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"Die Namensaktie - zur Renaissance einer Aktienart" von Prof. Dr. Ulrich Noack

Prof. Dr. Ulrich Noack

A. Recht und Praxis der Namensaktie

I. Entwicklungen

Die DCX-Aktionäre unter Ihnen haben es bemerkt: Die Einladung zur HV kam nicht -wie sonst- von der Depotbank, sondern von der Gesellschaft selbst. Doch woher kennt DCX seine Aktionäre? Ein Blick in die „Global Shareholder Database genügt. So heißt dort das Aktienbuch, in dem jeder Aktionär mit Name, Wohnort und Beruf verzeichnet ist. DCX hat von Anfang an Namensaktien ausgegeben; Daimler-Benz hatte Inhaberaktien.

Zwischen beiden Aktienarten bestehen zwei wesentliche Unterschiede. Der erste liegt in der Übertragbarkeit. Die Inhaberaktie geht nach sachenrechtlichen Regeln (§§ 929 BGB) über. Das Recht aus dem Papier (Mitgliedschaft) folgt dem Recht am Papier (Eigentum an der Urkunde). Die Namensaktie wird durch Abtretung (§ 398 BGB) übertragen. Sie kann durch Indossament übertragen werden, womit ein Gutglaubensschutz nach wechselrechtlichen Grundsätzen einhergeht. Wichtig ist der zweite Unterschied. Bei der Namensaktie kommt es auf die Eintragung im Aktienbuch an. Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt als Aktionär nur, wer als solcher im Buche steht (§ 67 II). Bei der Inhaberaktie ist legitimiert, wer sie besitzt.

Mit der Inhaberaktie ist also leichter umzugehen. Sie ist einfach und rechtssicher übertragbar, und sie erfordert nicht den Aufwand eines Aktienbuches.

Demgemäß war und ist in Deutschland die Inhaberaktie die vorherrschende Art der Verbriefung aktienrechtlicher Mitgliedschaft. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Namensaktie allerdings häufiger anzutreffen. Das hatte seinen Grund in der Vorliebe der Westallierten für diese Aktienart. Die Besatzungsmächte gaben den Nachfolgegesellschaften der IG Farben, den Großbanken und den entflochtenen Unternehmen der Montanindustrie auf, Namensaktien auszugeben. Nach und nach kehrten diese AGs dann wieder zur Inhaberaktie zurück. 1990 hatten nur noch ca 10% der börsennotierten Aktiengesellschaften, insbesondere Versicherungen, Namensaktien.

Hier soll von der Renaissance der Namensaktie die Rede sein sein - wo also ist dieses Wiederaufblühen, welche Ursachen hat es (dazu mein erster Teil) und welche Rechtsfragen sind damit verbunden?

Es geht um die aktuelle Beobachtung, dass sehr große Gesellschaften, die im Deutschen Aktienindex geführt werden, von der Inhaber- auf die Namensaktie umstellen. DCX ist letztes Jahr mit 1,1 Millionen Namensaktien gestartet. In dieser Hauptversammlungssaison sind die Siemens AG, die Mannesmann AG, die Dresdner und die Deutsche Bank AG und die Deutsche Telekom AG gefolgt. Die Anteile der Allianz und der Münchener Rück werden schon immer als Namensaktien gehandelt.

II. Gründe für die Namensaktie

Was sind die Gründe für diesen Trend zur Namensaktie? Zunächst einige Bemerkungen zu den herkömmlichen Gesichtspunkten, die zur Ausgabe dieser Aktienart führen.

1. Bisherige Gründe

a) Nebenleistungen

Eine mit vinkulierten Namensaktien verbundene Besonderheit besteht in der Abweichung von der Magna Charta des Aktionärs, er schulde nur seine Einlage und sonst nichts. Bei vinkulierten Namensaktien kann die Satzung dazu verpflichten, „nicht in Geld bestehende Leistungen zu erbringen" (§ 55). Praktische Bedeutung hat dies nur für die Rübenzuckerindustrie gehabt.

b) Teileinzahlungen

Zwingend vom Aktiengesetz vorgeschrieben ist die Namensaktie, wenn die Anteile vor der vollen Leistung der Einlage ausgegeben werden. Dann soll die AG ihre Schuldner ohne weiteres feststellen können. Teileingezahlte Namensaktien finden sich häufig bei Versicherungsaktiengesellschaften. Auf die Volleinzahlung wird verzichtet, weil das Geld für das operative Geschäft nicht benötigt wird; für die Risikovorsorge genügen die Ansprüche auf die Resteinlage.

c) Entsendungsrecht

Ein weiterer Vorzug vinkulierter Namensaktien ist die Möglichkeit, ein Entsendungsrecht zum Aufsichtsrat zu begründen (§ 101 II 2). Der jeweilige Namensaktionär kann die Person (das kann er auch selbst sein) benennen, die im Aufsichtsrat der Gesellschaft Platz nimmt. Ein Drittel der Anteilseignerseite kann auf diese Weise bestimmt werden.

d) Zwang zur NA aufgrund Unternehmensgegenstandes ua

Manchmal muß eine Aktiengesellschaft vinkulierte Namensaktien haben. Eine Kapitalanlage-AG, eine Wirtschaftsprüfungs- und eine Steuerberatungs-AG kann nur diese Aktienart ausgeben; dasselbe hätte für eine Anwalts-AG zu gelten, um deren Zulässigkeit zur Zeit gestritten wird.

