmung eines Verkündungstermins war indessen kaum zu rechnen. Insofern handelt es sich um ein Überraschungsurteil mit durchaus grundsätzlicher Bedeutung.

I.

Die "Explorer"-Streitigkeiten haben im deutschsprachigen Bereich des "Netzes der Netze" viel Wirbel ausgelöst. Der Wirbel beruht nahezu ausschließlich auf den Folgen des Rechtsschutzes zwecks Durchsetzung von Abmahnungen der Ratinger Firma Symicron und deren Abwehr (http://www.symicron.de; aktuelles stets unter http://www.juramail.de/forum und http://www.freedomforlinks.de). Meist ging es darum, daß ein Hyperlink gesetzt wurde auf die Anbieterseite eines US-amerikanischen Herstellers eines "Ftp-Explorers", der FTPX-Corporation, die selbst für den deutschen und europäischen Markenschutz aufgrund des Schutzlandprinzips im internationalen Markenrecht kaum durchsetzungsfähig erreichbar ist. Letztlich handelt es sich um Serienabmahnungen, deren Behandlung keineswegs eindeutig ist. Gegen diese Linksetzung unter Verwendung des als Marke geschützten Kennzeichens machte die betreffende Firma ihre Markenrechte im Wege eines Unterlassungsanspruches geltend, da sie die Markenbenutzung im geschäftlichen Verkehr für verwechselungsfähig hielt und hält. Deutlich geworden ist inzwischen, daß die Tatbestandsmerkmale des Handelns im geschäftlichen Verkehr und der Markenbenutzung, deren Fehlen immer wieder von Betroffenen geltend gemacht wird, eine völlig untergeordnete Rolle spielen. Im Zentrum steht allein die Frage, ob nach § 14 II, V i.V.m. 6 II MarkenG eine Verwechselungsgefahr besteht. Diese Frage wird überaus kontrovers beantwortet. Zugunsten der betreffenden Firma sind sowohl eine deutsche Marke, als auch eine EPA-Marke eingetragen. Indessen sind die Abmahnungen durchaus selektiv und richten sich weitgehend gegen kleinere Anbieter, während größere Anbieter wie http://www.trademarkexplorer.de, IBM und andere "große Fische" durchaus verschont blieben, die die geschützte Marke partiell sogar im Domain-Name tragen und sie nicht nur in einem Hyperlink verwenden. Gegen die deutsche Marke läuft inzwischen wenigstens ein Löschungsverfahren (Informationen: http://www.juramail.de/forum). Die Information der Antragsteller sind indessen spärlich, ihre Informationspolitik seltsam.

Zahlreiche Rechtsstreitigkeiten wurden um die Verletzung der deutschen Marke "Explorer" und "Explora" geführt, die 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt in München registriert wurde. Kurios auch, daß die betreffende Markeninhaberin sich nach Ablauf der fünfjährigen Schutzfrist im gleichen Geltungsbereich nunmehr auch auf die EPA-Marke bezieht. Die veröffentlichten Urteile sind in Begründung und Ergebnis sehr unterschiedlich. Schien sich zunächst eine breite Durchsetzung des Unterlassungsanspruches abzuzeichnen (Nachweise unter: http://www.gravenreuth.de), scheint sich inzwischen trotz der weiter anhaltenden "abmahnfreundlichen" Rechtsprechung des LG München (s. jetzt: http://www.jurawelt.com/anwaelte/internetrecht/1272) eine Gegentendenz abzuzeichnen, deren breite Durchsetzung aber noch fraglich ist (eingehend: http://www.jurawelt.com/anwaelte/internetrecht/675).

Möglicherweise stellte eine Entscheidung des LG Düsseldorf in Sachen Münz gegen Symicron, einer negativen Feststellungsklage gegen die Rechtmäßigkeit der Abmahnung, den entscheidenden Wendepunkt dar (http://www.jurawelt.com/Aktuelles/611). Inzwischen ist in einem vergleichbaren Verfahren das LG Berlin dem LG Düsseldorf der Sache nach gefolgt (http://www.jurawelt.com/anwaelte/internetrecht/1262), mit Akzentverschiebungen in der Begründung, die aber nicht als wesentlich hervortreten. Indessen ist parallel zum Berliner Verfahren eine Leistungsklage vor dem LG München rechtshängig, deren Ausgang ungewiß ist. Auch das LG Braunschweig läßt nach wie vor eine "abmahnfreundliche" Tendenz erkennen (http://www.jurawelt.com/gerichtsurteile/1232). In den drei Verfahren "Strieder", Münz und Speedlink sind, bzw. waren Berufungsverfahren anhängig. Es darf erwartet werden, daß die betreffenden Entscheidungen des Düsseldorfer Oberlandesgerichts in Sachen "Münz gegen Symicron" und des Kammergerichts Berlin den Charakter von Grundsatzentscheidungen haben werden, die der Bedeutung der Sache angemessen sind und entsprechende öffentliche Beachtung verdienen.