Eine Besonderheit ist die Deutsche Lufthansa AG. Die Privatisierung war mit der Umstellung von Inhaberstamm- auf vinkulierte Namensaktien verbunden. Hierzu war die Gesellschaft nach dem „Luftverkehrsnachweissicherungsgesetz" von 1997 verpflichtet. Damit soll die Einhaltung der Nationalitätsanforderungen einer EU-Verordnung und internationaler Luftverkehrsabkommen gewährleistet werden. Kurz gesagt: Die private Lufthansa AG muss deutsch bleiben, sonst verliert sie ihre Landerechte. Wird eine ausländische Beteiligungsmehrheit festgestellt, kann als ultima ratio der Zwangsverkauf eingeleitet werden.

e) Take-over-Schutz

Namensaktien erlauben eine Kontrolle der Aktionärszusammensetzung. Sie warnen -wie die Gänse auf dem Capitol- vor einer feindlichen Übernahme. Das Zusammenkaufen von Aktienpaketen bleibt wegen der Eintragungen im Aktienbuch nicht geheim.

Noch besser ist der -etwas seltsam so genannte- „Überfremdungsschutz" gewährleistet, wenn die Zustimmung des Vorstands zu der Übertragung von Namensaktien erforderlich ist (vinkulierten Aktie). Schon das Reichsgericht hatte in dem spektakulären Victoria-Fall (RGZ 132, 149) mit diesem Vinculum zu tun; Anfang der neunziger Jahre hat Aachen-Münchener Beteiligungs AG für erheblichen Wirbel gesorgt. Es ging in beiden Fällen darum, nach welchen Maßstäben der Vorstand sein Ermessen auszuüben hat. Das möchte ich hier nicht weiter verfolgen.

Teileinzahlung, Steuerberater, Rübenzucker: das ist nicht aus jener Welt, welche die Vorstände von Daimler, Siemens und Telekom zu dieser einschneidenden Maßnahme bewegen könnten.

2. Neue Gründe

a) Global Share

Der Grund dafür war in erster Linie, eine „global share" zu präsentieren: eine einheitliche, auf der ganzen Welt handelbare Aktie. Mit der Welt ist in Wirklichkeit die New York Stock Exchange gemeint. An der Wallstreet sind traditionellerweise nur „registered shares" erlaubt (obwohl gesellschaftsrechtlich durch den Uniform Commercial Code auch Inhaberaktien zugelassen sind).

Die deutschen Gesellschaften, die an der New Yorker Börse notiert sind (Hoechst, SAP, früher Daimler-Benz), haben sich bislang mit einer Zertifikatslösung beholfen. Man hat auf den Namen lautende Aktienersatzscheine, sog American Depositary Receipts ausgegeben. Damit ist nur eine mittelbare Eigentümerstellung erreichbar, was der Kapitalmarkt mit einem Sicherheitsabschlag quittiert.

Den Global Players ist klar, dass dies nur eine Zwischenlösung sein kann. Wer an der wichtigsten Börse ordentlich vertreten sein will, muß Namensaktien haben.

b) Akquisitionswährung

Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung der eigenen Aktie, um international Unternehmenskäufe zu bezahlen. Die Inhaber interessanter Akquisitionsobjekte sind nicht immer an „Barem" interessiert, sondern wollen in Aktien der übernehmenden Gesellschaft ausbezahlt werden. Dasselbe gilt, wenn eine Überkreuzbeteiligung im Rahmen von Allianzen angestrebt wird (wie zB zur Zeit im Telekommunikationssektor). Das setzt voraus, dass man eine international fungible Aktienart anbieten kann. Wegen der Verbreitung der Namensaktie im angloamerikanischen Bereich liegt es nahe, generell auf diese Aktienart umzustellen.

c) Investor Relation

Die Pflege der Kontakte zum Aktionär ist in vielen Aktiengesellschaften inzwischen „Chefsache" geworden. Die Bedeutung der -neudeutsch so genannten- Investor Relation ist in den letzten 10, 15 Jahren enorm gesteigert. In einer Zeit, in der die Unternehmen über europäische Binnengrenzen und darüber hinaus um Risikokapital konkurrieren, kann es sich kein Vorstand mehr leisten, in den wirtschaftlichen Eigentümern nur Leute zu sehen, die „dumm und frech" sind - so die dem Baron von Fürstenberg zugeschriebene Sentenz.

Die Namensaktie erlaubt nun eine ganz genaue Kenntnis der Aktionärsstruktur, sie ermöglicht den direkten Kontakt mit dem Aktionär. Moderne Aktienbücher sind keine Bücher mehr, sondern elektronisch geführte Register - sie ermöglichen eine subtile Auswertung der Aktionärsdaten.

Der IR-Verantwortliche bei DXC hat mir berichtet, daß bei größeren Verkäufen von Investmentfonds kurz darauf bei dem Fondsmanager das Telefon klingelt ... Das IR-Tool der Deutschen Bank sortiert die Aktionäre nach Beruf und Haltedauer, gleicht mit dem Kundenbestand des Unternehmens ab, analysiert Bestandsveränderungen und Handelsaktivitäten und manches andere. Derlei Beobachtungen sind bei Inhaberaktien grundsätzlich nicht möglich. Als Ersatz dienten den Gesellschaften Depoterhebungen und neuerdings freiwillige Registrierungen, wie bei der Telekom im Forum-T-Aktie.

d) Virtuelle Namensaktie

Neben diesen Entwicklungen, die ich ganz pauschal mit „Auswirkungen der Globalisierung" umschreiben möchte, gibt es noch einen kapitalmarktrechtlichen Grund für die neue Attraktivität der Namensaktie. Seit 1997 ist die Namensaktie, auch die vinkulierte, in die Girosammelverwahrung einbezogen. Das bedeutet, die Aktien liegen als Sammelbestand bei der Deutsche Börse Clearing AG. Übertragungen erfolgen als Umbuchungsvorgänge. Es gibt also keine physische Belieferung mehr - und es gibt seit 1998 auch keine Aktienurkunden mehr. Mit dem KonTraG hat sich auch die aktienrechtliche Rechtslage verändert. Nachdem schon seit 1994 die Satzung bestimmen konnte, daß es keine Einzelverbriefung mehr gibt, kann seit kurzem die Verbriefung des Anteils des Aktionärs überhaupt ausgeschlossen werden (§ 10 V). Damit gibt es nur noch eine Globalurkunde. Die fortgeschrittene Dematerialisierung der Aktie läßt den Übergang zu einem reinen Wertrecht erwarten (aber das ist ein anderes Thema).

e) Informationstechnologie

Der dritte Grund ist die moderne Informationstechnologie, maW die Computerisierung aller Vorgänge rund um den Börsenhandel mit Inhaber- oder Namensaktien. Letztere benötigen, wie erwähnt, ein Aktienbuch. Das Aktienbuch kann als elektronische Datei eingerichtet sein. Darüber sagt das AktG zwar nichts, doch folgt dies aus den Vorschriften des HGB über Handelsbücher. Das Aktienbuch gehört zu den "sonst erforderlichen Aufzeichnungen" (§ 239 I HGB) des Kaufmanns, die "auf Datenträgern geführt werden" dürfen (§ 239 IV HGB). Das elektronische Aktienregister arbeitet mit einem System zusammen, das die Deutsche Börse Clearing AG (DBC) seit 1997 zur Abwicklung von Börsentransaktionen girosammelverwahrter Namensaktien anbietet (Geschäftsbericht 1998 der Deutsche Börse Clearing AG, S. 10: Über 2,3 Millionen Geschäfte in Namensaktien wurden 1998 abgewickelt). Die CASCADE VNA genannte Applikation erfaßt täglich die Übertragungsvorgänge an den angeschlossenen Börsen, die von den dortigen Handelssystemen gemeldet werden. Diese Informationen werden über eine Schnittstelle an die Aktienregister übermittelt.

Seit kurzem ist eine Sammeldepotverbindung zwischen der us-amerikanischen Depositary Trust Company (DTC) und der DBC eingerichtet. Damit ist die transatlantische Übertragung von Wertpapieren durch schlichte Buchungsvorgänge (und nicht mehr durch physische Lieferung, dazu Meyer-Spangenberg WM 1996, 1117, 1118 f, 1122; Than, WM-Festgabe Hellner, 1994, 85) möglich geworden.

f) Pre-IPO

Auf diesen Gesichtspunkt wurde ich vor einer Woche in meinem Seminar zu Venture Capital aufmerksam gemacht. Immer mehr junge Firmen mit innovativem Unternehmensgegenstand bezahlen ihre Mitarbeiter in Aktien, werben schon vor einem going public im Kreise der Geschäftspartner und Interessierten um Beteiligung, manchmal sogar darüber hinaus im Internet. Im Kauderwelsch heißt das „pre-IPO". So weit, so gut. Werden aber Inhaberaktien ausgegeben, ist der spätere Gang an das Börsensegment Neuer Markt hochgradig gefährdet. Die Zulassung dort verlangt, dass die Altaktionäre einen Revers unterschreiben, wonach sie sechs Monate lang ihre Aktien nicht verkaufen (übrigens ein zu kurzer Zeitraum). Indessen sind eben diese Altaktionäre wegen der Anonymität der Inhaberaktie nicht mehr zuverlässig aufzufinden und anzusprechen. Das wäre mit Namensaktien nicht passiert und mit vinkulierten ist auch der Kreis der Altaktionäre unter Kontrolle zu halten.

B. Besondere Rechtsfragen bei börsennotierten Gesellschaften

Nach diesem -wenn man so will- „allgemeinen Teil" zu Gründen und Hintergründen des gegenwärtigen Trends werde ich im zweiten Abschnitt drei Rechtskomplexe ansprechen, bei denen sich besondere Schwierigkeiten zeigen. Das sind erstens die Umstellung, zweitens das sogenannte Aktienbuch und drittens die Hauptversammlung.

I. Umstellung

Die Satzung muß bestimmen, ob die Aktien auf den Inhaber oder auf den Namen ausgestellt werden (§ 23 III Nr. 5). Damit steht fest, daß zur Umstellung auf Namensaktien die Satzung zu ändern ist. Aber genügt das - oder bedarf der Vorgang der Zustimmung jedes betroffenen Aktionärs? Davon hängt ab, ob bei Publikumsgesellschaften die Umstellung gelingt, denn dort finden sich immer welche, die nicht mittun.