II.

Der Rechtsstreit Strieder gegen Symicron, ebenfalls eine negative Feststellungsklage, wurde in erster Instanz vor dem LG Düsseldorf am gleichen Tag mündlich verhandelt, wie der inzwischen berühmte Rechtsstreit Münz gegen Symicron, über den die Presse breit berichtet hat (zusf. http://www.freedomforlinks.de). Angesichts des hohen Medieninteresses an diesem Rechtsstreit ging diese Sache, die vergleichbar, aber anders gelagert ist und entscheidende Abweichungen aufweist, eher unter. Dafür spricht auch, daß das Urteil - soweit ersichtlich - nirgendwo im Netz veröffentlicht ist. Die Sache "Münz" wird das OLG Düsseldorf etwa in einem halben Jahr entscheiden. Nunmehr fand die mündliche Verhandlung in der Rechtsssache Strieder vor der wesentlich bekannteren, dort ebenfalls anhängigen Berufungssache Münz statt. Es wäre möglich gewesen, daß die Rechtssache "Strieder" zum führenden Verfahren geworden wäre. Doch es sollte anders kommen. Es erging kein markenrechtliches Grundsatzurteil, aber ein Urteil mit durchaus grundsätzlicher Bedeutung, zu dem man dem erkennenden Senat in seiner Konsequenz nur gratulieren kann, da es gegen die Rechtmäßigkeit von Serienabmahnungen grundsätzlich in Front geht.

III.

Worum ging es denn in diesem Fall konkret? Wie bereits eingangs geschildert, geht es in diesen Fällen stets um die Abmahnung durch Geltendmachung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruches wegen Benutzung der betreffenden Marke der bekannten Ratinger Firma im geschäftlichen Verkehr.

Die Klägerin (und Berufungsbeklagte) betreibt eine nette, harmlose Homepage im Internet, deren privater Charakter deutlich hervortritt, ungeachtet einer markenrechtlichen Qualifikation als Handeln im geschäftlichen Verkehr aufgrund der Bereitstellung von Downloadangeboten. Die Klägerin hatte den Download eines "Ftp-Programmes" eines US-amerikanischen Herstellers (Shareware) von einer CD-ROM vorgenommen, die einer Computerzeitschrift beilag. Dieses Programm lud sie auf ihre Homepage und stellte es Nutzern zum Download bereit. Darin lag der entscheidende Unterschied zur Rechtssache "Münz gegen Symicron", da es hier nicht um markenrechtliche Linkhaftung ging. Auch eine markenmäßige Benutzung war eindeutig gegeben. Münz hatte auf seiner Website lediglich einen Hyperlink auf die Website des US-amerikanischen Herstellers gesetzt. Auch hatte die Klägerin gegenüber dem Rechtsanwalt der Firma Symicron eine Unterlassungserklärung abgegeben, das Programm dann von der Site entfernt, jedoch eine Kostenübernahme verweigert. Gegen die Abmahnung ging sie sodann im Wege der negativen Feststellungsklage vor, mit dem Antrag festzustellen, daß der Beklagten kein Anspruch auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten für die Abmahnung vom 31.01.2000 zustand. Dieser Antrag wurde in der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2000 übereinstimmend für erledigt erklärt, so daß in einem Beschluß nach § 91 a ZPO nur noch über die Kosten zu befinden war. Übrig blieb die Entscheidung durch Urteil über eine Widerklage, mit dem Antrag, die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte (und Widerklägerin) DM 1.633,80,- wegen des Ersatzes von Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Die Entscheidung der 2a-Kammer des LG Düsseldorf ist bekannt: Die Widerklage wurde mit einer interessanten und argumentatorisch sehr aufwendigen markenrechtlichen Begründung zurückgewiesen, so daß die Beklagte diesbezüglich Berufung einlegte. Was zu dem Kuriosum führte, daß das OLG Düsseldorf über einen Streitwert zu entscheiden hatte, der knapp über den gesetzlichen Anforderungen des § 511 a ZPO lag.