Uns interessiert, ob es für eine derartige Opposition eine aktienrechtliche Grundlage gibt. Hier hilft ein Blick in ein führendes Erläuterungswerk zum Aktienrecht, den Kölner Kommentar. Dort lesen wir (bei § 24) in den Ausführungen von Alfons Kraft, die Satzungsänderung bedürfe der Zustimmung jedes Aktionärs. Die einmal begründete wertpapierrechtliche Position des Inhaberaktionärs sei ein Individualrecht, das über das reine Mitgliedschaftsrecht an der Gesellschaft hinausgehe und dessen Umwandlung nicht durch Mehrheitsbeschluß erzwungen werden könne. Kraft kommt zu dem Ergebnis, daß eine Umstellung allein aufgrund qualifizierten Mehrheitsbeschlusses nicht zulässig ist (oder nur die Zustimmenden bindet).

Im Kern geht es um die Frage, ob und wie die Aktionärsstellung verändert werden kann. Daß das allgemeine Mitgliedschaftsrecht Änderungen unterliegt, folgt aus dem körperschaftlichen Mehrheitsprinzip. Manchmal hat das Aktiengesetz weitere Sicherungen vorgesehen, insbesondere wenn Aktiengattungen berührt sind.

§ 11 erlaubt, daß Aktien verschiedene Rechte gewähren können, und definiert, daß Aktien mit gleichen Rechten eine Gattung bilden. Das ist der Fall bei Stammaktien einerseits, Vorzugsaktien ohne Stimmrecht andererseits. Erstere gewähren ein volles Stimm- und Dividendenrecht, letzteren fehlt das Stimmrecht (§ 140), doch haben sie einen Vorzug bei der Verteilung des Gewinns (§ 139). Eine solche Rechts- und damit: Gattungsverschiedenheit gibt es bei Inhaber- und Namensaktien nicht. Beide sind gleichwertige Ausdrucksformen des Mitgliedschaftsrechts. Lediglich ihre Verkehrsfähigkeit ist unterschiedlich ausgeprägt.

Das Gesetz verlangt indessen nur bei Gattungsverschiedenheit einen Sonderbeschluß der benachteiligten Aktionäre (§ 179 III). Wenn lediglich in diesem Fall ein weiteres Votum neben dem satzungsändernden Beschluß notwendig ist, so folgt daraus, daß bei Gattungsgleichheit Änderungen nach allgemeinen Regeln erfolgen.

Ein weiteres, mE durchschlagendes Argument ist e contrario aus § 180 II zu gewinnen. Dort wird die Umstellung von Namensaktien auf vinkulierte Namensaktien mit der Zustimmung aller betroffenen Aktionäre verknüpft. Der Grund ist, daß die Pflichten gegenüber der AG im Sinne einer stärkeren Bindung an die Gesellschaft vermehrt werden. Für die Umwandlung von Inhaber- in Namensaktien (oder umgekehrt) hat das Gesetz gerade keine solche Regel aufgestellt. Die Änderung der Rechtsposition, die mit der Namensaktie verbunden ist (insbesondere Legitimation über das Aktienbuch), ist mit der Einführung einer Vinkulierungsklausel in ihrer Belastung für den Aktionär nicht vergleichbar.

Im Ergebnis also: qualifizierter Mehrheitsbeschluß genügt.

II. Aktienbuch

Die hauptsächliche Besonderheit bei der Namensaktie ist das Aktienbuch. Die schriftliche Registrierung war früher ein wesentliches Hemmnis für die Verbreitung der Namensaktie - im EDV-Zeitalter spielt dies fast keine Rolle mehr.

Im folgenden beschränke ich mich auf Aspekte, die unter heutigen Verhältnissen besonders bedeutsam sind.

1. Eintragung

a) Treuhandeintragung

In den USA hat sich eine Praxis entwickelt, wonach ein nominee oder street name eingetragen wird, der die Aktien treuhänderisch für den beneficial owner hält. Eine solche Entwicklung ist auch in Deutschland im Gange. Dann stellt sich die Frage, wie es zu werten ist, wenn der Gesellschaft bekannt wird, daß die Namensaktien durch die eingetragene Person für einen anderen gehalten werden. Der Aufspaltung der materiellen und formellen Rechtsstellung kann durch eine Treuhandvereinbarung Rechnung getragen werden. Allerdings hat diese interne Abrede über die Wahrnehmung der Vermögens- und Verwaltungsrechte keine Wirkung im Verhältnis zur Gesellschaft. Der nominee (Depotbank) muß dem wirklichen Aktionär schriftlich Vollmacht gemäß § 134 III AktG erteilen, wenn dieser in der Hauptversammlung persönlich auftreten will. Insofern also eine Umkehr des Verhältnisses, wie wir es bei der Inhaberaktie kennen!

Auch dann, wenn im Aktienbuch der Zusatz "Fremdbesitz" vermerkt ist, ändert dies nichts an der Regel des § 67 II AktG, dass nur der Eingetragene als Aktionär „gilt". Die Eintragung begründet mehr als nur eine Vermutung der materiellen Berechtigung. Ob man von unwiderlegbarer Vermutung oder von Fiktion spricht, bleibt sich gleich. Aktionärsrechte und -pflichten werden nur von dem formell durch Eintragung Legitimierten wahrgenommen. Die Registrierung wirkt demnach sowohl zu seinen Gunsten (das ist inzwischen nicht mehr streitig) als auch zu seinen Lasten.

b) Umschreibungsprozedur

Umschreibungen im Aktienbuch erfolgen nach Anmeldung des Rechtsübergangs durch den Erwerber oder durch den Veräußerer. Dazu sind diese Beteiligten berechtigt, aber nicht verpflichtet. Der Vorstand der AG soll nur auf Antrag tätig werden. Ohne diesen Antrag darf, so heißt es in erläuternder Literatur, die AG nicht eintragen, insbesondere also nicht schon dann, wenn sie von einer Rechtsänderung irgendwie erfährt.