IV.

Die Verhandlung vor dem OLG Düsseldorf fand in entspannter Atmosphäre im Saal 224 des ehrwürdigen OLG Düsseldorf statt, einem der schönsten Gerichtsbauten Nordrhein-Westfalens, das gerade umfassend saniert wird. Neben einem am OLG Düsseldorf zugelassenen RA erschien RA Freiherr von Gravenreuth in Person, "bewaffnet" mit einem Karton, um Produkte der Firma Symicron und weiteres zu demonstrieren. Doch dessen bedurfte es nicht. Für die Berufungsbeklagte Strieder war RAOLG Dssd. Dr. Hans Jochen Krieger (http://www.transpatent.com) erschienen, der große Lust zu haben schien, tief in den markenrechtlichen Diskurs mit dem Kontrahenten einzusteigen, was sich aber im hiesigen Verfahren als völlig unnötig erwies. Der Senat ging auf die markenrechtliche Elemente des Falles gar nicht ein. Statt dessen sah RA von Gravenreuth (http://www.gravenreuth.de) gegen HJK wieder einmal "alt" aus.

Der Senat schien in der Sache einer Entscheidung des LG München zu folgen (http://www.bonnanwalt.de/entscheidungen/LG-Muenchen1-9HKO14840-99.html), mit der ein Unterlassungsanspruch in der "Webspace-Sache" als unrechtmäßige Serienabmahnung zurückgewiesen wurde, weil es an den Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag fehlte. Letztlich knüpft diese Rechtsprechung an die restriktive Rechtsprechung des BGH und zahlreicher Oberlandesgerichte zu den wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen der 70er und 80er Jahre an, als die "Abmahnvereine" mit § 1 UWG ihr Unwesen trieben. Die betreffenden "Abmahnvereine" wurden im wesentlichen nicht im Interesse der Verletzten und auch nicht im Interesse der Allgemeinheit tätig, sondern allein in ihrem eigenen Gebühreninteresse tätig, so daß im Zweifel ein für eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag erforderlicher Fremdgeschäftsführungswille fehlte. Zwar ist eine markenrechtliche Abmahnung im Eigeninteresse damit nicht ohne weiteres völlig vergleichbar, doch handelt es sich auch hier um Serienabmahnungen, bei denen sofort ein RA als "Abmahner" eingeschaltet wurde. Der Vorsitzende des 20. Senats des OLG Düsseldorf ließ deutlich erkennen, daß es zuvor eigener Bemühungen der Firma Symicron bedurft hätte, um eine Serienabmahnung zu rechtfertigen. Etwas ironisch kommentierte der Vorsitzende, daß die einzig berechtigten Kosten der Abmahnerin allein die Kosten für die eingesetzten Suchmaschinen sein könnten.

Entscheidungen noch in der mündlichen Verhandlung sind im Zivilrecht selten, insbesondere in Berufungsverfahren vor dem OLG, wo es meist um höhere Streitwerte geht. Sie kommen gelegentlich vor, wenn ein Sachverhalt vorliegt, dessen rechtliche Beurteilung eindeutig ist. Diese Voraussetzung sah der erkennende Senat ersichtlich als gegeben an und wies die Berufung mit kurzer Begründung zurück. Anders als das LG Düsseldorf in der ersten Instanz sah sich der Senat daher der Notwendigkeit enthoben zur Frage der Verwechselungsgefahr nach § 14 II i.V.m. 6 II MarkenG Stellung zu nehmen, auch wenn dies überaus interessant gewesen sein dürfte. Die Entscheidung ist erfreulich und zu begrüßen, schafft sie doch ein wenig mehr Rechtssicherheit in einem "Dschungelgelände", das der Befriedung durch eine differenzierte und abgewogene richterliche Beurteilung bedarf. Damit bleibt aber markenrechtlich betrachtet das Verfahren in Sachen "Münz gegen Symicron", das vor einem anderen Senat des OLG Düsseldorf verhandelt wird, "führend". Die entscheidende markenrechtliche Grundsatzentscheidung des OLG Düsseldorf zur Linkhaftung steht damit noch aus. Es bleibt weiter spannend!

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