Genau das geschieht bei den börsennotierten Gesellschaften mit Namensaktien tagtäglich. Wer heute eine DaimlerChrysler-Aktie kauft, steht am nächsten Tag im elektronischen Aktienregister der Gesellschaft - selbstverständlich ohne daß er oder der Verkäufer einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Das kann bei einem vieltausendfachen Börsenhandel auch gar nicht anders sein. Ganz ohne Zutun von Veräußerer oder Erwerber meldet das CASCADE-System den Übertragungsvorgang an die angeschlossenen elektronischen Aktienregister.

Wenn man den Vorgang juristisch retten will, so bleibt nur, von einem konkludent erklärten Einverständnis bei Aktienerwerb auszugehen, daß die Umschreibung erfolgt. Freilich ist dies nicht mehr als eine Fiktion. In Wirklichkeit machen sich weder Veräußerer noch Erwerber Gedanken über die Konsequenzen ihrer Transaktion für das Aktienregister der Gesellschaft, allenfalls könnte man den als Kommissionären eingeschalteten Banken eine solche Funktion unterstellen. Hier ist wohl doch eine gesetzliche Neuregelung erforderlich, um Rechtspraxis und Gesetzestext wieder einigermaßen in Übereinstimmung zu bringen. Die Regelung könnte vorsehen, daß bei börsennotierten Gesellschaften das Anmeldeerfordernis entfällt, wenn die Aktien über die Börse erworben wurden.

Ebenfalls anzupassen ist die Bestimmung über die Vorlage der Namensaktie in § 68 III 2 AktG. Was soll auch vorgelegt werden, wenn es nur noch -wie bei der Allianz AG und der Münchener Rück AG- eine "virtuelle Namensaktie", aber aufgrund von § 10 V AktG keine Verkörperungen (Urkunden) mehr gibt?

Den Nachweis des Übergangs, den die Norm gleichfalls fordert, mag man so stehenlassen, wenn man sich nur darüber im klaren ist, daß die Meldung eines als fehlerfrei abgenommenen EDV-Programms dafür genügt.

2. Verantwortung

Ein Aktienbuch ist eine aufwendige Angelegenheit. Der Vorstand ist für die Einrichtung und korrekte Führung verantwortlich. Das heißt nicht, daß diese Aufgabe persönlich oder nur durch Angehörige des eigenen Unternehmens wahrgenommen werden kann. Vielmehr ist "outsourcing" zulässig, dh es dürfen externe Dienstleister eingeschaltet werden.

Die Führung des Aktienbuches der DaimlerChrysler AG hat die Registrar Services GmbH übernommen, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bank AG. Die Deutsche Börse Systems AG betreibt ein EDV-gestütztes "Integriertes Aktienbuch".

Das ist soweit in Ordnung, nur muß der jederzeitige Zugriff auf die Registereintragungen von Seiten der Aktiengesellschaft möglich sein; mit der Verantwortung des Vorstands für das Aktienbuch wäre es nicht zu vereinbaren, wenn etwa die Verfügbarkeit der Daten nur zu bestimmten Stichtagen sichergestellt ist (anders wohl bei AC Services).

3. Einsicht

Die Eintragungen im Aktienbuch stehen zur Einsicht jedes Aktionärs offen (§ 67 V AktG). Ein berechtigtes oder schutzwürdiges Interesse an der Einsichtnahme ist nicht erforderlich. Die Information ist auch nicht beschränkt auf die den jeweiligen Aktionär betreffenden Eintragungen.

Der Vorteil dieses umfassenden Einsichtsrechts ist, daß Aktionäre untereinander Verbindungen knüpfen können. Das eröffnet Chancen für eine wirkungsvolle Opposition. So ließe sich eine ad-hoc-Aktionärsvereinigung aufbauen, um dem sogenannten Streubesitz gegenüber Großaktionär und Verwaltung besseren Einfluß zu verschaffen.

Andererseits ist fraglich, ob diese mit dem Aktiengesetz 1965 eingeführte Regelung unter heutigen Verhältnissen nicht über das Ziel hinausschießt. Es ist ein berechtigtes Anliegen bei geschlossenen Gesellschaften, den Aktionärskreis zu kennen, insbesondere wenn die Einlagen nicht voll erbracht sind. Bei der gegenwärtig sich entwickelnden Praxis, daß große Publikumsgesellschaften Namensaktien wie vorher Inhaberaktien führen, ist nicht recht erkennbar, weshalb der Kleinaktionär aus Düsseldorf-Benrath den Kleinaktionär aus Mainz-Gonsenheim identifizieren soll. Dem legitimen Interesse an einer Transparenz des Aktionärskreises ist durch die 1994 eingeführten Vorschriften des § 21 WpHG für börsennotierte Gesellschaften weithin genügt. Danach muss melden, wer 5% der Stimmrechte erreicht hat. Die Ergebnisse sind in einer konsolidierten Übersicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel im Internet abrufbar. Mehr sollte man nicht verlangen.

Eine weitere Frage betrifft die Modalitäten der Einsichtnahme. Die Einsicht ist dem Aktionär offline zu gewähren. Dazu muß sich der Aktionär in die Geschäftsräume der Gesellschaft begeben, wo ihm das Aktienbuch vorgelegt wird. Bei einem elektronischen Register kann das nur bedeuten, daß die Daten geordnet sichtbar gemacht werden.

Sowohl für Aktionär als auch für die Gesellschaft ist die beschriebene Prozedur aufwendig und mühevoll. Dem berechtigten Informationsbedürfnis des Namensaktionärs, die ihn betreffenden Angaben im Register zu kontrollieren, wäre durch eine online-Einsicht genügt. Die Identifikation mit einem Paßwort kann ohne weiteres durch die Aktionärsnummer erfolgen. Weder praktikabel noch aktienrechtlich zulässig ist hingegen, das Aktienbuch generell online für alle Aktionäre zur Verfügung zu stellen. Dritte haben kein Einsichtsrecht, doch es wäre nicht mehr effektiv zu kontrollieren, ob nur Aktionäre sich einwählen; faktisch würde ein für jedermann zugängliches Register präsentiert.

III. Hauptversammlung

Die Vorbereitung und Durchführung der HV ist in wichtigen und in eher nebensächlichen Punkten von der Einführung der Namensaktie betroffen. Ich werde mich auf die Vorbereitung und die Stimmrechtsausübung konzentrieren.

1. Einberufung

Zu den Nebensächlichkeiten mag man zählen, daß es in nicht wenigen Fällen zu einem verwirrenden und unnötigen Doppelversand von Einladungsunterlagen kommt. Man bekommt Post sowohl von seiner Depotbank als auch von der Gesellschaft, denn die Einladungsverpflichtungen können (nicht müssen) sich für beide ergeben.

Folgender Sachverhalt: Die Discountbanken über meist keine Stimmrechte für die Aktionäre auf den Hauptversammlungen aus. Offenbar verlangen sie aber die Mitteilung über die Einberufung, wodurch der Mechanismus der §§ 125, 128 AktG greift. Der Vorstand hat die Einberufungsunterlagen an die Banken, diese haben an die Aktionäre weiterzuleiten (die daran verdienen, denn die Gesellschaft muss eine Kostenpauschale erstatten). Wer als Aktionär im Aktienbuch eingetragen ist, muss von der Gesellschaft auch direkt eingeladen werden (§ 125 II Nr 3). Das ist nur entbehrlich, wenn Stimmrecht von dem Kreditinstitut ausgeübt worden sind, was ja hier nicht der Fall ist. Auch wer seine Stimmrechte von einer Aktionärsvereinigung ausüben läßt, wird beim nächsten Mal doppelt eingeladen.

Auf eine jetzt interessant werdende Regelung, die mit der kleinen Aktienrechtsnovelle von 1994 einfügt wurde, möchte ich noch aufmerksam machen. Bei namentlich bekannten Aktionären kann auf eine öffentliche Einberufung durch die Gesellschaftsblätter verzichtet werden. Namentlich bekannt ist derjenige, welcher in der Aktionärsdatei steht.

Nur diese Person ist der Gesellschaft gegenüber legitimiert. Selbst wenn also der Vorstand positiv weiß, daß in Wirklichkeit ein anderer Aktionär ist, darf und braucht er ihn nicht einzuladen (Hoffmann-Becking ZIP 1995, 1, 6; Hahn DB 1994, 1659, 1664; Blanke BB 1994, 1505, 1508; Lutter AG 1994, 429, 438; Hüffer, AktG, § 121 Rn 11b). Hier im Einzelfall anders zu entscheiden, würde den Wert des Aktienbuches stark relativieren.

Der Registrierte ist mit eingeschriebenem Brief zur Hauptversammlung zu bitten (§ 121 IV 1 AktG). Dies gilt auch für börsennotierte Aktiengesellschaften (§ 3 II AktG). Wegen der Kosten wird eine solche Einladung dort allerdings nur in Betracht kommen, wenn der freie Anteilsbestand äußerst gering ist. Diese Kosten ließen sich drastisch reduzieren, sobald eine Einladung per e-mail ermöglicht wird. Das ist ein von der Bundesjustizministerin ausdrücklich erklärtes Ziel für diese Legislaturperiode. Das ist mE nachdrücklich zu begrüßen, und zwar nicht nur mit Blick auf die Kosten (sie betrugen bei DCX 1,8 Mio Euro), sondern vor allem mit Blick auf Europa. In der EU ist bei weitem nicht sichergestellt ist, dass Einladungen zur Hauptversammlungen von Generali/Italien, L´Oreal/Frankreich oder Nokia/Finnland die Anteilseigner überhaupt und rechtzeitig erreichen. Eine jüngst erschienene, sehr gründliche vergleichende Studie der DSW hat dazu erschreckende Mängel festgestellt. Immerhin sind Initiativen in Brüssel auf dem Wege, das elektronische cross-border-voting als europäischen Standard zu etablieren.

Verzeihen Sie mir diesen Exkurs, ich kehre zum engeren Thema zurück.

2. Anmeldung

Hauptversammlungen sind eine aufwendige Angelegenheit. Man muss wissen, wer erscheint und dass nur Legitimierte kommen.

Das statutarische Anmeldeerfordernis (§ 123 II 1 AktG) dient der ordnungsgemäßen Vorbereitung einer Präsenz-Hauptversammlung. Daher ist eine solche Bestimmung auch bei Namensaktien sinnvoll. Der Aktionär muß sich so rechtzeitig anmelden, daß zwischen dem Zugang der Anmeldung und dem Tag der Hauptversammlung wenigstens zwei Tage liegen (§ 123 IV AktG).

Die Deutsche Telekom AG (DTAG) hat auf ihrer diesjährigen Hauptversammlung eine Satzungsklausel aufgenommen, die lautet: "Übertragungen von Aktien werden nach der Anmeldung erst wieder nach Beendigung der Hauptversammlung in das Aktienbuch eingetragen". Da die Anmeldung ab Bekanntmachung der Einberufung erfolgen kann und diese Zeit einen Monat beträgt (§ 18 II der DTAG-Satzung), würde dies bedeuten, daß ein Erwerber der "T-Aktie" kein Stimmrecht besitzt, wenn dessen Vorgänger sich bereits angemeldet hat. Das Aktienbuch wird erst nach der Hauptversammlung wieder auf den neuesten Stand gebracht, so daß der Nicht-mehr-Aktionär gegenüber der Telekom legitimiert bleibt. Im Börsenhandel kann man nicht wissen, ob sich innerhalb des Monats vor der Hauptversammlung ein Verkäufer angemeldet hat oder nicht. Demzufolge kommt es zu Zufallsergebnissen; die Irritation dürfte sich auch im Kurs niederschlagen. Diese Art von Registersperre ist nicht nur wegen ihrer Auswirkungen auf den Kapitalmarkt problematisch - sie ist aktienrechtlich nicht zulässig. Die Eintragung in das Aktienbuch hat mit möglichster Beschleunigung zu erfolgen. Mit der modernen Datentechnik ist es ohne weiteres möglich, das Aktienregister wenigstens bis zu den zwei Tagen vor der Hauptversammlung, die § 123 IV AktG als Vorbereitungszeit konzediert, a jour zu halten. Ein "HV-Stopp" kann von Rechts wegen nur mit dieser kurzen Frist gesetzt werden.

3. Stimmrecht

Zu erheblichen Veränderungen kommt es im Bereich der Stimmrechtsvertretung durch die Depotbanken.

a) Anonymität

Dazu muß man wissen, dass die Vertretung beim Rechtsgeschäft der Stimmabgabe in Abweichung von den BGB-Regeln erfolgt. Es handelt sich dabei um eine zweifache Modifikation. Zum einen ist eine schriftliche Form der Vollmacht erforderlich (§ 134 III 2 AktG), was hier nicht weiter interessieren soll. Zum zweiten wird der Offenkundigkeitsgrundsatz abgeändert, denn ein Kreditinstitut muß zwar sagen, daß es „in Vertretung" abstimmt, es braucht aber nicht zu erklären, für wen dies geschieht. Das ist die Stimmrechtsausübung im Namen dessen, den es angeht (§ 135 IV 2 AktG). Die Person des Aktionärs ist nicht so wichtig. Die Legitimation des Kreditinstituts, welche durch Hinterlegung erfolgt (§ 135 IV 4 AktG) genügt. Darin zeigt sich ein wesentlicher Grundzug der Aktiengesellschaft als einer anonymen, rein auf Kapitalbeteiligung beruhenden Veranstaltung.

Das alles wird es künftig bei DCX, Telekom und Siemens nicht mehr geben. Die Kreditinstitute dürfen bei Namensaktien nicht verdeckt abstimmen. Sie müssen die Person des vertretenen Aktionärs benennen und eine schriftliche Vollmacht vorlegen (§ 135 VII 1 Alt 2 AktG). Damit entfällt das "Geheimhaltungsrecht" BGH) ersatzlos. Das ist ein folgenreicher Vorgang, der bei geschlossenen Gesellschaften wenig bedeutet, aber bei Publikumsgesellschaften dazu führen könnte, die Präsenzen weiter zu senken. Schon das derzeitige breite Einsichtsrecht in das Aktienbuch belastet; im Zusammenhang mit der Hauptversammlung kommt hinzu, daß das Teilnehmerverzeichnis (§ 129 I 2 AktG) über das Handelsregister zu jedermanns beliebiger Einsicht und Abschrift offensteht (§ 130 III 1, V AktG; §§ 9 I, II HGB). Wenn es sich herumgesprochen hat, man könne auf Hauptversammlungen als Namensaktionär nicht mehr anonym vertreten werden, könnte dies durchaus davon abhalten, sich über ein Kreditinstitut an der HV zu beteiligen.

b) Street Names

Die Alternative ist die Eintragung der Bank im Aktienbuch entsprechend der street-name-Praxis in den USA. Die Beteiligten vereinbaren in ihrem Innenverhältnis, wie das Stimmrecht auszuüben ist. Aktienrechtlich ist eine schriftliche "Ermächtigung" (§ 135 VII 1 Alt. 1 AktG) erforderlich, wenn Stimmrechte für Namensaktien ausgeübt werden, die der Bank nicht gehören - es handelt sich um die Geltendmachung fremden Rechts in eigenem Namen.

Die Ermächtigung braucht der Gesellschaft nicht vorgelegt zu werden. Eine solche Pflicht wird in § 135 VII 2 AktG letzter Halbsatz nur für die Vollmacht bestimmt. Eine Kontrolle, ob insoweit alles mit rechten Dingen zugeht, erfolgt bankaufsichtsrechtlich durch die Depotprüfung (§ 29 II 2 KWG).

Wenn der Verlust an sinnvoller Anonymität nicht kompensiert wird, werden verstärkt Banken als Street Names auftreten. Dann zeigt sich, dass man bei der Reform des Vollmachtsstimmrechts im letzten Jahr die Namensaktie schlicht vergessen hat. 1998 wurde nach langer Debatte die sogenannte Bankenmacht eingegrenzt. Jetzt gibt es eine 5%-Klausel, die besagt, dass Banken ab dieser Beteiligungsschwelle das Vollmachtsstimmrecht nur mit ausdrücklicher Weisung ausüben dürfen (§ 135 I 3 AktG). Wie ist nun der Sachverhalt zu beurteilen, dass die Deutsche Bank 10% bei DCX hält und für den Aktionär Noack im Aktienbuch der Gesellschaft eingetragen ist. Darf die Bank das Stimmrecht aufgrund einer 15-Monats-Ermächtigung ausüben oder nur dann, wenn sie von mir eine ausdrückliche Weisung bekommen hat? Ersteres entspricht dem Gesetzestext (die 5%-Klausel ist nämlich für NA nicht in Bezug genommen), letzteres dem Gesetzessinn. Die Regelungslücke ist im Sinne der Beschränkung des Bankenstimmrechts zu schließen.

c) Vollmachtsstimmrecht

Die 15-Monats-Vollmacht (§ 135 II 1 AktG) ist eine grundsätzlich sinnvolle Einrichtung zur Repräsentation von Kleinaktionären. Bekanntlich ist es für viele zu aufwendig, für jede Hauptversammlung eine Einzelvollmacht zu erteilen. Das rechtspolitisch seit jeher umstrittene Vollmachtsstimmrecht hat -das geben auch die Kritiker zu- eine nützliche Funktion insofern, als die Präsenzen auf den Hauptversammlungen gestützt werden.

Wie auch immer: Durch den Übergang zur Namensaktie wird diese zeit- und kostengünstige Möglichkeit der Teilhabe an Hauptversammlungen ausgehebelt.

Wenn die der Bank (oder der Aktionärsvereinigung) erteilte 15-Monate-Vollmacht vorsieht, daß anonym abzustimmen ist ("für den, den es angeht"), so kann der Bevollmächtigte bei Namensaktien davon keinen Gebrauch machen.

Sofern dies nicht der Fall ist, kann zwar wie vorgesehen das Stimmrecht in Vertretung ausgeübt werden, indessen nur bei einer Gesellschaft. Der Grund dafür liegt in der Regelung, wonach bei Abstimmung unter Benennung des Aktionärs die Vollmachtsurkunde der Gesellschaft vorzulegen und von dieser zu verwahren ist. Mit der ersten Abstimmung aus der Dauervollmacht wäre diese also formal verbraucht (es sei denn, es wird eine beglaubigte Abschrift angefertigt, was wegen der Kosten kaum in Betracht kommt).

Dieses Leerlaufen des Vollmachtsstimmrechts der Kreditinstitute scheint den Akteuren bislang nicht bewußt zu sein. Abhilfe kann hier nur der Gesetzgeber bringen, und entsprechende Vorarbeiten laufen in Bonn/Berlin bereits. In Betracht kommt, auf die Verwahrung der Urkunde bei der Gesellschaft zu verzichten, damit diese mehrfach einsatzfähig wird.

Ein weiteres Petitum ist die schleunigste Einführung der elektronischen Vollmacht. Seit 1997 ist mit dem seither einsam in der Rechtsordnung stehenden Gesetz zur digitalen Signatur dafür eine Grundordnung geschaffen. Jedoch gibt es noch keine materiell-rechtliche Norm, die erklärt, daß die digitale Signierung die Schriftformerfordernis ersetzt oder ihr gleichgestellt ist. Wenn das geschehen ist, kann die digital signierte Dauervollmacht jeder Gesellschaft übermittelt und als Datei überlassen werden, deren Hauptversammlung ansteht. Entsprechende Pläne gab es -wohl zu früh- schon anläßlich der KonTraG-Aktienreform 98. Sie werden jetzt, wie zu hören ist, zu Recht wieder aktiviert.

C. Resümee

Vor unseren Augen spielt sich ein interessantes Lehrstück ab. Da wird eine Aktienart wieder entdeckt, die seit Jahrzehnten im Dornröschenschlaf versunken ist. Unser Dornröschen erwacht in einer fremd gewordenen Umgebung.

Der tatsächliche Hintergrund ist ein anderer geworden. Die Stichworte habe ich ausgeführt: elektronischer Börsenhandel, Girosammelverwahrung, virtuelle Namensaktie, digitales Aktienregister.

Die Rechtsregeln sind zum Teil ebenfalls neu (Stichwort: WPHG, Datenschutz - darauf bin ich nicht eingegangen), zum Teil sind die Normen nicht für die Publikumsgesellschaft mit Namensaktien passend (Stichwort: Vorlage der Urkunde, Bankenstimmrecht).

Noch vor zehn Jahren war von einem statischen, breite Anlegerkreise kaum erfassenden deutschen Aktienwesen die Rede. Die neunziger Jahre haben mit einem globalisierten Kapitalmarkt, mit Emissionsfieber und Neuem Markt, rechtlich mit drei Aktiengesetznovellen (kleine AG, Stückaktie, KonTraG) dynamische Bewegung gebracht. Wenn der Trend zur Namensaktie, zum EDV-Aktionärsregister und zum elektronischen Stimmrecht anhält, ist weiter für Spannung im Aktienrecht gesorgt.


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